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Sommerpredigt 2023: Die Goldene Regel

Gottesdienst am 03.09.2023 am 13. Sonntag nach Trinitatis in der Dreikönigskirche

Liturgie und Predigt: Pfarrer Thomas Sinning

Predigttext, Matthäus 7, 12-20

12 Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten. 13 Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. 14 Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!
15 Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. 16 An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? 17 So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte. 18 Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. 19 Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20 Darum, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Predigt

Lesung: Lukas 10, 25-37

Liebe Gemeinde,

Sie haben es sicher schon einmal gesehen: das kleine Schild in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn, auf dem in vier Sprachen zu lesen ist: „Bitte verlassen Sie den Raum so, wie Sie ihn antreffen möchten.“ Solche Schilder gibt es immer häufiger an öffentlichen Orten, zum Beispiel in Cafés, Schulen, Gemeindehäusern und Firmenräumen. Eine Aufforderung, die einleuchtend ist. Und doch nicht selbstverständlich, sonst wäre sie ja gar nicht nötig.

„Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“

Das ist ein grundlegendes Prinzip von gelingendem Zusammenleben, sagt Jesus. Er bezeichnet diese Regel der Wechselseitigkeit im mitmenschlichen Verhalten als eine Zusammenfassung der Tora, so wie er das Doppelgebot der Liebe als das höchste Gebot zum Maßstab macht.

Jesus ist aber bei weitem nicht der einzige Lehrer, der die Gebote mit diesem Grundprinzip auslegt. Bereits in den Apokryphen des Alten Testamentes, im Buch Tobit (4,16), steht diese Regel, allerdings in negativer Formulierung:

„Was du nicht willst, das man dir tue, das tu einem anderen auch nicht.“

Dieser Satz ist zu einem bekannten Sprichwort geworden.

Die Goldene Regel (die seit dem 16. Jh. so genannt wird), wird in vielen Religionen und Kulturkreise so oder ähnlich erwähnt, ob von Rabbi Hillel in der jüdischen Tradition, ob in China, Indien, Persien, dem alten Ägypten oder bei den griechischen Philosophen. Die Goldene Regel als ethisches Grundprinzip verbindet also die verschiedenen Religionen miteinander. Darum könnte sie auch ein wertvoller Anknüpfungspunkt im interreligiösen Dialog sein, wie etwa Hans Küng in seinem Projekt Weltethos es beschreibt.

Die Erkenntnis, dass man sich in die Perspektive des anderen versetzen soll, wenn man sich ethisch richtig verhalten will, und dass Eigeninteresse und Altruismus sich nicht ausschließen, sondern bedingen, ist also nicht neu.

Darum ist es umso wichtiger, dass wir die Worte Jesu genauer und zusammen mit den folgenden Worten in den Blick nehmen.

Jesus formuliert die Goldene Regel anders als das Buch Tobit und das bekannte Sprichwort positiv:

„Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“

Es reicht nicht, nur das Böse zu vermeiden. Es wäre auch zu wenig, den drohenden moralischen Zeigefinger zu erheben und nur zu sagen, was man nicht tun soll. Nein. Das wäre dann wohl eher der Job der „falschen Propheten“, die sich moralisch wichtig machen, aber wenn es drauf ankommt, das Entscheidende schuldig bleiben.

Es geht nicht nur um das Lassen, es geht vor allem um das richtige Tun! Die Goldene Regel fordert mich auf, die Initiative zu ergreifen, den ersten Schritt zu tun, mit gutem Beispiel voranzugehen – statt abzuwarten, was die Anderen mir tun, so dass ich mich gegebenenfalls revanchieren kann.

Es wäre ein Irrtum, wenn man sich auf den Satz zurückziehen wollte: „Wer nichts macht, macht auch nichts falsch.“ Nein. Wer nichts macht, der kann ganz schön viel falsch machen. Das erläutert Jesus eindrücklich mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Nur jener, der dem Verletzen aktiv hilft, hat es richtig gemacht.

Deshalb sagt Jesus:

„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

Das ist eine Aufforderung, sich nicht auf richtige Prinzipien zurück zu ziehen, sondern Verantwortung zu übernehmen. Jesus plädiert nicht für eine Gesinnungs- sondern für eine Verantwortungsethik.

