Konfirmationsgottesdienst zum Sonntag Exaudi am 29.05.2022 aus der Dreikönigskirche
Liturgie und Predigt: Pfarrerin Silke Alves-Christe
„Du gibst meinen Schritten weiten Raum, dass meine Knöchel nicht wanken.“
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!
Liebe Eltern, Großeltern, Geschwister und Paten, liebe Verwandte und Freunde!
Liebe Konfirmationsgemeinde!
Wie mag es Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wohl ergangen seid, als Ihr eben bei der festlichen Orgelmusik in die Kirche eingezogen seid? Waren das mutige, feste Schritte in der Vorfreude auf diesen Tag, in der Freude an der besonders schicken Kleidung, die Ihr Euch für heute ausgesucht habt, oder wäre der eine oder die andere lieber im Erdboden versunken, statt heute im Mittelpunkt zu stehen? Über die Schritte, die Ihr heute und von heute an geht, wollen wir gemeinsam nachdenken. Denn da hat sich einiges verändert mit Eurem Älterwerden, und wird sich noch verändern. Eure Eltern und Großeltern machen sich da gewiss auch so ihre Gedanken. Als sie vorhin in den Bankreihen aufstanden, um Euch beim feierlichen Einzug in die Kirche zu begrüßen, da stellten sich wohl so manche Erinnerungen ein:
An Eure Taufe, bei den meisten von Euch vor etwa 12 oder 13 Jahren: Da haben Euch Eltern und Paten in die Kirche getragen.
An Eure Einschulung vor etwa 7 Jahren: Beim Gottesdienst am ersten Schultag gingt Ihr vermutlich noch an der Hand der Eltern diese ersten unvertrauten Wege.
Und heute seid Ihr nun selbständig in einer Gruppe Jugendlicher, mit Freundinnen und Freunden in diese Kirche gegangen.
Beim feierlichen Einzug bildet sich eine Grundaufgabe für die Eltern ab: Sie lautet: Aus einiger Entfernung zusehen und annehmen können, wie die eigenen Kinder ihren Weg gehen. Da mischen sich Stolz und Freude über dieses Kind sicher auch mit ein bisschen Trauer über die größer werdende Entfernung. Da entsteht eine Ahnung: Unsere Kinder sind keine Kinder mehr. Diese jungen Menschen werden nicht mehr nur zu uns Eltern gehören. Andere Menschen werden Bedeutung gewinnen in ihrem Leben, werden richtungsweisend, prägend, bestimmend.
Irgendwann werden sie vielleicht an der Hand eines andern, einer andern feierlich in die
Kirche einziehen.
Ihr merkt: Schon Eure Schritte heute hier hinein in die Kirche sind Anlass zu manchen erwägenswerten Gedanken. Und vielleicht ist Euch auch aufgefallen: Dem Kirchenvorstand unserer Gemeinde war es ganz wichtig, mit Euch Konfirmanden in die Kirche einzuziehen und Eure Schritte in die Kirche zu begleiten. Sie möchten Euch damit zeigen: Wir sind gemeinsam mit Euch auf dem Weg. Wir möchten Euch nicht verlieren. Wir möchten vielmehr gemeinsam mit Euch Kirche und Gemeinde gestalten.
Über die Schritte, die Ihr geht, über den Boden unter Euren Füßen möchte ich Euch heute ein Bibelwort mitgeben, das ich im Psalm 18, Vers 37 fand. Da dankt der Psalmbeter Gott mit den Worten:
„Du gibst meinen Schritten weiten Raum, dass meine Knöchel nicht wanken.“
Mit der Konfirmation geht Ihr einen großen Schritt auf das Erwachsenwerden zu. In der Kirche werdet Ihr von nun an als mündig angesehen, als Menschen, die selbständig über ihren Glauben entscheiden können. Dieses Bibelwort kann Euch helfen zu entdecken, was sich nun für Euch eröffnet.
„Du gibst meinen Schritten weiten Raum, dass meine Knöchel nicht wanken.“
Der Psalmbeter freut sich über den weiten Raum, über die vielen Möglichkeiten, die offen vor ihm liegen und vor Euch, aber er verschweigt auch nicht die Gefahr, ins Wanken zu geraten, er blendet die Unsicherheiten nicht aus, die auch Eure weiten Schritte bremsen und gefährden können.
Ja, Unsicherheiten und Unwägbarkeiten haben Eure Konfirmandenzeit ja durchaus begleitet. Der weite Raum, von dem der Psalm spricht, war zeitweise ganz schön eingeengt: die Pandemie hat Euch viel abverlangt an Geduld und Einschränkungen. Mich hat sehr beeindruckt, wie Ihr Euch nicht habt unterkriegen lassen, wieviel Mut und Hoffnung und Fröhlichkeit Ihr in Eurem Miteinander ausgestrahlt habt. Und als ob die Pandemiekrise noch nicht hart genug wäre, musstet Ihr im letzten Sommer auch noch mitansehen, wie die Klimakrise unübersehbar auch Deutschland erreicht hat und heftige, tödliche Verwüstungen z.B. im Ahrtal angerichtet hat. Und nun feiern wir heute Eure Konfirmation, während in Europa schon fast 100 Tage lang ein brutaler, menschenverachtender Angriffskrieg geführt wird, dessen Ausgang noch völlig offen ist und dessen Auswirkungen auf unser Leben auch noch nicht absehbar sind.
