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Gastfreundschaft

Predigt gehalten von Pfarrerin Silke Alves-Christe zum Kirchentagssamstag, 15.05.2021 bei der katholischen Eucharistiefeier in St. Wendel am 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main.

Predigttext: Markus 14,17-26

"Als es Abend wurde, kam Jesus mit den Zwölf.
Während sie nun bei Tisch waren und aßen, sagte er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern, einer von denen, die zusammen mit mir essen.
Da wurden sie traurig und einer nach dem andern fragte ihn: Doch nicht etwa ich?
Er sagte zu ihnen: Einer von euch Zwölf, der mit mir aus derselben Schüssel isst.
Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.
Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib.
Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern und sie tranken alle daraus.
Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.
Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes.
Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus."

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

seit dem großen Schritt aufeinander zu bei unserem ersten ökumenischen Sommerfest im September 2019, sind wir zwischen der evangelisch-lutherischen Dreikönigsgemeinde und der katholischen Gemeinde St. Bonifatius am Kirchort St. Wendel weitere entscheidende Schritte aufeinander zu gegangen. Ich stehe heute hier in großer Freude und Dankbarkeit darüber, dass die Gastfreundschaft bei Abendmahl und Eucharistie endlich eine gegenseitige Gastfreundschaft ist.
Selbst wenn sie von katholischer Seite noch immer nicht laut ausgesprochen wird, so haben Pater Gaby, Pastoralreferent Martin Kestler, Pfarrer Uwe Michler, Stadtdekan zu Eltz und nicht zuletzt Bischof Bätzing deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es in die Gewissenentscheidung jedes und jeder Einzelnen gestellt ist, am Abendmahl und der Eucharistie wechselseitig teilzunehmen.
Auf diese Freigabe habe ich mehr als 40 Jahre lang gehofft.

Warum sie mir so viel bedeutet, dazu möchte ich Ihnen nach dem Motto des heutigen Gottesdienstes: „Kommt und seht!“ einen kleinen persönlichen Einblick geben.
Im evangelischen Pfarrhaus in Lorsbach im Taunus aufgewachsen, besuchte ich von 1972 bis 1979 die katholische Ursulinenschule in Königstein. Weil ich mich dort religiös und spirituell sehr gut eingebunden fühlte und im Liturgiekreis regelmäßig die monatlichen Schulmessen mit vorbereitete, tauchte bald nach meiner Konfirmation, nachdem ich zum ersten Mal am evangelischen Abendmahl teilgenommen hatte, die Frage auf, ob ich als evangelische Schülerin mich nun auch einreihen darf zum Empfang der katholischen Kommunion zusammen mit meinen Schulfreundinnen, mit denen ich die Schulmesse vorbereitet und gestaltet hatte, oder eben nicht. Ich war unsicher und zögerte. Eine Ursulinenschwester, die in der Klosterküche tätig war, sah in der Schulmesse mein Zögern und spürte meine Traurigkeit, kam zu mir, brach ihre Hostie in zwei Teile und gab mir die eine Hälfte.

Beeindruckt von diesem feinen Gespür der Küchenschwester fragte ich meine Klassenlehrerin, Schwester Michaelis, um Rat, ob ich an der Eucharistie teilnehmen darf. Nach vielen Gesprächen mit ihr, als sie nicht mehr weiterwusste, hatte sie schließlich eine recht außergewöhnliche Idee:
Sie schickte mich nach Frankfurt nach St. Georgen und vereinbarte dort für mich einen Gesprächstermin mit Pater Heinrich Bacht. Mit klopfendem Herzen und voller Erwartung fuhr ich nach St. Georgen. Zu meiner Enttäuschung bekam ich von dem dortigen Theologieprofessor eine Antwort, die mich theologisch nicht überzeugte, ja, die ich gar nicht als theologische oder auch nur als christliche Antwort erkennen konnte: Pater Bachts Antwort war, es sei unhöflich gegenüber katholischen Christen, wenn ich als evangelische Christin an der Eucharistie teilnehme. Ich würde die katholischen Christen mit meiner Teilnahme verunsichern, und es sei darum ein Gebot der Höflichkeit, nicht teilzunehmen.

Diese Antwort – ich kann es nicht anders sagen – hat mich sehr viel weitergebracht.
Sie brachte mich nicht nur zu der Frage, was eigentlich unhöflicher ist: eine getaufte und konfirmierte Christin in ihrer Sehnsucht, Christus zu begegnen, auszuladen, oder katholische Christen durch meine Teilnahme eventuell zu verunsichern.

Seine Antwort brachte mich vor allem deshalb weiter, weil sie mir ganz deutlich vor Augen führte, dass die einfache Küchenschwester, die ihre Hostie für mich zerbrach und mit mir teilte, dem was Jesus Christus selbst gesagt und getan hat, unendlich viel näher war als das Höflichkeitsargument des Theologieprofessors.
Ohne den Besuch in St. Georgen bei Pater Bacht hätte ich vielleicht nicht so schnell zu der Antwort gefunden, die mir nun in großer Klarheit geschenkt wurde.
Höflichkeit – das wurde mir beim Lesen der Evangelien ganz deutlich – wäre für Jesus Christus selbst ganz sicher nicht das entscheidende Argument gewesen. Jesus war in Sachen Höflichkeit ja übrigens gar nicht so zimperlich.

