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Das verlorene Paradies

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 01.03.2020 über 1. Mose 3, 1-19 zu Invokavit in der Dreikönigskirche.

1. Mose 3, 1-19 

1 Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?
2 Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!
4 Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,
5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
6 Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.
7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
8 Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten.
9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?
10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?
12 Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß.
13 Da sprach Gott der HERR zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.
14 Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang.
15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
16 Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.
17 Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang.
18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.
19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.

Liebe Gemeinde!

Das Kirchenjahr zeigt sich heute wieder einmal mit einem tieferen Sinn. Am Anfang stand die Weihnachtszeit, die so eng mit unserer eigenen Kindheit verbunden ist. Die Geburt des Kindes versetzt uns selber immer wieder zurück in die eigene Kindheit und lässt uns etwas spüren von der Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit, die Idee von einer trotz allem doch irgendwie heilen Welt, die unserem Leben einen inneren Halt geben kann, einen Halt, der vielleicht sogar ein Leben lang trägt.

Doch heute nun, am Beginn der Passionszeit, hören wir die Geschichte vom Sündenfall. Die Geborgenheit ist dahin. Die kindliche Idylle ist zerbrochen. Wir sind keine Kinder mehr, wir nehmen uns als erwachsene Menschen wahr, die aus dem Paradies ihrer Erinnerung vertrieben sind.

Ist es nicht das, was uns tagtäglich zu schaffen macht? Dass ein Riss durch diese Welt geht, der immer wieder unerfreuliche, ja sogar hässliche und grausame Dinge hervorquellen lässt, die die täglichen Nachrichten und leider auch immer wieder mein eigenes Leben bestimmen?

Creative Commons Zero - CC0

Der Philosoph Ernst Bloch schreibt: „Heimat ist das, was jedem in die Kindheit scheint und worin noch niemand war.“ Man spürt sie erst, wenn sie verloren ist. Und tatsächlich ist es so, dass wir, wenn wir die Geschichte vom Paradies und vom Sündenfall hören, feststellen müssen: Ja, in der Tat, da scheint etwas davon in unsere Kindheit, aber wir waren noch nie wirklich in diesem Paradies gewesen. Wir kennen das Paradies tatsächlich nur als Idee, als Erzählung aus der Tora, aber wir selber sind noch nie dagewesen. Wir sind vielmehr Vertriebene aus dem Paradies, wir sind es immer schon gewesen.

Doch diese Geschichte hier, sie will uns das verstehen lassen. Sie will uns etwas verstehen lassen über uns selber, und sie öffnet uns eine Perspektive. Denn sie erzählt nicht nur vom Menschen, sondern von Gott.

Schauen wir zuerst auf den Menschen. Adam und Eva, das sind nicht unsere Vorfahren in grauer Vorzeit, Adam und Eva, das sind wir. „Adam“ heißt auf Deutsch nichts anderes als „Mensch“, Eva“ heißt auf Deutsch die „die Belebte“. Es ist mithin unsere eigene Geschichte, die hier erzählt wird.

Sie beginnt mit einer Verführung. Die Schlange, die nichts anderes ist als die personifizierte Versuchung, verwickelt Eva in ein Gespräch, das zunächst wie ein ernsthaftes theologisches Gespräch daherkommt.

„Sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“

Hier kann man sehen, wie gefährlich Theologie sein kann! Und welche Macht mit einer falschen Theologie ausgeübt und missbraucht werden kann.

„Sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“   

Dies ist eine suggestive Frage, denn Gott hatte es tatsächlich nicht gesagt, was die Sachlange suggeriert. Er hatte lediglich den Genuss von diesem einen Baum, dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen verboten (2,17).

Mit dem Verdrehen der Wahrheit fängt es also an. Und Eva selber verstärkt dieses Verbot noch, indem sie das bloße Berühren als verboten darstellt, obwohl dies von Gott nicht gesagt worden war. Und schon gerät sie auf eine schiefe Ebene, die nur zur Übertretung des Gebotes führen kann. Die Verlockung wird zu groß. Sie isst von dem Baum und gibt Adam auch davon.

Mit der Erkenntnis von Gut und Böse ist die Unschuld dahin. Es gibt nun keine kindliche Unschuld mehr. Die Menschen wissen um Gut und Böse, aber sie werden dieser Erkenntnis nicht gerecht. Sie schaffen es nicht, konsequent auf der Seite des Guten zu bleiben. Die Scham darüber, dass sie nun bloßgestellt sind, nicht allein als nackt, sondern bloßgestellt als Menschen, die zum Bösen fähig sind, lässt sie sich Schurze aus Feigenblättern machen und sich verstecken.

