Monatsspruch Dezember: Sacharja 2,14
Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.
Flying Pharmacist at en.wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons25.11.2021 drk_jb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Kann dieser Aufruf zu Freude und Fröhlichkeit uns herausreißen aus den Sorgen, Ängsten und Enttäuschungen, in die uns die rasant anwachsende vierte Welle der Pandemie hineinziehen will? Kann die Adventszeit uns helfen, nicht immer nur um diese Corona-Belastung zu kreisen?
Wenn wir im Advent diesen alttestamentlichen Bibelvers lesen, bringt er in uns das beliebte Adventslied: „Tochter Zion“ zum Klingen. Es ist nach einem ganz ähnlichen Wort des Propheten Sacharja gedichtet worden: Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir.
Gut 500 Jahre vor der Geburt Jesu hat Sacharja der aus dem babylonischen Exil zurückgekehrten Jerusalemer Bevölkerung die Hoffnung geschenkt, dass der zerstörte Jerusalemer Tempel wieder aufgebaut wird, und dass Gott wieder in Jerusalem wohnen will. Zion ist ein anderer Name für Jerusalem.
Was hat Friedrich Heinrich Ranke, als er im Jahr 1820 Pfarrer im Nürnberger Land wurde, bewogen, aus diesem Aufruf an Zion und Jerusalem ein kirchliches Adventslied zu bilden?
„Seht, er kommt mit Preis gekrönt!“
Meist entstehen Kirchenlieder ja so, dass zuerst der Text gedichtet wird, zu dem dann eine Melodie komponiert oder gefunden wird; bei „Tochter Zion“ war es umgekehrt. Die Melodie war längst von Georg Friedrich Händel komponiert worden im Jahr 1747. Als Triumphchor in seinem Oratorium „Joshua“ wurde die Melodie umgehend so beliebt, dass Händel sie wenige Jahre später auch in sein Oratorium „Judas Maccabaeus“ einarbeitete. „See the conquering hero comes – Seht, er kommt mit Preis gekrönt!“ lautet der Triumphgesang, mit der der Chor jeweils einen siegreich heimkehrenden Feldherrn willkommen heißt.
Ich könnte mir vorstellen, dass die kraftvolle Melodie Händels in Friedrich Heinrich Ranke präsent und lebendig war, als er über den Einzug Jesu in Jerusalem zu predigen hatte, darüber, wie die Bewohner Jerusalems, die Jesus mit Hosianna-Rufen willkommen hießen, sich an diese alten Verheißungen des Sacharja erinnerten: Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel. Ranke brachte die Bibelverse aus dem Propheten Sacharja in eine gedichtete Form, die er treffsicher mit Händels triumphaler vierstimmiger Melodie zu einem neuen Lied verband. Aber passt denn der Triumphzug eines irdischen Herrschers wirklich zu dem Kommen des Friedefürsten Jesus?
Den nicht triumphal auf einem Pferd, sondern bescheiden auf einem Esel reitenden Jesus hatten die Weisen aus dem Morgenland nach seiner Geburt vergeblich im Jerusalemer Königspalast gesucht. In einem Stall und einer Krippe in Bethlehem hatten sie den Königssohn nach Umwegen schließlich gefunden. Ranke macht uns mit seinem Lied deutlich, dass Gottes Kommen, Gottes Advent, Gottes Menschwerdung unter uns, mitten hinein in all das, was unser Leben mühsam und beschwerlich macht, für uns ein Grund zu großer Freude, ja zum Jauchzen ist.
„Siehe, ich komme und will bei dir wohnen.“
„Siehe, ich komme und will bei dir wohnen“: Im nötigen Abstandhalten während der Pandemie, in unserer Sehnsucht nach Nähe, ist das eine wunderbare Zusage, dass Gott selbst in unsere Misere hineinkommt, dass er uns nahekommen will, ja, bei uns wohnen will. Gottes Nähe kann uns verändern, kann uns Geduld und Ausdauer schenken. Gottes Wohnen bei uns kann in uns Mitgefühl wecken auch mit den Menschen, die die Hauptlast dieser Pandemie tragen müssen. Advent heißt Ankommen: „Siehe, ich komme und will bei dir wohnen.“ Diese Zusage des Advents gilt den Einsamen, den Gestressten, den Genervten und den Traurigen.
Auch vor hochkommenden Aggressionen angesichts so mancher Fehleinschätzungen, mit denen wir leben müssen, will uns der „Friedefürst“, der „König mild“ bewahren. Wie sehr und in welcher Weise die Pandemie uns belasten mag: Wir sind in dieser Krise nicht allein. Advent heißt: Gott kommt in unseren Schlamassel hinein. Seine Nähe will uns helfen, nicht die Nerven zu verlieren mit uns selbst und mit anderen. Wenn wir ihn willkommen heißen, vielleicht mit dem fröhlichen Lied „Tochter Zion“ zu Händels kraftvoller Melodie, dann kann er stärker sein als alles, was uns belastet.
Pfarrerin Silke Alves-Christe
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