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Sommerpredigtreihe: Gleichnisse Jesu - „Die Witwe und der Richter“

Wir dürfen Gott in den Ohren liegen

Predigt gehalten von Pfarrer Jürgen Seidl zum 8. Sonntag nach Trinitatis am 25.07.2021 aus der Bergkirche/ Dreikönigskirche.

Liturgie und Predigt: Pfarrer Jürgen Seidl

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Der Predigttext in unserer Sommerpredigtreihe zu den „Gleichnissen Jesu“ ist heute das Gleichnis vom Richter und der Witwe. Es steht im Evangelium nach Lukas im 18. Kapi­tel.

Predigttext: Lukas 18, 1-8

"Er sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen sollte, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?"

Diese Frau ist eine Nervensäge, liebe Gemeinde, ein echter Quälgeist. Unermüdlich und beharrlich fällt sie dem Richter auf den Wecker. Der ist ein vielbeschäftigter Mann: Voller Schreibtisch. Aktenberge. Termine. Alles sehr wichtige Angelegenheiten. Ein bedeutsamer Mann. Er hat keine Zeit. Und er hat erst recht keine Lust, sich mit der Angelegenheit dieser Witwe zu beschäftigen. Er ist ein ungerechter Richter, sagt Jesus. Er fürchtet sich nicht vor Gott und scheut sich vor keinem Menschen. Er ist nicht zu sprechen. Vielleicht noch nicht einmal für Gott. Ihm ist es egal, ob die Frau Recht hat und Recht bekommt. Sie ist ihm einfach nur lästig. Er versucht, sie abzuwimmeln: Ich kann nichts für Sie tun. Die Frau geht.

Doch schon am nächsten Tag ist sie wieder da: Verschaffen Sie mir Recht. Ich hab doch ein Recht! Der Richter verdreht die Augen: Die schon wieder! Die Frau liegt ihm in den Ohren. Sie lässt ihm keine Ruhe, passt ihn im Gerichtsflur ab, vor der Tür zu seinem Arbeitszimmer. Und der Richter denkt sich: Wie werde ich diese Verrückte bloß wieder los? Was, wenn sie anfängt, meine Verhandlungen zu stören? Am Ende verliert sie noch die Kontrolle. Womöglich haut sie mir ihre kleine billige Handtasche um die Ohren. Schließlich gibt er genervt auf: Also gut, setzen Sie sich. Wo liegt das Problem?

Man kann das verstehen. Wem von uns wäre diese Frau nicht auf die Nerven gefallen – mit ihrer penetranten Beharrlichkeit. Ich bin jedenfalls manchmal ganz schön genervt von Menschen, die immer nur sich und ihre Probleme sehen, die sich wieder und wieder ungerecht behandelt fühlen und einfach keine Ruhe geben.

Wenn es denn sein muss, sagt der Richter, will ich dieser Witwe, die mich so bedrängt, Recht verschaffen. Bevor der Konflikt weiter eskaliert, gibt er nach und tut, was er von Amts wegen ohnehin hätte tun müssen: Recht sprechen, der Frau ihr Recht schaffen.

Viermal kommt dieser Ausdruck in den Worten Jesu hier vor: Recht schaffen. Es geht darum, Recht zu bekommen. Offenbar spricht das Gleichnis in eine Situation hinein, in der das nicht selbstverständlich ist. Bedenken wir: Christen wurden in den ersten Jahrhunderten von Andersgläubigen oder vom Staat benachteiligt, angefeindet und immer wieder auch verfolgt. Es war schwer für sie, Recht zu bekommen. Darum wählt Jesus hier das Bild von der Witwe.

