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Sommerpredigt 2023: Salz und Licht

Gottesdienst am 30.07.2023 am 8. Sonntag nach Trinitatis in der Bergkirche

Liturgie und Predigt: Pfarrer Jürgen Seidl

Predigt, Matthäus 5,13 - 16

Public domain, via Wikimedia Commons

In unserer Sommerpredigtreihe zur Bergpredigt, liebe Gemeinde, geht es heute um die Jünger Jesu als Salz der Erde und Licht der Welt. Der entsprechende Abschnitt steht im Evangelium nach Matthäus im 5. Kapitel. Dort sagt Jesus:

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Was wird uns da zugetraut, liebe Gemeinde, was wird uns da zugemutet und zugesprochen? Salz der Erde, Stadt auf dem Berge, Licht der Welt - das sind anspruchsvolle Bilder. Wir haben eine unverkennbare Ausstrahlung, heißt das, wir sind überzeugend, attraktiv und gewinnend. Wir sind wie das Salz in der Suppe, durch uns wird das Leben genießbar. Wir sind wie die Stadt auf dem Berge, nicht zu übersehen, allen Menschen vor Augen. Wir sind wie das Licht auf dem Leuchter, wir vermitteln Erleuchtung und Orientierung. Das hört sich gut an. Das klingt hoffnungsvoll und ermutigend - doch ist da wirklich von uns die Rede? Fühlen wir uns angesprochen durch diese anspruchsvollen Bilder? Beschreiben sie, was uns als Kirche Jesu Christi ausmacht?

Angesichts der Klagen über den gegenwärtigen Zustand der Kirche kann man da Zweifel bekommen. Licht der Welt? Es scheint als gingen in der Kirche heute so nach und nach die Lichter aus: Immer mehr Menschen verlassen sie, Stellen werden abgebaut, Mittel gekürzt, Gebäude aufgegeben. Düstere Aussichten. Sonderlich erhellend ist das nicht. Allenfalls als Schlusslicht scheint die Kirche noch treffend beschrieben. Die Rolle des Scheinwerfers an der Spitze, der den Weg ausleuchtet und zeigt, wo es lang geht, haben längst andere übernommen.

Und Salz der Erde? Für viele hat das Wort Kirche einen faden Beigeschmack. Ist Kirche nicht eher Sand im Getriebe als Salz der Erde? Mischt sie sich nicht allzu oft ein, wo sie nicht gebraucht wird? Will sie nicht immer und überall mitreden, nach dem Motto: Wir als Kirche, wir müssen es besser wissen: Besser wissen wie man Frieden schafft, für soziale Gerechtigkeit sorgt und dabei den Klimawandel bekämpft und die Schöpfung bewahrt. Wenn Kirche auffällt wie die unübersehbare Stadt auf dem Berge, dann doch allzu oft unangenehm, durch Inkompetenz und Besserwisserei. Können wir uns da als Kirche Jesu Christi noch sehen lassen? Oder haben wir unsere Ausstrahlung verloren und unsere Würzkraft eingebüßt?

Damit kommen wir zum unangenehmeren Teil unseres Predigttextes:

„Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.“

Das ist die schroffe Kehrseite der anspruchsvollen Bilder. Eben noch als Salz der Erde angeredet - im gleichen Atemzug bedroht, hin­ausgeworfen zu werden. Hinauswerfen und Zertreten sind Be­zeichnungen des schonungslosen Gerichts. Eine klare Alternative: Entweder er­füllt das Salz seine Aufgabe - oder es wird weggeworfen. Es ist enttäuschend, wenn Salz sich als ausgelaugt und damit als kraftlos erweist. Es ist enttäuschend, wenn Menschen sich Christen nennen, die keine mehr sind. Wenn nur noch der leere Name geblie­ben ist, wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirk­lichkeit unerträglich.

Es bringt natürlich nichts, einfach nur in das allgemeine Gejammer über die schlechten Zeiten einzustimmen und alles mieszumachen. Wir sollten uns aber auch nichts vormachen. Wir sollten die Lage weder schönfärben noch schwarzmalen, sondern uns vielmehr nüchtern die Frage stellen, wer und was wir denn nun wirklich sind als Kirche Jesu Christi.

