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Sommerpredigtreihe: Gleichnisse Jesu - "Der Schalksknecht"

"Gott meint es ernst mit der Gnade"

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning zum 9. Sonntag nach Trinitatis am 01.08.2021 aus der Bergkirche.

Liturgie und Predigt: Pfarrer Thomas Sinning

Predigttext: Matthäus 18, 21-35

"21 Da trat Petrus hinzu und sprach zu ihm: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist's genug siebenmal? 22 Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. 23 Darum gleicht das Himmelreich einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. 24 Und als er anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der war ihm zehntausend Zentner Silber schuldig. 25 Da er's nun nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und zu zahlen. 26 Da fiel der Knecht nieder und flehte ihn an und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's alles bezahlen. 27 Da hatte der Herr Erbarmen mit diesem Knecht und ließ ihn frei und die Schuld erließ er ihm auch. 28 Da ging dieser Knecht hinaus und traf einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Silbergroschen schuldig; und er packte und würgte ihn und sprach: Bezahle, was du schuldig bist! 29 Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's bezahlen. 30 Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war. 31 Als nun seine Mitknechte das sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten bei ihrem Herrn alles vor, was sich begeben hatte. 32 Da befahl ihn sein Herr zu sich und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; 33 hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? 34 Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hätte, was er schuldig war. 35 So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder."

Liebe Gemeinde!

Dieses Gleichnis erzählt von Vergebung und von Gottes Gnade. Gottes Gerechtigkeit heißt Barmherzigkeit. Es war ja eine wesentliche Einsicht der Reformation, dass Gott uns seine Gerechtigkeit schenkt, anstatt sie von uns Sündern zu fordern. Das, was der König hier tut, dass er einem Schuldner eine unvorstellbar große Schuld (10.000 Zentner Silber = umgerechnet etwa ein dreistelliger Millionenbetrag!) erlässt, das passt perfekt zu dem reformatorischen Motto: „Sola gratia“ – „Allein aus Gnade“. So weit so gut.

Alles wäre wunderbar, wenn dieses Gleichnis ein Happy End hätte. Doch das hat es nicht. Der „Schalksknecht“, wie er in der Lutherbibel bezeichnet wird, muss am Ende doch alles bezahlen, weil er selber unbarmherzig und gnadenlos mit einem Mitschuldner umgegangen ist und ihm in seiner Not noch nicht mal einen lächerlich geringen Betrag zu schenken bereit ist.

Hier fängt das Gleichnis an, ungemütlich zu werden. Eben noch hätte ich mich gerne mit dem Knecht identifiziert, dem seine riesige Schuld erlassen wurde. „Gottes Gnade ist so wunderbar“ möchte ich am liebsten mit einem Lied der Kinder singen.

Doch dann muss ich eben auch das andere erkennen: Dieser Mann, der gerade eben so reich beschenkt wurde durch den Schuldenerlass, dieser Mann ist selber zu einer Unbarmherzigkeit fähig, die einen nur den Kopf schütteln lassen kann.

Und auch hierin erkenne ich etwas von mir selber und von meiner eigenen Engherzigkeit und Unversöhnlichkeit. Ich lebe doch von der Gnade Gottes. Aber: Wie oft bin ich nachtragend gewesen? Wie sehr habe ich mich durch tatsächliche oder vermeintliche Fehler anderer dazu verleiten lassen, einen Menschen abzuurteilen und ihn mit seinen Fehlern gleichzusetzen?

Schauen wir uns das Verhalten dieses Menschen einmal genauer an! Er hat nichts verstanden von der Gnade, die er da kurz zuvor in höchster Not selbst erfahren hat! Er hat sie einfach als Selbstverständlichkeit hingenommen – und macht weiter, als sei nichts geschehen.

Der Mensch bleibt gefangen in den Regeln von Schuld und Zins und Tilgung, jenen Grundsätzen, die auch heute das Wirtschaftsleben bei uns regeln, die er sein Leben lang gelernt hat – als hätte er nie das Gegenteil am eigenen Leib erfahren durch die Gnade des Königs.

Das Verhalten dem Mitknecht gegenüber ist schlimm. Mindestens genauso schwer aber wiegt, dass er die Gnade seines Königs nicht würdigt; dass er sie nicht wertschätzt.

Ich spüre, was Jesus damit sagt:  Lassen wir uns Gottes liebevolle Gnade wirklich gefallen? Erreicht sie unser Herz? Verändert sie etwas in uns? Spüren wir den inneren Zusammenhang, dass, wer Barmherzigkeit erfährt, gar nicht anders kann, als selbst barmherzig zu sein und zu handeln?

Oder sind wir so sehr in den Prinzipien des alltäglichen Geschäftslebens verhaftet, dass wir auch in unseren menschlichen Beziehungen davon nicht ablassen können und dann doch lieber Recht vor Gnade ergehen lassen?

Anders gefragt: was verändert sich denn in unserem Leben, wenn Gottes Gnade uns berührt? Hatte etwa Friedrich Nietzsche recht, wenn er sagte, dass die Christen erlöster aussehen müssten, wenn man an ihren Erlöser glauben soll?