Denn Witwen gehörten in der sozialen Wirklichkeit der damaligen Zeit zu den Gruppen, die es am schwersten hatten. Waisen, Witwen und Fremde sind schon im Verständnis des Alten Testaments die Gruppen, die durch ihre Lebensumstände an den Rand gedrängt, der Armut ausgeliefert und von Rechtlosigkeit bedroht sind. Es fällt uns nicht schwer, uns in die Situation einer Witwe zu versetzen, die um ihr Recht kämpft: um ihren Anspruch auf die ohnehin geringe Witwenversorgung. Oder um einen kleinen Besitz, der ihr verblieben ist und den ein ungleich Stärkerer ihr nun auch noch nehmen will.

Wer sein Recht sucht, empfindet seine Abhängigkeit besonders intensiv. Der moderne Rechtsstaat hat daran viel geändert, indem er die Gleichheit vor dem Gesetz feststellte und den Armen ein besonderes Bedürftigenrecht gewährte, um ihre Rechtsansprüche durchzusetzen. Aber aufgehoben hat auch der moderne Rechts- und Sozialstaat diese Abhängigkeitserfahrung nicht.

„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, sagt der Volksmund. Und er hat auch recht damit. Freilich muß man hinzufügen: Auch sonst sind wir alle in Gottes Hand; nicht nur auf hoher See oder vor Gericht. Doch in solchen Situationen spürt man es besonders deutlich. Plötzlich hängt Entscheidendes davon ab, ob ein anderer sich meines Schicksals annimmt.

Und wie ist das nun mit dem Beten? Dafür soll die von Jesus erzählte Begebenheit ja ein Gleichnis sein:

„Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten“.

Können wir Gott so gegenüber treten wie die bittende Witwe dem Richter und fordern: „Schaffe mir Recht!“? Ist Gott nicht ein Richter, der genau weiß, wie wir zum Recht stehen, wo wir in Unrecht verstrickt sind und in Schuld und Sünde leben?

Gott misst uns am Gebot der Liebe:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“

und:

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mth 22,37.39).

Wie stehen wir da im Gericht Gottes, wenn er uns an der Liebe misst? Können wir da allen Ernstes bitten:

„Schaffe mir Recht?“

Oder liegt nicht die andere Bitte näher:

„Schaffe in mir Gott, ein reines Herz ... Verwirf mich nicht von deinem Angesicht ... und mit einem willigen Geist rüste mich aus“ (Ps 51,12 – 14).

Oder einfach nur:

„Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lk 18,13).

Auch da sind wir eingeladen, nicht müde zu werden im Gebet um Gottes Erbarmen und seine Vergebung. Denn Gott hat seinem Recht zum Durchbruch verholfen als Jesus Christus ganz zu Unrecht am Kreuz gestorben ist. Der Gerechte stirbt, doch Gott spricht alle, die an seinem Recht vorbei leben, die seine Liebe mit Füßen treten, die Unrecht tun und in Unrecht verstrickt sind, dennoch gerecht. Im Glauben an Jesu Christus erbitten wir die Gerechtigkeit, die wir von uns aus nicht haben, die uns aber um Jesu Christi willen geschenkt wird.

Und so, als von Gott gerechtfertigte Sünder, setzen wir uns für Recht und Gerechtigkeit ein. Wir kümmern uns um mehr Recht für Rechtlose, um mehr Gerechtigkeit für die zu kurz Gekommenen. In unserem menschlichen Umgang mit dem Recht soll Gottes vorbehaltlose Parteinahme für Arme und Schwache sich endlich durchsetzen. Durch unser beharrliches Bitten sollen wir als Christen dazu beitragen, dass die Stimme der Armen und Schwachen nicht überhört wird. Für sie alle unbeirrbar einzutreten, verlangt genauso viel Hartnäckigkeit wie der Rechtskampf der Witwe im Gleichnis Jesu.

Diese unerbittliche Hartnäckigkeit des Bittens soll auch unser Beten auszeichnen. Jesus vertraut uns im Vater Unser die Bitte an:

„Dein Reich komme“.

