Geschichte der Dreikönigsgemeinde in der NS-Zeit
Überblick von Carsten Schwöbel
Die evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde war die erste große Frankfurter Kirchengemeinde, die sich der Bekennenden Kirche anschloss. Schon davor war die Entwicklung der Bekennenden Kirche Frankfurt eng mit Dreikönig verbunden gewesen. Bereits bei den unter massiver politischer Beeinflussung stattfindenden Kirchenwahlen im Juli 1933 konnten Pfarrer Martin Schmidt und der damalige Vorsitzende des Kirchenvorstands, Carl Klose, einen Kirchenvorstand bilden, dem weder NSDAP-Mitglieder noch Anhänger der „Deutschen Christen“ angehörten. Ende November 1933 schlossen sich mehrere Frankfurter Pfarrer, vermutlich alles Mitglieder des Pfarrernotbundes, zur „Frankfurter Evangelischen Bekenntnisfront“ zusammen. Darunter war auch Martin Schmidt von der Dreikönigsgemeinde.
Im Frühjahr 1934 öffnete sich diese „Bekenntnisfront“, später Bekenntnisgemeinschaft genannt, auch Gemeindegliedern und es bildete sich ein Frankfurter Bruderrat. Ihm gehörten Martin Schmidt und Kirchenvorsteher Carl Klose an.
Ebenfalls im Frühjahr 1934 konnte die zweite Pfarrstelle der Dreikönigsgemeinde mit Friedrich Georgi neu besetzt werden. Nach wenigen Monaten wurde Pfarrer Georgi jedoch von Landesbischof Dietrich nach Florstadt/Wetterau strafversetzt, da er ihn für einen „Hauptschreier“ des Pfarrernotbundes hielt. Gegen diese Zwangsmaßnahme protestierte nicht nur der Kirchenvorstand, sondern auch die „Bekenntnisgemeinschaft Sachsenhausen“, die aus Gemeindegliedern der beiden damaligen Sachsenhäuser Kirchengemeinden (Dreikönig + Lukas) bestand. Georgis Nachfolger wurde im Herbst 1934 Fritz Creter.
Die Verkündigung des kirchlichen Notrechts angesichts der verworrenen kirchlichen Lage durch die 2. Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem Ende Oktober 1934 war auch für die beiden Pfarrer und den Kirchenvorstand der Dreikönigsgemeinde der Anlass, sich der Bekennenden Kirche anzuschließen. Am 1. November 1934 unterstellte sich der Kirchenvorstand dem Reichsbruderrat der Bekennenden Kirche und erkannte diesen somit als legitime geistliche Leitung der Kirche an. Am darauffolgenden Reformationssonntag wurde dieser Beschluss im Gottesdienst in der vollbesetzten Dreikönigskirche feierlich verkündet und von der Gottesdienstgemeinde bestätigt. Fritz Creter schrieb dazu in den “Mitteilungen der Dreikönigsgemeinde“ vom Januar 1935:
„Nach Jahren der Unruhe und lebenstötenden Hin und Her stand plötzlich eine in ihrer verantwortlichen Körperschaft geschlossene Dreikönigsgemeinde da!“
Aufgrund ihrer Größe war die Dreikönigskirche neben Paulskirche, Hippodrom und dem Ev. Vereinshaus Westend ein wichtiger Veranstaltungsort für die oft überfüllten Kundgebungen der Bekennenden Kirche. Enge Kontakte gab es zwischen Dreikönig und dem bekennenden Teil der St. Paulsgemeinde unter Führung von Pfarrer Karl Veidt, der in dieser Zeit die zentrale Figur des Frankfurter Kirchenkampfes war.
Im Frühjahr 1935 wurde dann auch Pfarrer Creter vom Landesbischof strafversetzt, da Dietrich den Beitritt Creters zur Bekennenden Kirche als „Undankbarkeit“ gegenüber seiner Person betrachtete. Da der Kirchenvorstand von Fritz Creter erwartete, in der Dreikönigsgemeinde im Amt zu bleiben, fügte dieser sich nicht der Versetzung nach Ober-Lais/Oberhessen und bekam daraufhin das Gehalt gesperrt. Für neun Monate war Pfarrer Creter, wie er selber sagte, zwar ohne Gehalt, aber nicht ohne Einkommen, das vom Pfarrernotbund und Spendengeldern der Bekennenden Kirche aufgebracht wurde. Nach der Entmachtung des Landesbischofs durch den Reichskirchenminister Kerrl wurden sämtliche kirchenpolitischen Strafmaßnahmen im Dezember 1935 aufgehoben. Friedrich Georgi kehrte daraufhin nach Frankfurt zurück und wurde Pfarrer der benachbarten Lukasgemeinde.
Martin Schmidt gehörte dagegen zu denjenigen Bekenntnispfarrern, die mehr oder weniger unbehelligt blieben. Aber auch er gehörte zu der „in Sturm und Not gewachsenen Glaubens-, Kampf- und Leidensgemeinschaft“ Frankfurter Pfarrer, wie Karl Veidt in seinen Lebenserinnerungen später schreiben sollte. Wie dieser distanzierte sich auch Martin Schmidt im Laufe des Jahres 1936 zunehmend von dem umstrittenen Kurs der, staatlich nicht akzeptierten, Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche und dem Landesbruderrat Nassau-Hessen.
Durch den Beitritt des Kirchenvorstands zur Bekennenden Kirche und die Einmütigkeit der beiden Geistlichen – auch die Pfarrer der zwischen 1934 und 1936 zeitweise besetzten Hilfspfarrstelle standen auf Seiten der Bekennenden Kirche – war in der Gemeinde ein Freiraum von der sonst allgegenwärtigen NS-Ideologie entstanden. Dies bestärkte bei vielen Menschen vermutlich die Distanz zum 3. Reich oder regte vielleicht erst zum Nachdenken an. Inwieweit dieser geistige Freiraum dann innerhalb der Dreikönigsgemeinde und auch bei den Pfarrern zu Formen passiven Widerstands führte, ist nur schwer zu beantworten. Über das Verhalten von Martin Schmidt während des Nationalsozialismus schrieb sein Kollege Fritz Creter rückblickend im Jahre 1956:
„Ein Hauptanliegen in jener bösen Zeit war für ihn die Seelsorge um die an Leib und Leben gefährdeten Mitbürger, die aus politischen oder andern Gründen in ständiger Angst schwebten. Wie viele, die den berüchtigten Ariernachweis nicht erbringen konnten, fanden im Pfarrhaus Schmidt Hilfe und geistlichen Beistand!“
Was tatsächlich an konkreter Hilfe für politisch und rassisch Verfolgte geleistet wurde, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Ein Hilfeversuch aus dem Jahre 1933 ist allerdings bekannt: Als Dreikönigspfarrer war Martin Schmidt auch für die Seelsorge im Privatkrankenhaus Sachsenhausen zuständig, wo er Max Flesch-Thebesius (1889 – 1983) kennenlernte. Da der evangelisch getaufte Dr. Flesch-Thebesius im Sinne der Nazis als „Halbjude“ galt, sollte er nach der Machtergreifung seinen Posten als leitender Chirurg räumen. Als einziger setzte sich Martin Schmidt zweimal für dessen Verbleib an, allerdings ohne Erfolg!
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