Das ist eine wichtige Unterscheidung, die gerade aktuell auch in der Debatte um den Pazifismus und das Engagement für die Opfer von Gewalt wichtig ist. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Nur das, was einer für andere tut, kann eine gute Frucht sein. Und dabei geht es oft nicht ohne das Risiko, auch Fehler zu machen und Schuld auf sich zu laden. Aber das ist allemal besser, als sich aus allem herauszuhalten, um sich gar nicht erst mit den Komplikationen der jeweiligen Situation zu belasten.

Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, obwohl er helfen könnte, der hat auf jeden Fall schon einen Fehler gemacht. So wie der Priester und der Levit in dem Gleichnis.

"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen."

Etwas Anderes ist bei der Goldenen Regel auch wichtig. Denn indem sie beides in den Blick nimmt, das Eigeninteresse und das Handeln für andere, behält sie das menschliche Maß im Blick, das uns vor Überforderung bewahrt.

Denn im menschlichen Miteinander benötigen wir ja beides: die Einfühlung in den Anderen mit seinen jeweiligen Nöten und Bedürfnissen, und die Selbstliebe. Genau darum lautet ja das Gebot (3. Mose 19,18b):

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Es ist nicht gut, sich für einen anderen oder für ein höheres Ziel völlig aufzuopfern. Das kann für eine begrenzte Zeit sinnvoll sein. Doch auf Dauer wäre es selbstzerstörerisch.

Die Nächstenliebe hat also zwei Seiten: die Liebe zum Nächsten und zu mir selber. Denn jedes Leben ist schützenswert, das des anderen genauso wie mein eigenes.

Mit der Goldenen Regel werden wir Menschen darauf verwiesen, dass das Leben nur gelingen kann, wenn unser Denken und Handeln auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn wir uns in den jeweils anderen hineinversetzen, wenn wir uns öffnen für einen Perspektivwechsel, der bereit ist, vom anderen her die Dinge zu betrachten. Wenn wir immer im Blick behalten, dass wir unser menschliches Maß nur als soziale Wesen, als die Gott uns geschaffen hat, begreifen.

Besonders deutlich wird das, wenn Schuld zwischen Menschen steht. Die Goldene Regel lädt nämlich auch ein zum gegenseitigen Verzeihen. Das tut beiden Seiten gut, denn wer verzeiht, entlastet nicht nur den Anderen, sondern auch sich selbst.

Wer als Opfer in der Haltung der Anklage erstarrt und immer nur den Tätern die Schuld gibt, der gibt ihnen auch Macht über sich, über seine Vergangenheit und seine Zukunft. Desmond Tutu hat als Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika eines gelernt:

„Zu vergeben ist tatsächlich die beste Form des Eigennutzes“

sagte er (in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung 2004 mit dem Dalai Lama in Vancouver, zit. Die Weisheit des Verzeihens S. 72).

So einleuchtend die Goldene Regel ist, so wenig selbstverständlich ist es aber, konsequent nach ihr zu leben. Es mag eine Mehrheit geben, die dieser Regel zustimmt. Doch es ist keineswegs die Mehrheit, die auch tatsächlich nach ihr handelt. Jesus macht sich hier keine Illusionen, wie das Bild von dem schmalen und dem breiten Weg veranschaulicht. Es scheint so, als sei dieses Bild auch ein Abbild unserer gegenwärtigen Welt. Nehmen wir das Beispiel des Klimawandels. Viele wissen, dass wir unser Handeln ändern müssen. Aber nur wenige tun es wirklich.

Darum sollten wir bereit sein, nicht immerzu auf das zu schauen, was andere tun, und dabei vielleicht denken: „Was kann ich schon tun?“, sondern wir sollten auf das schauen, was wir selber tun können.

Vor allem aber sollten wir schauen auf das, was Jesus uns vorgelebt hat. Wir können tatsächlich den guten Weg gehen, den Weg mit Gott, auf dem das Vertrauen auf Gottes Liebe die Richtung weist. Wir können diesen Weg gehen, auch wenn er schmal und vielleicht sogar manchmal einsam ist, wir können ihn gehen, weil Jesus ihn gegangen ist. Es ist der Weg zum Leben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

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