Uns vertraut er es an, ob der Menschensohn, wenn er kommt, Glauben findet. Uns räumt Gott ein, dass wir ihm in den Ohren liegen und in unserem Gebet nicht nachlassen.

Jesu eigenes Beten kann uns dabei Vorbild sein. Er hat das Gebet, zu dem er sich häufig zurückzog, nicht als Rückzug aus der Welt verstanden. Wer betet, zieht sich nicht aus der Weltgeschichte oder der eigenen Lebensgeschichte heraus. Jedes Gebet hat seinen entscheidenden Rahmen in der Bitte:

„Dein Reich komme“

– hier und jetzt, zu uns, in unsere Welt. Jedes Gebet hat seinen Bezugspunkt in der Gottesherrschaft, für die Jesus einsteht, auf die wir hoffen und für die wir hier und jetzt eintreten.

Darum sammeln wir Geld für diakonische Projekte, darum unterhalten wir Kindergärten, in denen Kinder lernen sollen, selbstbewusst und friedfertig durchs Leben zu gehen, darum stehen wir Menschen bei, die krank und einsam sind oder um einen Angehörigen trauern, darum versuchen wir den Glauben an die nächste Generation weiterzugeben. Weil wir die Hoffnung haben, dass die Welt nicht auf ewig so bleiben muss wie sie ist, sondern dass Gott sie verwandelt, dass er uns immer wieder ein Stück Himmel auf Erden schenkt - bis er sie eines Tages ganz erneuert. Als Gemeinde Jesu Christi hoffen wir in unserem Beten und Tun auf Gottes Erneuerung der Welt.

Aber unsere Hoffnung auf die Zukunft der Gottesherrschaft, die wir aus Jesu Hand empfangen, braucht auch eine Innenseite. Unser Engagement für Recht und Gerechtigkeit und unsere Sorge um das eigene Leben braucht eine Quelle. Diese Kraftquelle liegt nicht in uns selbst. Gerade in Zeiten äußerer oder innerer Bedrängnis dürfen wir uns auf Gott verlassen, der unserem Leben Halt gibt und uns in der Gefährdung beisteht. Der Glaube öffnet uns für die unerwarteten Möglichkeiten Gottes, für die Überraschungen seiner Liebe, für seine Lebenszusage, für sein versöhnendes Handeln über Abgründe hinweg, für seine bewahrende Hand. Wo Menschen so glauben, wiederholt sich das dreiste Handeln der bittenden Witwe, ein beharrliches Drängen auf Gottes unerwartete Möglichkeiten.

Nach diesem Glauben fragt Jesus am Ende der Geschichte:

„Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“

Es geht nicht nur um unser Tun. Es geht auch nicht nur um unser Beten, so wichtig das ist. Es geht vor allem darum, dass wir den Glauben nicht verlieren. Auch wenn es manchmal so scheint als wäre die Welt ohne Gott, als stürze sie ins Chaos: Gott ist da. Das Vertrauen auf Gott sollen wir uns bewahren. Gott gibt seine Welt nicht auf.

Wir wissen, dass Glaube ein Geschenk ist. Und wir wissen, dass jeder, der damit beschenkt wird, behutsam, vorsichtig und fürsorglich damit umgehen sollte – sonst kommt es vielleicht eines Tages abhanden, das Geschenk des Glaubens. Und so ist es notwendig, sowohl um dieses Geschenk, als auch um seinen Erhalt zu bitten, mit Inständigkeit und Beharrlichkeit, in Zeiten des Lichtes, aber auch in Zeiten der Finsternis.

So glauben können wie diese Witwe aus dem Gleichnis Jesu, die nicht nachgibt und nicht locker lässt, so glauben können wie diese Frau, die beharrlich darauf vertraut, dass sie am Ende ihr Recht bekommt. Das wünsche ich mir. Dieser Glaube findet sich nicht ab mit den scheinbaren Realitäten. Er setzt darauf, dass Gott alles gut machen wird. Amen.

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