In der Bibel, in den Evangelien machte ich in den Berichten über das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern, beim ersten Abendmahl also, eine wichtige Entdeckung:
Übereinstimmend berichten die Evangelien, dass sogar Judas, der Verräter, am Abendmahl teilgenommen hat.

Aber ich will nun weder mich noch irgendjemand andern mit Judas vergleichen. Spannender finde ich die Reaktion, die Haltung der übrigen Jünger, von der wir eben im Evangelium hörten:
Mit seiner Erwähnung des Verräters löst Jesus zwölf Fragen aus: Sie fragten ihn, jeder einzeln, einer nach dem andern:

„Doch nicht etwa ich?”

Verwunderlich ist’s, dass jeder einzelne diese Frage stellt. Auch die elf, die keinen Gedanken an Verrat hegten, sehen sich in Frage gestellt:

„Bin ich’s etwa?”

Wer bin ich eigentlich? Jünger, Nachfolger oder Verräter?

Der Abend des ersten Abendmahls war nach dem biblischen Zeugnis also weder rundherum
entspannt, noch ungetrübt feierlich. Die Jünger am Abend des letzten Mahles beeindrucken mich mit ihrer Frage, die sie alle nacheinander Jesus und wohl zugleich sich selbst stellen:

„Bin ich’s?”

Sie stellen sich ganz persönlich die Frage nach ihrer Beziehung zu Jesus.
Um den Tisch mit Brot und Wein sitzen 12 in ihrer Identität verunsicherte Menschen, 12 Zweifler, kein Kreis von Getreuen, die ihrer Sache sicher sind, die ganz klar und ohne jeden Zwiespalt dazugehören.

Gerade diesen Verunsicherten, denen, die am Anfang des Abends sich selbst in Frage stellen:
„Bin ich’s etwa?”, „Wer bin ich?”, ihnen wird im Laufe des Abends Jesus sagen, wer er für sie ist:

Nimm, das ist mein Leib, das bin ich - für dich.

Nicht also, wer ich bin oder wie ich dastehe beim Empfang der Kommunion, nicht meine
Glaubenstreue, nicht mein Bekenntnis, nicht meine Konfession ist das Entscheidende, sondern wer Jesus Christus für mich ist.

Nicht eine Konfession, nicht eine Kirche, sondern allein Jesus Christus ist der Einladende, der Gastgeber seines Mahles. Als getaufte und bewusst im Glauben lebende Christin bin ich von Jesus Christus selbst, also quasi von höchster Stelle, eingeladen, überall, wo in seinem Namen sein Mahl gefeiert wird. Diese Wahrheit ist das allein Entscheidende und steht klar über allen anderen Argumenten oder Regeln und erst recht über der Einschätzung, was höflich oder unhöflich ist. Es gibt bis heute so manche theologischen Fragen, in denen ich keine 100 %ige Klarheit habe, aber in dieser Frage der Gastfreundschaft bei Abendmahl und Eucharistie war mir fortan völlig klar, dass ich als 16-jährige Schülerin in der katholischen Schulmesse in Königstein, als Vikarin in Bornheim, als Dekanin in Höchst, als Pfarrerin in Baden-Baden und Sachsenhausen, wann immer ich in einer katholischen Messe zu Gast bin, niemanden mehr fragen muss, sondern ganz klar weiß, dass ich von Jesus Christus eingeladen bin, trotz der bestehenden theologischen Unterschiede. Und diese Unterschiede in der Auffassung von Eucharistie und Abendmahl gibt es tatsächlich noch. Ich möchte sie auch nicht vermischen oder verwässern.

Ich möchte nur deutlich der Aussage widersprechen, dass wir diese Unterschiede zunächst ausräumen müssen, bevor wir gegenseitig Gastfreundschaft gewähren und annehmen. Nein, wir müssen nicht diese Vorleistung erbringen, wir müssen nicht erst einmal völlige theologische Übereinstimmung herstellen oder selbst erarbeiten. Nein, Ökumene ist nicht unsere Leistung und unser Werk. Ökumene ist nicht etwas, das wir Menschen schaffen und hervorbringen müssen, sondern etwas, dass Gott selbst seiner geteilten Kirche schenken will.
Ökumene hat dann eine Chance, wenn wir sie ganz dem Wirken des Geistes Gottes anvertrauen und endlich aufhören, seinen Heiligen Geist durch menschengemachte Regeln einzuengen und zu hindern.

In der ökumenischen Gastfreundschaft bei Abendmahl bzw. Eucharistie sehe ich den entscheidenden Schlüssel, der ökumenische Fortschritte bisher verschlossen hat, der sie aber ermöglichen möchte, wenn wir nur zulassen, dass Gott selbst durch sein Mahl der Gemeinschaft unser Miteinander stärkt und heilt.

Indem wir miteinander Jesus Christus in unserer Mitte feiern, werden wir das Abendmahl/ die Eucharistie als sein heilsames Geschenk erfahren, das die Trennung unserer Kirchen heilen kann.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

St. Wendel, 15. Mai 2021, Pfarrerin Silke Alves-Christe, www.dreikoenigsgemeinde.de

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