Zur Geschichte der Dreikönigskirche
(von Carsten Schwöbel)
Die Geschichte der heutigen Dreikönigskirche am Sachsenhäuser Ufer beginnt im Jahr 1872. Nach jahrzehntelanger Diskussion um Instandsetzung oder Neubau hatte der Frankfurter Magistrat – die Innenstadtkirchen gehören bis heute der Stadt Frankfurt; die jeweiligen Kirchengemeinden haben aber das Recht zu „immerwährenden Gebrauch“ – den Abriss der baufälligen spätmittelalterlichen Dreikönigskirche und einen Neubau an gleicher Stelle beschlossen. Der Architekt sollte der bekannte Regensburger Dombaumeister und königlich-bayerische Baurat Franz Josef von Denzinger sein, der bereits den Wiederaufbau des Frankfurter Doms nach dem Brand von 1867 geleitet hatte. Am 7. April 1872 fand der letzte Gottesdienst in der alten Kirche statt. Durch den Widerstand des preußischen Bezirkskonservators von Quast verzögerte sich der Abriss bis zum Frühsommer 1875.
Während sich die alte Dreikönigskirche nur wenig vom Häusergewirr Alt-Sachsenhausens abgehoben hatte, sollte der um einiges größere repräsentative Neubau auf einem eigenen Kirchplatz stehen, unbeeinträchtigt von der umliegenden Bebauung. Dafür war bereits Jahre zuvor eine Häuserzeile der nördlich zum Main hin gelegenen Löhergasse niedergelegt worden und nun wurde das ganze zum Teil felsige Terrain ausgeschachtet und mit einer Betonplatte egalisiert. Durch diese aufwendigen Fundamentierungsarbeiten und den strengen Winder 1876/77 zog sich die Fertigstellung der Kirche bis ins Jahr 1880 hin. Nach Abschluss der Innenarbeiten konnte schließlich am 8. Mai 1881 der Einweihungsgottesdienst gefeiert werden. Die Baukosten beliefen sich auf fast 800.000 Mark.
Von Denzinger hatte, entsprechend den Vorgaben des Magistrats, die neue Dreikönigskirche als städtebauliches Pendant zum Dom auf der anderen Mainseite in Formen der deutschen Spätgotik des 14. Jahrhunderts erbaut und sich dabei genau an die Vorschriften des sogenannten Eisenacher Regulativs von 1861 für protestantische Kirchenneubauten gehalten. Der Innenraum wirkt ausgesprochen harmonisch – wie viele der am Reißbrett geplanten historischen Bauten des 19. Jahrhunderts. Dreikönigs war die erste neugotische Kirche Alt-Frankfurts und auch die letzte, denn für die gut zehn Jahre später errichtete neue Peterskirche wurden Formen der Renaissance verwendet.
Mit ihrem 80 Meter hohen Turm war die neue Dreikönigskirche das zweithöchste Bauwerk in Frankfurt nach dem Dom. Bis heute ist sie mit ihren 840 Sitzplätzen die größte der evangelischen Innenstadtkirchen. Dreikönig war sozusagen die evangelische Antwort auf den katholischen Kaiserdom St. Bartholomäus, was man vom Eisernen Steg auch gut sehen kann, und wurde scherzhaft-stolz auch „Sachsenhäuser Dom“ genannt.
Aus der alten Kirche war nur wenig in die neue Dreikönigskirche übernommen worden, wie etwa die Opferstocktafel des Allgemeinen Almosenkastens von 1531 – das einzig erhaltene Exemplar in ganz Frankfurt! Bis heute werden die wertvollen Tauf- und Abendmahlsgeräte aus dem 17. und 18. Jahrhundert allsonntäglich benutzt, darunter eine 1730 von Johann Friedrich Starck anlässlich des 200. Jubiläums des Augsburgischen Bekenntnisses gestiftete Patene. Starck, von 1715 bis 1723 Pfarrer in Sachsenhausen, war der Verfasser eines Gebetsbuches, im Volksmund „Starckebuch“ genannt, das zum weitverbreitetsten evangelischen Andachtsbuch der Welt wurde und bis heute aufgelegt wird.
