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Psalm 38,10 - Monatsspruch für Oktober 2018

All mein Sehnen, HERR, liegt offen vor dir, mein Seufzen ist dir nicht verborgen.

flickr.com, CC_BY-ND_2.0

Sehnen und seufzen – ist es nicht das, was die menschliche Seele beständig tut? Menschen sehnen sich nach Glück, nach Schönheit, nach Geborgenheit, nach Liebe.

Sehnsüchtig erwarten wir: montags schon das Wochenende, am 20. eines Monats schon das nächste Gehalt, im Januar schon den Frühling, bald schon den nächsten Urlaub, nach Tagen der Abwesenheit das Wiedersehen mit den Liebsten. Wer sich sehnt, blickt nach vorne, ist voller Erwartung und Hoffnung. Die erwartungsfrohe Anspannung gibt mir Energie und lässt mich die Mühen der Gegenwart eher aushalten.

Wenn da nur nicht das Seufzen wäre: über Schmerzen, über Ärger mit dem Nachbarn, über Sorgen um die Kinder, über ungeklärte Diagnosen, unbezahlte Rechnungen, unerledigte, lästige Pflichten, Prüfungsstress oder über die eigene Unzulänglichkeit, die ich anderen gegenüber nicht so gerne eingestehe. Wer seufzt, der ist in den misslichen Umständen der Gegenwart gefangen und hat das Gefühl: Ich schaffe es nicht; jedenfalls nicht alleine.

Sehnsüchte teilen Menschen viel eher als ihr Seufzen; für Letzteres braucht es schon eine enge, vertraute Beziehung zu demjenigen, mit dem ich meine Sorgen und Lasten teilen könnte.

Der Beter des 38. Psalms, einer der sieben Bußpsalmen in der Bibel, der König David zugeschrieben wird, ist in einer außerordentlich verzweifelten Situation. Er ist sehr krank und seelisch niedergedrückt. Er ist sich dessen gewiss, dass seine Situation ihre Ursache in eigener Schuld hat; er versteht seine Krankheit als eine Strafe Gottes.

Es wäre falsch, in Krankheiten allgemein eine Strafe Gottes zu sehen. Spätestens seit Hiob ist in der Bibel die Erkenntnis da, dass es auch unverschuldetes Leid gibt, und dass es äußerst problematisch ist, Leiden auf diese Weise zu erklären oder zu rechtfertigen. Die Frage nach dem Leid kennt keine einfachen Antworten.

Das Entscheidende ist aber, dass der Beter dieses Psalmes alles, was in ihm vorgeht, vor Gott offenlegt:

"All mein Sehnen, HERR, liegt offen vor dir, mein Seufzen ist dir nicht verborgen."

Beten ist zuerst ein radikales Ehrlichsein: Alles liegt offen vor Gott, auch das, was ich niemandem sonst sagen würde; sogar das, was ich mir selber kaum eingestehen möchte. Zum anderen bringt dieses Beten eine große Erleichterung: Es tut gut, nicht immer nur gute Miene zum bösen Spiel machen zu müssen, sondern seine Seufzer, seine negativen und verqueren Emotionen herauslassen zu können. Zum dritten vermeidet dieses Gebet, dass ich immerzu nur um meine verzweifelte Situation kreise, als gäbe es keinen Ausweg; die Sehnsucht weist nach vorn, hat Hoffnung, hat Gewissheit: Du kannst alles wenden.

Und so führt dieses Gebet schließlich zu einer Vertiefung meiner Beziehung zu Gott. Wenn meine intimsten Regungen und Sehnsüchte vor ihm offen liegen, dann weiß ich mich in innigster Weise mit Gott verbunden. Eine Gotteserfahrung, die an Tiefe und Intensität kaum zu übertreffen ist.

Es ist etwas sehr Kostbares, dass die Bibel solche Worte enthält, die uns helfen, wenn wir nicht wissen, wie und was wir beten können.

Pfarrer Thomas Sinning

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