Dreikönigsgemeinde

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote der Dreikönigsgemeinde zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

Was mache ich, wenn...
Menümobile menu

Predigttext: Matthäus 5, 1-12

1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. 2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Predigt am 2023-07-23 Matthäus 5, 1-12 von Thomas Sinning

Liebe Gemeinde,

mit der Bergpredigt sind wir ganz nah an dem, was Jesus damals den Menschen predigte. Der Evangelist Matthäus hat diese Rede Jesu literarisch sehr kunstvoll durchkomponiert, während der Evangelist Lukas sie kürzer und schlichter gestaltet als „Feldrede“ überliefert hat.

Matthäus lässt mit der Einleitung an Mose auf dem Berg Sinai erinnern. Jesus erläutert die Regeln des Reiches Gottes, so wie Mose die Zehn Gebote als Weisung von Gott erhält. Jesus sitzt, das unterstreicht seine Autorität als Lehrer der Gebote Gottes. Die Tora stellt Jesus nicht in Frage, sondern er legt sie neu aus.

Die Seligpreisungen bilden den Auftakt dieser Rede. Zwei Begriffe stehen dabei im Zentrum: „selig“ bzw. „glücklich“ und das Reich Gottes.

Der griechische Wort für „selig“ makarios ist schwer zu übersetzen. Es meinte damals nicht Glück in dem Sinne, wie wir es heute kennen: don’t worry, be happy. Makarios waren in griechischer Literatur nur Götter, später auch reiche Menschen, denen es so gut ging wie Göttern. So werden Menschen gepriesen, denen es überdurchschnittlich gut geht – bei Homer etwa ein Mann, der eine gute Frau hat (Odyssee 24,192f.). Oder auch Psalm 1: „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen … der ist wie ein Baum gepflanzt an den Wasserbächen … und was er macht gerät wohl.“

Was empfinden wir als Glückseligkeit? Hanns Dieter Hüsch schreibt:

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit,
Gott nahm in seine Hände meine Zeit:
mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
das Elend und die Zärtlichkeit.

 Es gibt Tage, da entsteht das tiefe innere Gefühl einer solchen Balance. Zumindest für den Moment ist alles gut. Solche Situationen sind rar im Leben. Allzu oft rennen wir an diesem Gefühl vorbei; uns fehlt die Zeit, sie wahrzunehmen. Aber wenn sie dann da ist, die große Liebe, der besondere Moment, der Durchbruch, der Erfolg, auf den wir gehofft haben, wenn unser Engagement Früchte bringt, dann scheint es, als stehe die Welt einen Augenblick lang still. Und dann sind wir glücklich. Tiefe Momente im Leben sind das, die wir selten vergessen.

Der Theologe und Philosoph Thomas von Aquin (1225–1274) sagte: (Ultimus finis hominum est beatitudo,)das letzte Ziel des Menschen ist das Glück.“ Jesus sagt: dieses Glück ist greifbar nahe.

Der andere zentrale Begriff in den Seligpreisungen ist das Reich Gottes bzw. das Himmelreich. Die Welt im Licht von Gottes Himmelreich zu sehen, gibt eine neue Perspektive. Es wäre ein tiefes Missverständnis, das als Vertröstung auf ein besseres Jenseits zu sehen. Das Reich Gottes vor Augen zu haben als eine gute Zukunft, die Gott verspricht, gibt die notwendige Widerstandskraft, gegen ungerechte Verhältnisse, Gewalt und Zerstörung mitten in dieser Welt anzutreten. Die Hoffnung auf das Reich Gottes ermutigt, das Reich der Welt in Frage zu stellen. Jesus sagt: es ist nahe. Es ist da.

Das wird deutlich in den einzelnen Seligpreisungen:

„Selig sind die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich.“

Hier sind die Armen im Blick. Aber Armut ist nicht nur materiell zu verstehen. Geistlich arm ist, wer seine eigenen Grenzen schmerzlich wahrnehmen muss. Es geht um Menschen, die in vielfältiger Weise „arm“ sein können: materiell, gesundheitlich, psychisch, schuldbeladen.

Jesus sagt: Ihnen gehört das Reich Gottes. Das ist Verheißung pur: denen, von denen nach menschlichem Ermessen  am allerwenigsten zu erwarten ist, denen wird alles geschenkt: die Fülle des Guten, das, was nicht mehr zu steigern ist: Das Reich Gottes eben. Das ist Gnade.

Aber diese Gnade Gottes bedeutet zugleich auch eine Verpflichtung gegenüber den Armen, Schwachen, Geknickten, dass wir mit ihnen gnädig und verständnisvoll umgehen. Dass wir uns für die Belange der Armen einsetzen.

So ist der zweite Satz eigentlich eine Fortführung dessen, was in der ersten Seligpreisung gesagt ist:

„Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden.“

Das ist Verheißung und Auftrag zugleich.

„Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“

Eine Aussage gegen jede politische Vernunft. Aber es ist auch eine politische Aussage („Erdreich“!). Letztlich kann man sie nur mit der Kreuzestheologie begründen. Jesus hat mit seiner Sanftmut, mit dem Verzicht auf gewaltsame Mittel (Matth. 26,53) den entscheidenden Sieg über die Mächte des Verderbens errungen.