Wie durch ein Wunder hatte die Dreikönigskirche die schweren Bombenangriffe 1944 mit nur leichten Schäden überstanden. Als Ende März 1945 die Mainbrücken gesprengt wurden, um den Vormarsch der Alliierten zu verzögern, gingen allerdings die schönen historischen Fenster zu Bruch. Recht schnell nach Kriegsende konnten die Schäden provisorisch behoben und wieder Gottesdienst gefeiert werden. 1954 und 1956 wurde die Dreikönigskirche dann einer gründlichen Innen- und Außenrenovierung unterzogen und der Chorraum im nüchternen, fast kahlen Stil jener Zeit umgestaltet. Der Altaraufbau aus der Erbauungszeit wurde mitsamt der bekrönenden Kreuzigungsgruppe und dem Altarbild „Tröstender Christus“ entfernt; die farbige Chorausmalung musste kühlem Weiß weichen. Ansonsten blieb die Originalausstattung fast vollständig erhalten. Seit 1955 steht auf dem Altar ein schlichtes Bronzekruzifix des Städelprofessors Hans Mettel.
Im Hinblick auf das 75jährige Kirchenjubiläum und auf den bevorstehenden Frankfurter Kirchentag wurde im Frühjahr 1956 ein neues, von Bachert in Kochendorf/Neckar gegossenes, klangschönes fünfstimmiges Geläut in Gebrauch genommen. Ebenfalls im Frühjahr 1956 wurden die von dem Münchner Künstler Carl Crodel geschaffenen neuen Kirchenfenster eingesetzt. In den fünf Chorfenstern sind die Hauptstücke von Luthers Katechismus dargestellt als Ausdruck dafür, dass die Dreikönigsgemeinde, die sich 1934 als erste Frankfurter Gemeinde der Bekennenden Kirche angeschlossen hatte, fest zum lutherischen Bekenntnis stand und steht. In den Fenstern der Seitenschiffe hat Crodel den Weg der Heiligen Drei Könige nach Bethlehem dargestellt, was für eine evangelische Kirche eher ungewöhnlich ist, da im Matthäusevangelium ja nur sehr allgemein von Weisen aus dem Morgenland die Rede ist. Dass es sich um drei gehandelt hat und um Könige noch dazu, ist eine erst später entstandene Deutung!
In den 40er- und 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Dreikönigskirche weit über Frankfurt hinaus bekannt als Wirkungsstätte zweier bedeutender Musikpersönlichkeiten. Von 1945 bis 1957 leitete der Komponist, Musikpädagoge und spätere Thomaskantor Kurt Thomas die übergemeindliche Kantorei an der Dreikönigskirche, die europaweit zum Begriff wurde. von 1946 bis 1981 war Helmut Walcha Organist der Dreikönigskirche, ebenfalls ein Mann von europa-, wenn nicht weltweitem Ruf. Thomas und Walcha galten als die Bachinterpreten ihrer Zeit! Als Zeichen der Anerkennung für das Werk des seit 1929 in Frankfurt tätigen, in der Jugend erblindeten Organisten, ließ die Stadt 1960 / 61 von der Berliner Orgelfirma Schuke für die Dreikönigskirche eine exquisite neue Orgel mit 47 Registern und drei Manualen erbauen. Leider wurde dafür der neugotische Orgelprospekt von 1881 geopfert. Bis zum Wiederaufbau der Alten Oper 1981 war Dreikönigs ein wichtiger Veranstaltungsort für große Konzert. Heute ist die Kirche vor allem in der Adventszeit als „Konzertsaal“ begehrt.
Gegen Ende der 70er-Jahre wurde versucht, den strengen Charakter des Innenraums durch verschiedene Maßnahmen etwas zu mildern. So wurde z. B. die Kreuzigungsgruppe des alten Altaraufbaus an der Nordseite des Hauptschiffes angebracht und an mehreren Stellen barocke Engelfiguren, die z. T. noch aus der alten Kirche stammen. 1994 fanden schließlich drei Bildtafeln, die göttliche Trinität symbolisierend, der Künstlerin Petra Falk ihren Platz im spartanischen Chorraum. Jüngste Veränderungen im Kirchenraum sind bislang die Einrichtung einer Kinderecke unter der Nordempore 2005 durch die Gemeinde und ein neues Beleuchtungssystem durch die Stadt Frankfurt im Frühjahr 2006, das die Kirche nun mit ungewohnter Helligkeit erfüllt.
Die Dreikönigskirche ist zurzeit eine der zwei Predigtstätten der Dreikönigsgemeinde in Sachsenhausen, der mit knapp 6.200 Seelen größten evangelischen Kirchengemeinde Frankfurts.
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