Dreikönigsgemeinde

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote der Dreikönigsgemeinde zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

Was mache ich, wenn...
Menümobile menu

zum Epheserbrief 1. Kapitel Verse 3 bis 14, gehalten am 26.05.2024 von Pfarrer Thomas Reitz

Predigt am Trinitatisfest 2024 mit Konfirmationsjubiläen

© Rita Haering / fundus.ekhn.deHände blättern eine Seite der Bibel umDie Bibel ist der zentrale Text der Christenheit. Ihre Texte geben auch heute Orientierung im Alltag.

196 Stufen. So viele habe ich am vorletzten Freitag erklommen, als ich erstmals den Goethe-Turm hier in Sachsenhausen erklommen habe. Überhaupt habe ich in meinen wenigen Wochen hier in Frankfurt schon gemerkt, dass der deutsche Dichterfürst hier allgegenwärtig ist. Goethe-Uni, Goethe-Haus, Goethe-Bar, Goethe-Brot, Goethe war hier, Goethe war da…

Da will ich natürlich nicht hintanstehen und habe zum heutigen Trinitatisfest ein Zitat des alten Goethe gefunden. Dieses Trinitatisfest fasst ja sozusagen die großen Christusfeste Weihnachten, Ostern und Pfingsten zusammen. Wir erinnern daran und feiern, dass Gott uns in drei Wirkweisen begegnet: als Gott der Vater und Schöpfer der Welt. Als Sohn Jesus Christus, der zu unserer Rettung gestorben ist. Und als Heiliger Geist, der uns bestärkt, beflügelt und begeistert. Und in dieser Dreiheit und trotz dieser Dreiheit bleibt Gott trotzdem ein einziger.

Und wenn Ihnen das jetzt allzu verkopft, weltfremd und geradezu unglaublich vorkommt, dann hören Sie mal, was der alte Goethe sagte; im Jahr 1824 in einem Gespräch mit seinem Vertrauten und Dichter-Kollegen Johann Peter Eckermann:

„Da ich nun aber stark genug war, mich in ganzer Wahrheit so zu zeigen wie ich fühlte, so galt ich für stolz und gelte noch so bis auf den heutigen Tag. In religiösen Dingen, in wissenschaftlichen und politischen, überall machte es mir zu schaffen, dass ich nicht heuchelte, und dass ich den Muth hatte, mich auszusprechen, wie ich empfand.

Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Edeln über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, dass Drei eins sei und Eins drei. Das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch sah ich nicht ein, dass mir damit auch nur im mindesten wäre geholfen gewesen.“

Vor 50, 60, 65 oder sogar 70 Jahren haben Sie, liebe Jubelkonfirmandinnen und –konfirmanden, Ihre Konfirmation gefeiert. Sicher mussten Sie im vorhergehenden Konfirmandenunterricht bestimmte Glaubenssätze auswendig lernen. Das Vaterunser, Psalm 23, das Glaubensbekenntnis. Manche von Ihnen mussten vielleicht ihr Wissen vor der Konfirmation in einer Art mündlichen Prüfung vor versammelter Gemeinde vorweisen und einzelne dieser Glaubenssätze auswendig vortragen. Bei dem ein oder anderen dieser Sätze mag es Ihnen gegangen sein wie Goethe selbst. Vielleicht vermengten und vermischten sich auch in Ihnen aufgeklärt-rationales Weltbild und jugendlicher Ungestüm zu solch einer Goetheschen Renitenz gegen manche der kirchlichen Glaubenslehren: dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde beispielsweise, das ist so ein klassischer Satz, bei dem viele moderne Menschen nicht mehr mitgehen können. Oder dass einer grausam sterben muss, damit alle Menschen dadurch gerettet werden. Vielleicht haben Sie solche oder ähnliche Sätze zähneknirschend auswendig gelernt. Weil Sie nicht glauben konnten, was Sie aber glauben mussten.

Vielleicht haben Sie all das aber auch einfach hingenommen und nicht hinterfragt. Vielleicht waren Sie ohnehin mehr an den hübschen Jungs oder Mädchen interessiert, denen Sie im Konfirmandenunterricht begegnen und näher kommen konnten. Aber auch sonst gab es in diesen Jahren, in denen Sie konfirmiert wurden, genug Ablenkung von spröden kirchlichen Dogmen: 1954 beispielsweise geschah das Wunder von Bern, das Deutschland den ersten Fußballweltmeister-Titel bescherte. In den Hitparaden dieses Jahres standen Zehn Whiskey und ein Soda mit ihrem Song „Wir, wir, wir haben ein Klavier“ lange Zeit ganz oben.

Oder fünf Jahre später, 1959, als die erste Ausgabe des bis heute berühmten Comics „Asterix der Gallier“ erschien. Und aus den Radios dazu Freddy Quinn „Die Gitarre und das Meer“ besang.