Wir glauben an Gott, der seine Allmacht preisgibt, der als Kind geboren wurde, unter der Folter starb und – ohne Gewalt und ohne Macht – eine Herausforderung für die Mächtigen darstellt. Das ist der Orientierungspunkt für uns. Wir dürfen darauf vertrauen, dass die bescheidenen Mittel von Gebet, von Nächstenliebe, von Opferbereitschaft Positives bewirken und die Verhältnisse verändern können.

„Selig sind die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“

Wenn in der Bibel über Gerechtigkeit geredet wird, so geschieht das anders, als wir das heute oft denken: Gerechtigkeit ist nicht die Verteilung von Gütern nach Maßgabe von Interessen oder sozialen Kriterien, sondern Gerechtigkeit ist ein Verhalten, wie Gott es von den Menschen erwartet; sie ist eine gelingende Beziehung.

Gerechtigkeit in der Bibel ist als Gemeinschaftstreue zu verstehen. Wer sich gerecht verhält, der verhält sich treu zur Gemeinschaft, in der er lebt, und treu zu Gott, der diese Gemeinschaft trägt und sichert. Der Einzelne trägt etwas zu dieser Gemeinschaft bei und die Gemeinschaft verhält sich mit ihm solidarisch, wenn es nötig ist.

Diese Beziehung ist wechselseitig: Niemals kann es gerecht sein, dass der Einzelne sich auf Kosten der Gemeinschaft bereichert, noch kann es gerecht sein, dass die Gemeinschaft den Einzelnen bevormundet oder knechtet. Es geht um Beziehungsgerechtigkeit.

Der Glaube an Gott und die Teilhabe an Gerechtigkeit stehen in einem Zusammenhang. Für Menschen, die an Gott glauben, muss es unerträglich sein, wenn es ungerecht zugeht. Und darum hat der Einsatz für ein gerechtes Zusammenleben der Menschen immer auch mit Gott zu tun. Und er wird, so sagt Jesus, nicht vergeblich sein: „Denn sie sollen satt werden.“

„Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

Und

„Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“

Seinem Gewissen zu folgen bedeutet ein reines Herz zu haben. Barmherzigkeit üben ist genau das, was Jesus vorgelebt hat. Das ist es, was das Leben gelingen lässt, ja mehr noch, was uns mit Gott verbindet. Gott sehen, das ist eigentlich nicht möglich. Aber wo seine Liebe in unserem Herzen und in unserem Handeln Gestalt annimmt, da sind wir Gott vielleicht näher, als wenn wir ihn mit den Augen sehen würden. Das reine Herz ist entscheidend. Man sieht nur mit dem Herzen gut.

Und die Friedensmacher (eirenopoioi) werden Gottes Kinder genannt. Das ist ein klarer Widerspruch gegen jene, die Krieg oder jegliche Form von aggressiver Gewalt mit Gott begründen wollen. Es ist zutiefst bedauerlich, dass gegenwärtig das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche das offenkundig nicht verstanden hat. Gott will Frieden. Aber nicht im Sinne eines Pazifismus, der sich aus allem heraushalten will, sondern im Sinne des Hungerns und Dürstens nach der Gerechtigkeit. Der dem Opfer beisteht und dem Bösen entgegentritt, um die Wehrlosen zu schützen. Denn nur wo es gerecht zugeht, kann von wirklichem Frieden die Rede sein.

„Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, so sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.“

Verfolgung ist eine Erfahrung schon der frühen Christenheit gewesen (1. Petrus 3,14). Und sie ist nach wie vor verbreitet. Christen werden benachteiligt und verfolgt in vielen Ländern.

Dass Menschen verfolgt werden, weil sie sich zum christlichen Glauben bekennen, erscheint uns in Westeuropa kaum vorstellbar. Da gibt es eher Gleichgültigkeit dem christlichen Glauben gegenüber. Aber Christinnen und Christen sind weltweit die am stärksten bedrohte Religionsgruppe! Immer wieder riskieren Menschen ihr Leben, weil sie in der Nachfolge Jesu leben wollen. 

Menschen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, geraten notwendig in Konflikt mit den Herrschenden. Dass ihnen das Himmelreich gehört, das ist keine Vertröstung auf die Zukunft, sondern eine gegenwärtige Erfahrung. Wo sonst bekämen verfolgte engagierte Christen die Kraft, auszuhalten und trotz Benachteiligung und Gewalt an der Liebe Christi festzuhalten?

Das scheint mir das Schwerste zu sein: Trotz der Erfahrung von Unrecht und Aggression nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen, sondern an der Liebe Christi festzuhalten. Das kann man nicht aus sich heraus. Das ist Wirken des Geistes Gottes. Das ist schon ein Stück Himmel mitten in der unerlösten Welt.

Die Seligpreisungen stehen am Anfang der Bergpredigt. Das ist ganz wichtig. Es heißt nicht: „Du sollst ..“ oder „Du musst…“, sondern: „Glückselig seid ihr“.

Evangelium steht am Anfang, die Zusage von Gottes Zuwendung, von Gottes Annahme und Trost. Die Gewissheit: alles wird gut.

So schaffen die Seligpreisungen einen Spielraum zum Leben. Auch die, die enttäuscht sind, die nicht mehr können, die Zweifel haben, sich überfordert fühlen, kaum Erfolg ihres Handelns sehen, bekommen eine Lebensperspektive.

Der Weg in Gottes Reich führt nicht über die Ethik, sondern über das Sich-von-Gott-beschenken-lassen. Daraus aber folgt notwendig ein neues Verhalten, wie es Jesus in der Bergpredigt dann weiter entfaltet.

Amen.

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top