Wenn das so wäre, dann stellt uns das Gleichnis Frage: Müssten wir nicht selber auf unsere Hartherzigkeit festgenagelt und am Ende ebenso bestraft werden wie der Schalksknecht? Wenn wir doch das Prinzip der Gnade verleugnen und unbarmherzig auf unserem Recht bestehen, wenn wir also selber nicht bereit sind, anderen zu vergeben?

Erinnern wir uns an das, was Jesus zuvor zu Petrus gesagt hat. Petrus hatte ja gefragt, wie oft man einem Menschen vergeben müsse. Reicht sieben Mal? Das wäre ja ganz schön viel. Wir schalten ja schon oft beim ersten Mal in den Unversöhnlichkeitsmodus „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …“ heißt es im Sprichwort. Und für andere Verfehlungen gilt das in ähnlicher Weise. Sieben Mal? „Nein,“ sagt Jesus, „mit Zahlen kommst du hier nicht weiter. 70 mal 7, das wäre 490. Aber diese Zahl sagt nur, dass es absurd wäre, seine Vergebungsbereitschaft abzumessen und zu begrenzen.“

Es geht ja nicht um eine Pflicht zur Vergebung, sondern um eine Haltung. Um eine grundlegende Ausrichtung meines Verhaltens. Es geht um die Bereitschaft, zu vergeben und alle Feindbilder und Rachegelüste, die ja doch menschlich oft verständlich sind, zu überwinden.

Bin ich bereit, zu vergeben? Bin ich bereit, Barmherzigkeit zu üben? Es geht hier nicht ums Zählen, sondern ums Leben. Es geht darum zu erkennen, dass die engen Grenzen menschlicher Gerechtigkeit gesprengt werden im Reich Gottes, dessen Gerechtigkeit alle Grenzen übersteigt.

Was Jesus über die Vergebung sagt, das klingt geradezu übermenschlich. Es übersteigt die Grenzen meiner Geduld und Langmut erheblich. Immer wieder vergeben? Niemals nachtragend sein? Wer kann das schaffen?

Der König in dem Gleichnis ist nachtragend. Seine Vergebungsbereitschaft ist deutlich geringer als von Jesus gefordert. Er tut es nur einmal. Als der Knecht versagt, ist es mit der Gnade des Königs vorbei. Das passt doch nicht zusammen mit dem, was Jesus sagt!

Ich glaube, hier kommt es darauf an, dass wir nicht vergessen dürfen, wer dieses Gleichnis erzählt. Ich glaube, dass diejenigen, die dieses Gleichnis hören, Jesus in den Blick nehmen müssen, der für die Verfehlungen der ganzen Menschheit sein Leben am Kreuz hingegeben hat.

Ich glaube daher nicht, dass es Jesus in unserer Erzählung darum geht, uns in Angst und Schrecken vor dem Gericht Gottes zu versetzen. Vielmehr wird hier deutlich: Gott nimmt uns und unser Handeln ernst – das lässt sich nicht überhören.

Wir können die Gnade, die Gott uns schenkt, auch verfehlen. Wir können uns selbst ausschließen aus der Gemeinschaft.

Es geht hier nicht darum, dass uns Angst gemacht werden soll vor dem Gericht Gottes. Die Zusage seiner Vergebung gilt auch bei ihm ohne Begrenzung, nicht nur siebenmal, nicht nur siebzig mal sieben Mal, sondern: ohne Obergrenze, ohne kleinliches Zählen! Gottes Vergebung wird nicht wieder relativiert.

Und doch ist dieses Gleichnis wichtig. Denn es geht hier um Ernsthaftigkeit. Gott nimmt uns ernst in dem, was wir tun. Es geht um den Zusammenhang, den auch das Vaterunser einschärft: Gottes Vergebung und unsere Vergebung gehören zusammen! Es geht auch um die Bereitschaft, sich immer wieder neu anstoßen und infrage stellen zu lassen von diesem kantigen Gleichnis. Gnade kann uns verwandeln, sie kann und barmherziger machen gegenüber uns selbst und gegenüber unseren Mitmenschen. Gnade befähigt uns zur Vergebung. Darum geht es.

Dass Gott aber am Ende seine eigene Forderung der Vergebung unterlaufen sollte und gar nicht anders könnte, als uns endgültig fallen zu lassen – das glaube ich nicht.

Hier hat das Gleichnis seine Grenze. Hier endet die Parallele zu dem König im Gleichnis. Hier geht das Evangelium als Ganzes über dieses Gleichnis hinaus: Gott nimmt unser Handeln und damit auch unsere Fehler ernst. Aber er lässt sich von uns nicht vorschreiben, wie er zu handeln hat – seine Gnade ist am Ende größer als unsere Schuld.

Niemand wüsste das besser als Petrus, von dessen Frage dieses Gleichnis ja seinen Ausgang nahm: Er wird selbst an seinem Herrn schuldig, als er ihn verleugnet, ehe der Hahn kräht. Und doch wird er eben nicht auf sein Handeln festgenagelt – stattdessen treffen Jesus selbst am Karfreitag die Nägel eines gnadenlosen Rechts. Gott lässt sich festnageln, damit Petrus leben kann – und wir auch.

Vergebung hat heilende Kraft. Gott schenkt sie uns, damit sie unser Verhalten verwandelt. Das ist die frohe Botschaft des Evangeliums. Wie wäre es, wenn wir alle uns daran orientieren würden?              

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