Festgottesdienst zu 25 Jahren neue Dreikönigsgemeinde aus der Dreikönigskirche
Predigt gehalten von Pfarrerin Silke Alves-Christe zum 1. Sonntag nach dem Christfest am 02.01.2022 aus der Dreikönigskirche.
"Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück"
Liebe Gemeinde!
Als ich vor gut 10 Jahren als neue Pfarrerin in die Dreikönigsgemeinde kam, da verlief die erste Vorstellungsrunde im Montagnachmittagsangebot so:
Ich bin Frau NN aus der Berggemeinde; meine Frau und ich gehören zu Süd und heißen NN; ich bin Herr NN aus der alten Dreikönigsgemeinde.
Das ging noch ziemlich lange so, dass die Gemeindemitglieder, mit denen ich bekannt wurde, neben ihrem Namen immer auch die ursprüngliche Gemeinde nannten, zu der sie bis zur Fusion 1997 gehört hatten; dabei war die Fusion damals doch auch schon 15 Jahre her.
Dass noch Jahre/Jahrzehnte später die Zugehörigkeit zur alten Gemeinde so wichtig ist, ist ja eigentlich ein schönes Zeichen für die enge Verbindung zur Gemeinde, mit all dem, was in dieser und jener Gemeinde typisch und kennzeichnend ist. Kirchengemeinden sind in meinen Augen wie Persönlichkeiten mit je besonderen Begabungen und Gewohnheiten und Eigenheiten, geprägt von der Lebenssituation ihrer Mitglieder, auch von den vorhandenen Gebäuden, aber vor allem von dem, was die ehrenamtlichen und die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und unter ihnen nicht zuerst, aber auch nicht zuletzt die Pfarrer in die Gemeinde einbringen. Wenn dann die drei unterschiedlichen Persönlichkeiten der drei unterschiedlichen Gemeinden zusammentreffen, verstehe ich gut, dass jede Gemeinde das eigene, je besondere, liebgewordene, nicht aufgeben will, und dass es schmerzhaft ist, wenn nicht alles ans Herz gewachsene eins zu eins bestehen bleiben kann.
Dass es nicht so einfach war mit der Fusion, wurde mir natürlich auch erzählt; und ich bin Bianca Mubiiki-Hörig, Tom Leichum und Erika Dauth dankbar, dass sie das in ihren erhellenden Gemeindeblickartikeln auch nicht verschwiegen haben. Erika Dauth hatte dazu einen Satz zitiert, der lautet:
„Die Kirche ist eine wandernde Pilgergemeinschaft auf dem Weg, der auch durch finstere Täler führen kann.“
Dieses Zitat führt uns ja direkt zu dem 23. Psalm mit dem Satz:
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Ja, nicht wenige haben die teils heftigen Diskussionen vor der Fusion und die nötigen Entscheidungsprozesse als eine Wanderung im finsteren Tal empfunden, als eine Wanderung mit zahlreichen Klippen, Tücken und Stolpersteinen, in der Enge und Bedrängnis einer schmalen Schlucht, wo der Ausblick fehlt, wie es genau weitergehen soll und wo jeder Schritt, jede Sitzung, jede Gemeindeversammlung einfach nur mühsam war.
Aber nun ist die Rede vom finsteren Tal ja nur ein Vers in dem vertrauensvollen Gebet von Psalm 23. Der Psalm ist eigentlich das Gebet eines einzelnen, nicht einer Gemeinde. Aber dieser einzelne Beter hat das Bild von Gott als einem Hirten, das sonst in der Bibel immer auf die Gemeinde, das Volk, eben auf die Gemeinschaft einer Herde bezogen ist, auf sein persönliches Leben übertragen. Darum halte ich es für angemessen, diesen Psalm, dieses Bild von Gott als gutem Hirten nicht nur auf uns als Einzelne, sondern auch auf uns als Gemeinde zu beziehen.
Ja, die Dreikönigsgemeinde ist durch ein finsteres Tal gegangen, aber das wurde für sie nicht zu einem Unglück. Gott, unser guter Hirte, ist mitgegangen, hat getröstet, bewahrt, beschenkt.