Für ein Konfirmandenjahr sind das erstaunlich viele, sehr einschneidende Herausforderungen, ja Krisen. Weil eine Krise die andere jagt, und das Wort Krise in aller Munde ist, möchte ich zu diesem Begriff ein paar Gedanken mit Euch teilen: Krise bedeutet nicht Weltuntergang. Das Wort Krise, vom griechischen Krísis, bedeutet: Entscheidung, auch: die entscheidende Phase einer Entwicklung.
Mir hilft es sehr, mir das klarzumachen, dass eine Krise nicht etwas ist, was mich einfach überfällt und dem ich völlig hilflos ausgeliefert bin. Das heißt: wenn sich um mich herum eine Krise anbahnt, muss ich noch lange nicht „die Krise kriegen“, wie man so salopp sagt.
Natürlich gibt es in den Krisen, die mit Eurer Konfirmandenzeit zusammenfallen, auch vieles, auf das wir mit unseren persönlichen Entscheidungen keinen Einfluss nehmen können. Trotzdem macht es für mich ein Unterschied, ob ich mich von einer Krise hilflos herunterziehen lasse oder ob ich bei einer Krise kritisch frage: Vor welche Entscheidung stellt mich diese Krise?
Der Psalmvers
„Du gibst meinen Schritten weiten Raum, dass meine Knöchel nicht wanken“
öffnet unsere Augen für den weiten Raum, wo unsere Entscheidungen einen Unterschied machen, wo es nicht egal ist, für welche Schritte ich mich entscheide:
Ob mir nur meine eigene Freiheit und Bequemlichkeit wichtig sind oder ob ich für den Schutz anderer bereit bin zu vorsichtigem und rücksichtsvollem Verhalten.
Ob ich bereit bin, für die Bewahrung der guten Schöpfung Gottes auf Gewohnheiten und Annehmlichkeiten zu verzichten, die dieser Erde und ihrem Klima nicht guttun.
Ob ich bereit bin, in meinem Umfeld, in meinem Verhalten anderen Menschen gegenüber, sowohl live wie auch in sozialen Medien alles zu tun, was dem Frieden dient.
Krise heißt Entscheidung: Manches, was in mir steckt, wäre ohne diese oder jene Krise mit ihren Herausforderungen vielleicht gar nicht zum Vorschein gekommen.
Krise heißt Entscheidung: Ihr seid heute in die Kirche gekommen, um eine Entscheidung kundzutun, nämlich die Entscheidung, Euer Leben im Vertrauen auf Gott zu führen und zur Gemeinde Jesu Christi zu gehören. Eine bessere Entscheidung kann man in Krisenzeiten gar nicht treffen.
Es ist die Entscheidung, mich mit dem zu verbinden, zu verbünden, der „meinen Schritten weiten Raum gibt, dass meine Knöchel nicht wanken.“
So wie ‚firm‘ fest heißt, so bedeutet Konfirmation: Befestigung, Bestärkung, Bekräftigung. Genau dies schenkt Euch Gott, in dem er Euch seinen Segen zuspricht.
Im Mittelpunkt dieses Konfirmationsgottesdienstes steht der persönliche Segen Gottes, der jedem und jeder einzelnen unter Handauflegung zugesprochen wird. Weil bei unserer Probe das Knien besonders aufregend und auch amüsant für Euch war, möchte ich darüber noch ein paar Worte verlieren. Wenn Ihr gleich vor dem Altar kniet, um Gottes Segen zu empfangen, dann soll ganz deutlich sein, dass Ihr da nicht vor uns Pfarrern niederkniet. Ihr sollt überhaupt nicht vor Menschen niederknien!
Das Knien ist ein Zeichen dafür, dass Ihr etwas von Gott erwartet, dass Ihr ihn als den achtet und ehrt, der Euch geschaffen hat und Euch so gewollt hat. Dabei geht es ganz gewiss nicht um Unterwürfigkeit, sondern um die angemessene Haltung von Geschöpfen ihrem Schöpfer gegenüber. Gott hat uns als freie Menschen in einem weiten Raum geschaffen, und wenn wir Jesus Christus als unseren Herrn bekennen, dann ist das eine Absage an die Herren dieser Welt, die über andere Menschen herrschen und sie einengen wollen. Als Geschöpfe Gottes stehen wir alle auf der gleichen Stufe, und nicht nur das: wir sind nach Gottes Bild geschaffen.
Kein Mensch darf einen anderen Menschen in die Knie zwingen! Aber das Knien in der Kirche als Ausdruck dafür, dass Gott als unser Schöpfer und Erhalter über uns steht, ist ein gutes, wertvolles Zeichen gegen allen Hochmut und gegen einen Größenwahn, der glaubt, mit eigenem Können und Wissen diese Welt beherrschen zu können.
Der Segen Eurer Konfirmation möge Euch vor dem Irrtum bewahren, als liege alles Entscheidende in unserer Hand.
Wenn Ihr nun gleich gesegnet werdet, dann wünsche ich Euch von Herzen, dass Gottes Segen Euren Schritten weiten Raum gibt, dass Eure Knöchel nicht wanken.
Und wenn die Krisen, in denen wir leben, Euch weiter zu schaffen machen, dann möchte ich Euch ermutigen, vor jeder Entscheidung, vor die Ihr gestellt werdet, folgendes Gebet zusprechen:
Gott,
gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und gib mir die Weisheit, das eine von dem andern zu unterscheiden. Amen.
Pfarrerin Silke Alves-Christe
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