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Angedacht zum Monatsspruch September 2016

Vieles ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es um Liebe geht.

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Gott spricht: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. (Jeremia 31, 3)

Auf dem Filmfestival von Cannes wurde er im Hauptprogramm gezeigt, was allein schon eine Besonderheit für einen deutschen Film ist. Besucher und Kritiker lobten ihn in höchsten Tönen, und auch wenn ihm die „Goldene Palme“ versagt blieb, so ist „Toni Erdmann“, der Film der Regisseurin Maren Ade, ein zweieinhalbstündiges, lohnendes Erlebnis. Es geht um einen merkwürdigen Vater, einen geschiedenen Musiklehrer, dessen geliebter Hund gerade gestorben ist. Er macht sich auf den Weg nach Bukarest, wo seine Tochter als taffe, erfolgreiche Unternehmensberaterin im Öl-Business arbeitet.

Der Besuch endet unglücklich und der Vater macht sich vermeintlich auf den Heimweg, um in kruder Verkleidung, mit Perücke und Spaßgebiss wieder im Leben der Tochter aufzutauchen – als Kunstfigur „Toni Erdmann“ und kurzzeitig sogar als Botschafter von Deutschland. Als Zuschauer geht man durch eine Phase des Lachens und Fremdschämens hindurch, bis man begreift, dass dieser Vater sich nicht plump ins Leben der Tochter drängen will, sondern dass ihm alles daran liegt: Seine Tochter soll glücklich sein!

Als uneingeladener Gast bei einer orthodoxen Osterfeier in einer Familie setzt sich schließlich der Vater ans Klavier und fordert die Tochter auf, eine Ballade von Whitney Houston zu singen, was diese nach einigem Zögern auch tut, und sie singt: „Because the greatest love of all is happening to me.“ Zu deutsch: Weil die größte Liebe von allen die ist, die mir gilt. Und es scheint, als ob in dieser kitschig-schönen Textzeile das pädagogische Ziel der ganzen Aktion des Vaters liegt: Damit die Tochter begreift: Sie selbst ist geliebt, und das ist das Größte überhaupt!

Das Erstaunliche an dem Monatsspruch für den Monat September ist, dass das Verhältnis Gottes zu einem Volk als Liebe beschrieben wird. Es geht nicht um die Rechte eines Besitzers an seinem Besitz, es geht nicht um die Durchsetzung des Willens bei den Untergebenen, sondern um die Liebe als Hauptmotiv des Handelns Gottes von Anfang an. Und Israel, Gottes Volk, darf und soll sich in dieser Liebe geborgen, von dieser Güte angezogen wissen. Die Liebe ist das Größe überhaupt, und ohne die Liebe ist alles nichts. Im Neuen Testament findet das reichhaltigen Niederschlag. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab ...“ (Johannes 3, 16) oder „Nun bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, die Liebe aber ist das Größte von allen.“ (1. Kor. 13, 13).

Das Wunderbare in dem Film „Toni Erdmann“ ist, dem Vater nachzuspüren, dessen größter Wunsch es ist, dass die Tochter „Liebe für ihr Leben“ entdeckt und spürt und darin lebt. Es ist dem Vater völlig egal, dass er sich auf dem Weg zu diesem Ziel vielfach der Lächerlichkeit preisgibt, zur Witzfigur macht, sich am Ende sogar (oh, ich verrate viel zu viel von diesem Film) zum Affen macht. Wenn er zu diesem Ziel kommt, dass die Tochter entdeckt: „Because the greatest love of all is happening to me.“, dann ist alles gut.

Für mich ist dieser Film genau wie dieser Spruch eine große doppelte Erlaubnis. Ich darf erstens selbst danach suchen, es für mich selbst gelten lassen, meine ungestillte Sehnsucht vor Gott bringen und sagen: Ich will mich selbst als einen Menschen erleben, dem das gilt: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ Und ich darf immer dann, wenn es in meinem Tun um Traditionswahrung, um Normenkontrolle, um Bewahrung und Mehrung des Besitzes und um vieles mehr geht, denken: Darauf kommt es letztlich nicht an. Nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es um Liebe geht. Die Gewichte verschieben sich.

Pfarrer Andreas Klein

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