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Ja, Mangel leiden wird nicht: reich, reich beschenkt ist unsere Gemeinde: auch die Leute vom Berg oder aus Süd haben längst die historische Dreikönigskirche mit ihrer wunderbaren Akustik für Kirchenmusik, aber auch für Projekte der Stadtkirchenarbeit oder für Thomasmessen entdeckt. Und manch einer aus dem Dreikönigsbezirk fährt gern mit dem 48er zur Haltestelle „Bergkirche“, weil das Persönlichere der etwas kleineren Kirche mit der ausgezeichneten Sprechakustik und den hellen, klaren Formen eben auch seinen Reiz hat. Mangel haben wir auch nicht an Gemeinderäumen: die 6 Räume des Gemeindezentrums, passend für jede Gruppengröße, einer schöner und heller als der andere.
Ach, wenn wir doch bald wieder ein großes Fest in dem schönen Gemeindessaal mit der beeindruckenden Küche feiern könnten!
Aber wie konnte ich mit den Gebäuden beginnen, viel wertvoller ist, dass wir in der Dreikönigsgemeinde keinen Mangel haben an überaus engagierten, vielfältig begabten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Eigentlich seltsam, dass der Psalm 23 auf einen einzelnen Beter ausgerichtet formuliert:
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Ein Hirte weidet doch kein einzelnes Schaf für sich allein. Wenn das Bild vom Hirten mit Gottes Handeln an uns verbunden wird, dann werden wir doch nicht einzeln geweidet und zum Wasser geführt, sondern als Herde, in Gemeinschaft, als Gemeinde: Gemeinde zwischen dem Wasser des Mains, wo wir direkt am frischen Wasser Tauffeste feiern und den grünen Gärten Richtung Stadtwald, wo die Kinderkirche coronakonform in einem wunderschönen Garten und in einen Park pilgernd im Sommer Gottesdienst feiern konnte, wie auch am Heiligen Abend auf dem großen, grünen Lolli-Spielpark.
Aber das allerwichtigste: zwischen Main und Stadtwald wohnen zahlreiche Menschen, die sich mit ihrer Zeit und ihrer Begabung zum Wohl aller in der Gemeinde einbringen.
Mit dem Weiden und dem Führen zum frischen Wasser will ich auch die Fürsorge für die Kleinsten in unseren drei Kindergärten in Verbindung bringen, wo Kinder in einem christlich geprägten Geist das erleben dürfen, was ihnen guttut, was für sie so wertvoll und wohltuend ist wie grüne Auen und frisches Wasser.
Mein liebster Psalmvers ist der folgende:
Er erquicket meine Seele.
So ein wunderschönes Wort: erquicken. Mir kommt es so vor wie eine Sprachschöpfung Martin Luthers. Den Psalm 23 kann ich sowieso nur in Luthers Übersetzung beten, in keiner anderen Übersetzung wird dieses Psalmgebet für mich so lebendig, so quicklebendig.
Erquickung meiner Seele schenken mir all die kirchenmusikalischen Erlebnisse der Dreikönigsgemeinde, für die ich sehr dankbar bin.
Quicklebendig machen mich aber auch die Begegnungen in den Gemeindegruppen unserer Gemeinde, in den Teams, die gemeinsam voller guter Ideen etwas planen.
Ich kann nicht anders, aber zum Thema Erquickung muss ich noch Pfarrer Martin Vorländer nennen, der der Dreikönigsgemeinde Erquickung pur geschenkt hat mit seiner Fröhlichkeit und Wärme, die weiterwirkt.
In den 25 Jahren seit der Fusion bis heute durfte die Dreikönigsgemeinde erfahren, was im folgenden Psalmvers ausgesprochen ist:
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Dass Gott unsere Gemeinde auf rechter Straße, auf dem richtigen Weg geführt hat, darf uns mit großer Dankbarkeit erfüllen. Ich verbinde mit der rechten, der richtigen Straße die Bewahrung vor Irrwegen und möchte hier als eine bleibende Verpflichtung, in der wir als Dreikönigsgemeinde stehen, an die einmütige Entscheidung des Kirchenvorstands vom 1. November 1934 erinnern, zusammen mit Pfarrer Martin Schmidt und Pfarrer Fritz Creter der bekennenden Kirche beizutreten. Zu diesem Psalmvers habe ich ausnahmsweise eine Übersetzung gefunden, die der Martin Luthers in nichts nachsteht, nämlich die Martin Bubers:
„Er leitet mich in wahrhaftigen Gleisen um seines Namens willen.“
Ja, dass Gott uns als Gemeinde in wahrhaftigen Gleisen leitet, das versuchen wir gemeinsam als drei Pfarrkollegen ganz ernst zu nehmen in einer klaren, rechten, wahrhaftigen Orientierung an der Bibel – und darin fühlte ich mich auch von Anfang an mit meinem langjährigen Vorgänger Phil Schmidt verbunden, der so viel Segen in dieser Gemeinde weitergegeben hat.