1964 gewann ein gewisser Cassius Clay, besser bekannt als Muhammed Ali, seinen ersten Weltmeistertitel im Schwergewichtsboxen. Und „Liebeskummer lohnt sich nicht“ führte die Hitparaden an.

1974 wurde Deutschland erneut Weltmeister. Und in Eching bei München eröffnete der schwedische IKEA-Konzern seine erste Niederlassung in Deutschland. Die Sieger des Grand Prix de’l Eurovision dieses Jahres kamen ebenfalls aus Schweden: ABBA mit ihrem Hit „Waterloo“. 

Genug Möglichkeiten also, um sich gedanklich mit anderen Dingen zu beschäftigen als mit trockenen Dogmen von der Jungfrauengeburt, dem stellvertretenden Leiden Christi oder eben der Einheit Gottes trotz seiner Dreiheit. Wie wir sie heute am Trinitatisfest bedenken. Und gerade hier legt der alte Goethe in dem Zitat von eben den Finger ja wirklich tief in die Wunde, wenn er sinngemäß sagt: Dass Gott drei sein soll und gleichzeitig einer, das ist unlogisch. Und ich sehe auch nicht ein, welchen Vorteil das bringt.

Einen Versuch, diesen weitverbreiteten Einwänden gegen die philosophische Lehre von der Dreieinigkeit Gottes zu begegnen, wagt der Bibeltext, der uns für heute zum Nachdenken empfohlen ist. Im ersten Kapitel des Epheserbriefs dichtet der Verfasser ein Lobgebet auf Gott in seiner Gesamtheit. Herausgekommen ist im griechischen Original der längste Satz im gesamten Neuen Testament. Ich habe mich zum besseren Verständnis für die Übersetzung der Gute Nachricht Bibel entschieden. Der Verfasser oder die Verfasserin schreibt dort:  

3Gepriesen sei unser Gott,

der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!

Denn durch Christus hat er uns Anteil gegeben

an der Fülle der Gaben seines Geistes

in der himmlischen Welt.

4Schon bevor er die Welt erschuf,

hat er uns vor Augen gehabt

als Menschen, die zu Christus gehören;

in ihm hat er uns dazu erwählt,

dass wir heilig und fehlerlos vor ihm stehen.

Aus Liebe 5hat er uns dazu bestimmt,

seine Söhne und Töchter zu werden –

durch Jesus Christus und im Blick auf ihn.

Das war sein Wille und so gefiel es ihm,

6damit der Lobpreis seiner Herrlichkeit erklingt:

der Lobpreis der Gnade, die er uns erwiesen hat

durch Jesus Christus, seinen geliebten Sohn.

7Durch dessen Blut sind wir erlöst:

Unsere ganze Schuld ist uns vergeben.

So zeigte Gott uns den Reichtum seiner Gnade.

8In seiner überströmenden Güte

schenkte er uns Einsicht

und ließ uns seine Wege erkennen.

9Er hielt sein Geheimnis vor allen verborgen;

niemand erfuhr etwas von seinem Plan,

den er durch Christus ausführen wollte.

Uns aber hat er bekannt gemacht,

10wie er nach seiner Absicht

die Zeiten zur Erfüllung bringt:

Alles im Himmel und auf der Erde

wollte er zur Einheit zusammenführen

unter Christus als dem Haupt.

11Durch Christus

haben wir Anteil bekommen am künftigen Heil.

Dazu hat Gott uns von Anfang an bestimmt

nach seinem Plan und Willen –

er, der alle Dinge bewirkt.

12Denn ein Lobpreis seiner Herrlichkeit

sollen wir sein – wir alle,

die wir durch Christus von Hoffnung erfüllt sind!

13Durch Christus

hat Gott auch euch sein Siegel aufgedrückt:

Er hat euch den Heiligen Geist gegeben,

den er den Seinen versprochen hatte –

nachdem ihr zuvor das Wort der Wahrheit gehört hattet,

die Gute Nachricht, die euch die Rettung bringt,

und ihr zum Glauben gekommen seid.

14Dieser Geist ist das Angeld dafür,

dass wir auch alles andere erhalten,

alles, was Gott uns versprochen hat.

Gott will uns die Erlösung schenken,

das endgültige, volle Heil –

und das alles wird geschehen

zum Lobpreis seiner Herrlichkeit.

Ein überbordender, fast überladener Lobpreis. Er spricht Gott als Vater an, der durch Christus gehandelt hat, „schon bevor er die Welt erschuf.“ Gott und Jesus übersteigen unser menschliches, lineares Zeitempfinden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und Gottes Handeln hat einen Grund und ein Ziel: den Segen. Gepriesen sei unser Gott! Durch Jesus sind wir Menschen von Gott gesegnet, durch Christi Blut sind wir erlöst, wie es heißt. Durch Christi Leben und Handeln, das ihn in letzter Konsequenz ans Kreuz gebracht hat, erfahren wir Vergebung, Erlösung und Gnade. So eben lässt Gott uns seine Wege erkennen: Wege der Liebe, der Versöhnung und des Segens, die wir gehen sollen, denn ein Lobpreis seiner Herrlichkeit sollen wir sein.