Salz der Erde, Stadt auf dem Berge, Licht der Welt - diese Rolle kann man sich offensichtlich nicht aussuchen. Und die Christen haben sich diesen Anspruch auch nicht selbst zugelegt. Das wäre eine unverschämte Anmaßung.

Das Dasein als Salz und Licht fängt nicht mit der Bewährung an, sondern mit der nüchternen Einsicht, dass wir Teil des Problems und nicht der Lösung sind. Das Dasein als Salz und Licht fängt damit an, dass Gott uns allererst dazu macht, dass er uns erleuchtet und Kraft gibt für unser Leben und für das anderer Menschen. Am Anfang steht nicht die Anspannung aller unserer Kräfte, sondern der ermutigende Zuspruch: Kein „Ihr sollt sein“, sondern das: „Ihr seid“.

Salz der Erde, Stadt auf dem Berge, Licht der Welt - diese Aufgabe wird uns zugesprochen, von dem Herrn der Kirche, der für die Wahrheit seiner Worte auch einsteht. Wem Gott eine Aufgabe gibt, dem gibt er auch die dazugehörige Begabung.

Und daher bleibt uns im Ernst gar nichts anderes übrig, als uns das von Jesus Christus sagen zu lassen. Wir können die anspruchsvolle Rolle nicht einfach ausschlagen; auch auf die Gefahr hin für unbescheiden zu gelten. Was wir als Christen sind, ist nicht in unser Belieben gestellt. Es ist uns vorgegeben - mit allen Konsequenzen, die das hat. Ihr gehört zur Elite. Ihr seid die Auslese. Vollkommen wie euer Vater im Himmel; mehr geht wirklich nicht. Salz der Erde, Stadt auf dem Berge, Licht der Welt. Das sind wir als christliche Gemeinde. Das ist die uns zugesprochene Identität.

Denkt fortan nicht mehr zu gering von euch, sagt Jesus damit. Es kommt jetzt entscheidend auf euch an. Im Himmel und auf Erden hängt etwas ab von eurem Glauben. In euch lebt eine Wahrheit, an der das Schicksal der gesamten Welt sich entscheiden wird. Versteckt euch daher nicht. Haltet euch nicht aus Angst zurück. Gerade ihr habt der Welt etwas zu sagen, das sie leben lässt.

Denkt aber nicht, dass die Welt nur auf euch gewartet hat sagt Jesus an anderer Stelle in der Bergpredigt. Man wird euch nicht bejubeln. Die Menschen werden euch um meinetwillen schmähen und verfolgen, so wie sie die Propheten vor euch verfolgt haben.

Den ersten Christen ging es nicht besser als den letzten Propheten. Es waren schwierige Zeiten damals. Die Kirchenmitgliedszahlen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung waren im römischen Reich deutlich niedriger als heute in Deutschland. Und Druck von außen gab es nicht nur finanziell, sondern auch durch staatliche Verbote und Verfolgungen. Die Christen waren eine Minderheit, die nichts zu lachen hatte. Trotzdem hat sich der christliche Glaube weiter verbreitet und die Welt verändert. Trotz Verfolgung hatte die christliche Botschaft Erfolg.

Kleine Zahlen sind also noch kein Zeichen für geringe Erfolgsaussichten. Wenig kann viel bewirken – wenn die Qualität stimmt. Wir sollten so gering also nicht denken und reden von den kleinen Zahlen. Wirtschaftlich gesehen mögen sie eine mittlere Katastrophe sein. Theologisch gesehen sind sie nicht ohne Verheißung. Und Verheißungen, sagte einst Martin Luther sehr schön,

"Verheißungen werden nicht darum gegeben, dass wir dabei schnarchen, faulenzen und schlafen; sondern wir sollen dabei arbeiten, wachsam sein und Frucht bringen."