Wenn manch andere Frankfurter die Dreikönigsgemeinde vielleicht als eher konservative, traditionelle Gemeinde einordnen mögen, dann soll es mir recht sein; wir als Pfarrkollegen bemühen uns redlich, schriftbezogen zu predigen und nicht an der Bibel vorbei.
Und mein Wunsch an Sie als Gemeinde ist, um Gottes willen, um seines Namens willen, dafür Sorge zu tragen, dass in den nächsten 25 Jahren und auch weiterhin Gott und seinem Wort der Vorrang bewahrt bleibt vor irgendwelchen eigenen, im eigenen Namen gesprochenen Ideen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Zu dem Wandern im finstern Tal habe ich – im Blick auf die Fusionsphase – schon einiges gesagt und möchte hier noch etwas zum Thema Seelsorge ergänzen, zur Sorge um Menschen, die persönlich durch ein finsteres Tal gehen müssen.
Viele Gemeinden, die fusionierten, haben dann z.B. Beerdigungen nicht mehr nach Bezirken, sondern nach Wochentagen eingeteilt. Das ist natürlich einfacher für die Wochenplanung eines Pfarrers zu wissen: ich bin in der Regel dienstags mit Beerdigungen dran oder eben donnerstags oder freitags und kann an den übrigen Tagen verlässlicher andere Termine planen. Aber uns ist sehr wichtig, dass wir uns nicht einfach als Pool von drei Pfarrern verstehen, sondern als jeweils verantwortlicher erster Ansprechpartner für einen bestimmten Seelsorgebezirk, in dem Kontakte wachsen können und mit ihnen Vertrauen.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
In diesem Psalmvers wechselt das Bild. Gott ist nicht mehr als aufmerksamer Hirte von Schafen, sondern als gütiger Gastgeber vorgestellt, der einem von Feinden Verfolgten demonstrativ den Tisch deckt, ihm, dem Gast, das Haupt mit Öl salbt und ihm den Becher voll einschenkt.
Auch wenn der ursprüngliche Psalmbeter dies sicher nicht im Blick hatte, erlaube ich mir mit unserer christlichen Perspektive in dem Tisch einen Anklang an den Abendmahlstisch zu sehen, um den herum zu versammeln wir auch heute – natürlich in größter Vorsicht im Angesicht eines feindlichen Virus – eingeladen sind.
Diese Wegzehrung – eingeladen von Jesus Christus – ist für uns als Dreikönigsgemeinde sehr wichtig als Kraftquelle auf dem Weg durch die Zeiten.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Durch die frühe Fusion unserer Gemeinde ist ein guter, stabiler Grundstein gelegt für die Zukunft unserer Gemeinde, die von dem starken Mitgliederschwund aber nicht ausgenommen ist. Hatte zur Zeit der Fusion jeder der drei Bezirke noch deutlich über 2000 Mitglieder 2200 bis 2400, so sind es heute nur noch gut 1600 in jedem der drei Bezirke, zusammen knapp 5000 mit weiteren 500 zugepfarrten Gemeindemitgliedern.
Natürlich spielen Zahlen eine Rolle, aber dass die Kirchenleitung als Heilmittel die Auflösung der Ortsgemeinden in noch größere Einheiten sieht, halte ich für die falsche Entscheidung auf der Wanderung der Kirche durch weitere finstere Täler, die kommen werden.
Gerade in der Gemeinde vor Ort, in ihrem Miteinander und in ihrem Gottvertrauen sehe ich eine Kraftquelle, die die Kirchenoberen nicht unterschätzen dürfen.
Ich bin sehr dankbar, in einer starken, verlässlichen Gemeinde zu leben, die auch dann, wenn wir Christen eine Minderheit im Stadtteil geworden sind, in dem gemeinsamen Vertrauen auf Gott als unserem guten Hirten die Quelle ihrer Kraft sieht und mit einem Wort Martin Luthers getrost in die Zukunft gehen kann:
Wir sind es doch nicht,
die da könnten die Kirche erhalten,
unsre Vorfahren sind es auch nicht gewesen,
unsre Nachkommen werdens auch nicht sein,
sondern der ists gewesen,
ists noch,
wirds sein,
der da spricht:
„Ich bin bei euch bis zur Welt Ende.“
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