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Gedanken zur Dankbarkeit – zum Erntedankfest

© EKHN / fundus.ekhn.deEin geschmückter Altar zu Erntedank in der Evangelischen Kirche Rückeroth.

Es gibt Größeres als unser eigenes Können. Dankbarkeit hält das Leben offen für Gott.

Dankbarkeit ist ein Gefühl oder eine innere Haltung. Sie hat mit dem Bewusstsein zu tun, dass mir etwas Gutes widerfahren ist. Insofern gehört eine gewisse Wertschätzung zur Dankbarkeit. Das Gute muss auch wahrgenommen und gewürdigt werden. Dankbarkeit ist bewusstseinsabhängig. Sie versteht sich nicht von selbst.

Insofern ist Erntedank auch ein nachdenkliches Fest. Wie sieht meine persönliche Bilanz aus? Bin ich mit meinem Leben zufrieden? Manches könnte besser sein. Doch eigentlich geht es mir schon gut. So oder so ähnlich könnten wahrscheinlich einige von uns denken, wenn auch längst nicht alle. Viele Menschen können das jedoch weltweit gesehen kaum so empfinden. Nicht nur wegen wirtschaftlicher Strukturen und politischer Verhältnisse, sondern auch weil sie in einigen Regionen der Erde stärker unter dem Klimawandel leiden als wir.

Auch bei uns sorgen freilich Extremwetterlagen vermehrt für Dürre und Starkregen. Das führt unter anderem verstärkt zu Ernteeinbußen, zum Absterben von Bäumen und auch zu Flutkatastrophen wie in diesem Sommer. Dadurch entstehen nicht nur hohe Sachschäden. Auch viele Tote sind zu beklagen.

Erntedank kann heute auch heißen: Dank für das Leben, das man noch hat. Dank für das Leben in einer immer noch fürsorglichen Gesellschaft, in der wir Hilfe und Unterstützung erfahren. Auch das hat sich bei der Flutkatastrophe im Sommer gezeigt.

Der Segen Gottes wird nicht nur für die Arbeit auf den Feldern benötigt. Wir sind auf vieles angewiesen, auch auf die vielen menschlichen Begabungen, die sich in Forschung und Wissenschaft entfalten, in Produktion und Dienstleistungen. Begabungen – da steckt das Wort „Gabe“ drin. Und wir spüren am Erntedankfest vielleicht stärker als sonst: Wir verdanken das alles nicht allein uns selbst. Es gibt Größeres als unser eigenes Können und Geschick. Bei allem berechtigten Stolz auf die eigene Leistung, reicht es nicht, sich selbst auf die Schulter zu klopfen für das, was an Gutem gewachsen und geworden ist. Vor aller Mühe und Arbeit ist das Leben ein Geschenk.

Die Dankbarkeit widersteht der scheinbaren Selbstverständlichkeit unseres Daseins. Sie besinnt sich bewusst auf das, was da ist. Das hat Folgen. Menschen, die dankbar sind, fühlen sich subjektiv besser. Sie sind zufriedener mit sich und ihrem Leben. Dankbare Menschen können besser mit den Schwierigkeiten in ihrem Leben umgehen. Sie kommen auch eher mit dem Wechsel in einen neuen Lebensabschnitt zurecht. Und sie schlafen auch besser – vermutlich weil sie mehr positive Gedanken vor dem Einschlafen haben. Zahlreiche Studien machen das zumindest plausibel.

Ich vermute, dass Danken-Können auch mit dem Älterwerden zu tun hat. Wenn man älter wird, schaut man auf die Ernte seines Lebens und zieht Bilanz. Die Ernte beendet einen Zyklus. Mit der Ernte ist die Zeit des Wachsens und Gedeihens vorbei. Nach der Ernte wird die Spreu vom Weizen getrennt. Es ist nicht alles Frucht, was in der Zeit gewachsen ist.

Bilanzen ermöglichen Einblicke. Das gilt auch für Lebensbilanzen. Zur Lebensbilanz gehört auch das, was verkümmert oder gar nicht gewachsen ist, wo es die Ernte verhagelt hat. Wer kann schon Dankbarkeit empfinden für eigenes Versagen, für Krankheit oder schlimme Schicksalsschläge? Bilanzen schließen alles ein, das Positive und das Negative. Die dunklen Seiten des Lebens werden nicht ausgeblendet. Sie bekommen im Glauben an Gott aber eine hoffnungsvollere Perspektive.

Die Dankbarkeit hält das Leben offen für die Macht, die es jeden Augenblick trägt, für Gott als Geber aller guten Gabe. Im Glauben an Gott spüre ich, dass eine große Liebe im Spiel ist, die mir das Gute zukommen lässt. Ich habe nicht nur etwas, sondern in dem, was ich da habe, zeigt sich mir jemand, der es gut mit mir meint: Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Ihm können wir danken für das, was unser Leben ausmacht.

Und ihm können wir unser Leid klagen, wenn es uns schlecht geht. Der Glaube an Gott garantiert nicht, dass uns kein Leid geschieht, sondern dass wir auch im Leid bewahrt bleiben. Auch diese – leidvolle und doch tröstliche – Erfahrung kann so gesehen dankbar stimmen.

Pfarrer Jürgen Seidl

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