Kleine Anfänge haben mitunter eine große Wirkung. Aus winzigen Senfkörnern werden große Bäume. Ein wenig Sauerteig durchzieht einen ganzen Trog mit Brotteig. Eine Prise Salz verändert deutlich den Geschmack. So ist das, wenn Gott im Leben eines Menschen wirkt, sagt Jesus. Eine kleine Minderheit kann das Ganze ent­schei­dend verändern. Nur wenige Menschen sind bisweilen nötig, damit dieses schwierige Leben für andere Menschen genießbar und hell wird. Eine kleine Randgruppe kann durch eine einleuchtende Lebens­weise viel bewirken. Das ist die Aufgabe der christlichen Gemein­de: inmitten der Welt einen neuen Anfang stiften, Geschmack und Eindeutigkeit mitteilen.

Jesus mutet das Menschen zu, die ursprünglich im Leben zu kurz kamen, die auf der Schattenseite des Lebens standen, innerlich und äußerlich angeknackst, mit sich selbst und mit Gott zerfallen. Jesus ruft die Mühseligen und Beladenen zu sich, die Leidtragenden, die Menschen, die barmherzig und sanftmütig sind, die sich nach Frieden und Gerechtigkeit sehnen. Und gerade diese Menschen spürten in der Nähe Jesu, dass Gott sich um sie kümmert, dass er sie liebt und heilt. Was ihr Leben ausmacht war nicht mehr länger von der Zustimmung oder dem Wohlwollen eines anderen Menschen abhängig; von Gott her konnte nun ihr Leben seinen Sinn und seine Würde bekommen. Diese Befreiung, diesen Durchbruch, diesen Neuanfang des Lebens erfuhren die Menschen durch Jesus Christus. Bei ihm machten sie die Erfahrung, dass Gott spürbare und heilvolle Gegenwart ist.

Und genau das ist es, was es weiterzugeben gilt, wenn man es einmal erfahren hat. Es gab und gibt auf dieser Erde eine Stelle, an welcher jeder Mensch, das Gefühl haben kann, gewollt und geliebt zu sein. Diese Erfahrung einer bedingungslosen und alles heilenden Liebe gilt es mitzuteilen. Die Welt braucht Licht, „mehr Licht“ sogar - wie immer der sterbende Goethe es gemeint haben mag. Und dieses Licht sind wir, die Jünger Jesu, die christliche Kirche.

„Lasst euer Licht leuch­ten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Va­ter im Himmel preisen.“

Nicht aufgrund Gottes eigener Werke, sollen die Menschen Gott loben, sondern aufgrund der guten Werke der Christen. Wir tragen mit die Verantwortung dafür, dass andere den Weg zu Gott finden. Menschen werden nicht durch die Verkün­digung christlicher Prinzipien zu Gott geführt, son­dern durch den Lebensstil der Christen. Wenn ich als junger Mann nicht im Evangelischen Jugendwerk einen gelebten Glauben kennengelernt hätte, der mich angesprochen und überzeugt hat – ich stünde sehr wahrscheinlich heute nicht als Pfarrer auf dieser Kanzel hier. Das Verhalten muss über­zeugen. Nach den Gründen fragt man erst, wenn man auf­merk­sam geworden ist.

„Lasst euer Licht leuch­ten vor den Leuten.“

Wir dürfen als Kirchengemeinde unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wenn wir dem Wort Jesu glauben und darauf vertrauen, dass gerade wir Salz der Erde, Stadt auf dem Berge und Licht der Welt sind, so wie es uns zugesprochen ist, dann haben wir den Menschen um uns herum etwas zu sagen, dann können wir für sie entscheidendes bewirken.

Menschen, die um das Licht herumstehen, können es verdecken und verstellen. Sie können es aber auch auf sich wir­ken lassen und selbst Licht werden. In der Feier der Osternacht tragen wir jedes Jahr die brennende Osterkerze in die dunkle Kirche, ein Symbol für den auferstandenen Christus, das Licht der Welt. Und dann entzünden wir unsere kleinen Osterkerzen an dieser Kerze und geben das Licht weiter. So wie wir es auch heute bei der Taufe von Augustin und Rosa getan haben, indem wir ihre Taufkerzen an der Osterkerze entzündeten; und auch die aller anderen getauften Kinder, die heute hier sind. Und so machen wir deutlich, was es heißt selbst Licht der Welt zu werden. Im Glauben an Jesus Christus werden Menschen erleuchtet und verwandelt: Licht der Welt und Salz der Erde, Stadt auf dem Berge, Kirche Jesu Christi für andere. Amen.

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