Schließlich der Heilige Geist, durch den uns Christus sein Siegel aufgedrückt hat. Das ist ein Hinweis auf die Taufe. Die Taufe, die Sie, liebe Jubilarinnen und Jubilare, heute vor vielen Jahrzehnten bei Ihrer Konfirmation bekräftigt und bestätigt haben. Die Taufe als Zeichen für die Zugehörigkeit zu Gott und Christus. Denn auch Jesus bekam bei seiner Taufe den Heiligen Geist als Siegel aufgedrückt, so erzählen es die biblischen Berichte. Es ist also ein verschlungenes, wechselseitiges Wirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist, das der Text hier beschreibt. Drei Personen treten miteinander in Aktion und Kommunikation.

Schon früh haben sich Christinnen und Christen die Frage gestellt, wie sich Gott der Vater und Schöpfer, der Sohn und der Heilige Geist zueinander verhalten. Man fand im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Antworten, viele davon verwarf man. Am Ende dieses theologischen Streits stand eine Klärung: Keine der drei Personen, weder der Vater noch der Sohn noch der Heilige Geist, ist einem der anderen oder beiden untergeordnet. Alle drei sind in sich Gott, also eins. Diese Vorstellung von der Dreieinigkeit Gottes will sagen, dass Gott sich uns zeigt als Vater und Schöpfer dieser Welt. Er zeigt sich ebenso in Jesus von Nazareth, der Christus, der Gesalbte, der Sohn. Und Gott begegnet uns im Geist: Er ist unserem Geist gegenwärtig als der Heilige Geist.     

Das Verhältnis dieser drei Personen zueinander hat man unterschiedlich zu beschreiben versucht: als Gespräch, als Kommunikation. Oder auch als Gemeinschaft, als Interaktion. An all dem sehen wir: Gott ist ein Gott in Beziehung. Als Schöpfer ist uns Menschen nahe und wir ihm, auch ganz ohne Worte. Wir atmen seine Luft. Wir bestehen aus Materie, die er geschaffen hat.

Als Mensch kommt Gott uns ebenso nahe: Er lässt sich ein auf unser Leben und Leiden bis zum Tod.

Und schließlich stehen wir in Beziehung zu ihm durch den Heiligen Geist: Durch ihn denken wir über Gott nach. Und wir erfahren die Resonanz, die Gottes Nähe in uns auslösen kann.

Und vielleicht ist dieses Wort Resonanz die beste Weise, über die Dreieinigkeit Gottes zu reden: Denn es gibt ja Momente, in denen ich überwältigt bin von dieser Welt, mich eins mit ihr fühle. Der Ausblick vom Goethe-Turm vorletzte Woche zum Beispiel, das war so ein überwältigender Augenblick. Und gerade in der Natur geht das ja vielen so.

In anderen Momenten bin ich aber auch voller Sorge um unsere Welt angesichts unseres Handelns. In solchen Momenten spüre ich die Resonanz, die Gott der Schöpfer in mir auslöst.

Dann wieder sehe und spüre ich, wie sehr wir auf gegenseitige Unterstützung angewiesen sind. Und wie oft wir sie einander schuldig bleiben. Dann sehe ich Gott als Menschen unter uns. Ich sehe seine Solidarität mit denen, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Ich spüre die Resonanz von Gott als Sohn. Diese Resonanz in meinen Denken, meinem Fühlen und Erleben kann ich nur wahrnehmen, weil Gott in uns und seiner Welt gegenwärtig ist, zu allen Zeiten und über alle Zeiten hinaus: Gott als Heiliger Geist. Und diese Resonanz des Heiligen Geistes, die erkenne ich auch in unseren heutigen Jubelkonfirmandinnen und –konfirmanden: Denn auch wenn manche von Ihnen ja in der Bergkirche konfirmiert wurden: Allein die Tatsache, dass Sie nach so vielen Jahrzehnten hierhergekommen sind, um das Jubiläum ihrer Konfirmation zu feiern, ist ein sichtbares Zeichen der Resonanz, die Gott in Ihnen ausgelöst hat.

Vielleicht können wir also den Einwänden Goethes heute am Trinitatisfest heute das entgegnen: Die Lehre von der Dreieinigkeit meint, dass Gott mir auf verschiedene Weisen begegnet. Mal bin ich dem Vater näher, mal dem Sohn, mal dem Geist. Und dann gerät etwas in Bewegung, in Schwingung, in Resonanz in mir. Weil er, Gott, in sich selbst Bewegung ist. Er ist ein beweglicher, kommunikativer, lebendiger Gott. Dieser Gott tritt mit uns in Beziehung und lässt sich von uns berühren.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top