Die Erfahrung der Liebe Gottes bestimmt das Leben und Handeln der christlichen Gemeinde. Liebe ist zuerst Empfangen und dann Weitergeben. Liebe ist zuerst ein Sein und dann ein Tun. Ich bin nicht, was ich tue, aber ich darf tun, was ich bin. Nur liebend bin ich wirklich ich selbst.
Dieses Menschenbild lässt sich nicht nur biblisch belegen und theologisch begründen. Dafür gibt es auch andere Hinweise. In den Humanwissenschaften setzt sich die Erkenntnis durch, dass Menschen nicht primär oder prinzipiell auf Egoismus und Konkurrenz eingestellt sind, sondern auf Kooperation und Liebe. Am glücklichsten ist der Mensch im gelingenden Miteinander. Das kann man an der Ausschüttung bestimmter „Glücksstoffe“ durch das Gehirn sogar messen. Was ein Mensch tut, ist letztlich auf soziale Beziehungen ausgerichtet, in denen Zuwendung, Aufmerksamkeit und Anerkennung erlebt werden. Und dann ist die Aufforderung, all unser Tun in Liebe geschehen zu lassen, keine Überforderung, sondern eine Verheißung. Sie entspricht unserem Wunsch, so geliebt zu werden, dass wir selbst lieben können.
Im Glauben an Gott leben Menschen in seiner Liebe. Sie stellen sich vertrauensvoll in diese Liebe hinein und lassen sich von ihr leiten. Diese Perspektive ermöglicht einen weiteren und umfassenderen Blick. In der Gemeinschaft des Glaubens ist entscheidend, welches Tun der Verkündigung des Evangeliums und dem Aufbau der Gemeinde dient. Dass es überhaupt Glauben an Gott und die Gemeinde Jesu Christi gibt, verdankt sich Gottes liebender Zuwendung.
Diese Liebe steht am Anfang. Wir können sie dankbar annehmen und an uns geschehen lassen. Und dann können wir auch alles andere in dieser Liebe geschehen lassen. In der Übersetzung Martin Luthers wird dieses Geschehenlassen akzentuiert: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen“ hat er 1. Kor 16,14 wiedergegeben. Luther betont damit das Zulassen, das Geschehenlassen als ein Grundcharakteristikum christlichen Handelns. Was Christen tun, tun sie nicht allein aus eigener Kraft, sondern mit Gottes Hilfe und mit Gottes Segen.
„Hätte ich der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“
Die Liebe ist bei allem Tun das Entscheidende. Wenn sie fehlt, ist alles andere nichts. Vorher schrieb Paulus in seinem Brief: „Wenn ich allen Glauben hätte, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ (1. Kor 13,2) Erst die Liebe macht das Tun in einer christlichen Gemeinschaft gehaltvoll – zum Wohle aller. Diese Liebe macht nicht blind für den anderen, sondern stiftet Gemeinschaft.
Auch Auseinandersetzungen, die mitunter zu einer Klärung nötig sind, können in der Liebe geschehen, wenn man trotz aller Differenzen das Gemeinsame und Verbindende im Blick behält. Und Auseinandersetzungen gab es reichlich in der Gemeinde von Korinth. Manchmal muss man um des Glaubens willen Konflikte austragen. Auch der Apostel Paulus war ein streitbarer Mann. Bekannt ist seine Auseinandersetzung mit Petrus, von der er in Galater 2,11ff berichtet. Doch wichtig ist, dass man in der Liebe streitet und dabei den anderen zu gewinnen sucht, damit das Miteinander in der Gemeinschaft des Glaubens erhalten bleibt und gefördert wird.
„Die Liebe hört niemals auf“, hat Paulus den Korinthern geschrieben (1. Kor 13,8). Im Glauben an Jesus Christus kann Gottes Liebe so etwas wie der rote Faden unseres Lebens werden. Gottes Liebe kann in allem Auf und Ab des Lebens etwas Bleibendes und Kontinuierliches in unser Leben bringen. Weil wir von Gott geliebt sind, hat auch unsere menschliche Liebe Zukunft. Christen strahlen Licht in ihre Umgebung aus, wenn sie – gerade in Zeiten der Krise und der Lebensangst – Gottes Liebe in tätiger Solidarität leben.
Gott halte auch im neuen Jahr unseren Glauben wach und unsere Hoffnung lebendig und er stärke unsere Liebe, damit alles, was wir tun, in Liebe geschehen kann.