Ein Drama, das wie eine Blaupause wirkt für die unzähligen Dramen, die sich in der Geschichte von uns Menschen tagtäglich abspielt. Wir tragen Verantwortung und werden ihr oft nicht gerecht. Wir wollen Gottes Gebot entsprechen und versagen doch immer wieder darin. Wir wissen manchmal sogar genau, was zu tun ist, was richtig ist, und tun es genau nicht. Wir hören verführerische Stimmen und lassen uns von ihnen manipulieren. Wir merken, dass wir einen Fehler gemacht haben, und schieben die Schuld auf andere, so wie Adam auf Eva und Eva auf die Schlange.

So weit so schlecht.

Es ist wichtig, dass diese Geschichte schon gleich am Anfang der Bibel steht. Denn damit können wir Menschen uns keine Illusionen über uns selbst mehr machen. Und damit werden wir darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, wachsam zu sein gegenüber den Verführern in uns und um uns. Auch gegenüber jenen, die mit populistischen Parolen oder mit Fake-News oder mit raffinierten Werbemethoden letztlich das infrage stellen, was wir von Gott her als Gut und Böse zu unterscheiden gelernt haben.

Daher führt kein Weg vorbei an der ernüchternden Erkenntnis der Bibel, die am Ende der Sintflutgeschichte steht:

„Denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ (1. Mose 8.21b)

Der Mensch ist eben nicht nur gut, sondern auch zum Bösen fähig.

Was aber ist die Konsequenz? Schauen wir auf Gottes Reaktion in dieser Geschichte! Was macht Gott?

Er sucht den Menschen:

„Adam, Mensch, wo bist du?“

Gott wendet sich von dem Menschen, der ihm untreu geworden ist, nicht ab, er sucht ihn. Er sucht ihn, der vor ihm wegläuft und sich vor ihm versteckt. Das ist die entscheidende frohe Botschaft in dieser Geschichte. Der Mensch kann versagen und Fehler machen und Böses tun, aber Gott hört nicht auf, ihn zu suchen. Gott gibt den Menschen nicht auf.

Genau darum macht es Sinn, dass diese Geschichte vom Sündenfall am Beginn der Passionszeit steht: denn diese Passionszeit erinnert uns daran, dass Gott Jesus mitten hinein in den Schlamassel des menschlichen Versagens und der menschlichen Schuld geschickt hat. In die Welt, in der die Menschen immer wieder schlimmstes Leid zu verursachen in der Lage sind. Dafür steht das Kreuz Jesu.

Aber zugleich zeigt dieses Kreuz: Der da hängt, das ist Gott selber, der sich mit Jesus identifiziert hat. Denn Gott will den Menschen, der sich von ihm losgesagt hat, nicht sich selber überlassen. Er sucht ihn, weil er ihn liebt. Er will ihm nahe sein, ihn nicht loslassen.

In der Erzählung vom Sündenfall schickt Gott den Menschen schließlich in die Welt. Er sorgt für sie, indem er ihnen Kleidung verschafft. Denn hier, in dieser Welt, muss der Mensch mit der Mühe der Arbeit leben und mit den Schmerzen klarkommen, die zum Leben gehören.

„Im Schweiße seines Angesichts“

muss er für sich sorgen. Die ganze Spanne des Lebens von der Geburt bis zum Tod legt Gott in die Verantwortung des Menschen.

Aber in dieser Verantwortung liegt die Chance zur Bewährung. Auch wenn das Paradies verloren ist.

Eine ziemlich ernüchternde Einsicht, die uns hier zugemutet wird. Aber letztlich nichts anderes als ein Spiegel unserer Wirklichkeit. Ein Spiegel, den wir brauchen, um immer wieder das Gute und das Notwendige zu suchen inmitten dieser Welt, durch die der Riss der Sünde tief hindurch geht, mein eigenes Leben eingeschlossen. Ein Spiegel, den wir brauchen, um uns der Verantwortung für unser Leben, für unsere Mitmenschen und für die Welt bewusst zu werden.

Doch ich möchte nicht schließen, ohne in dem Kirchenjahr wieder einen Hinweis zu finden, der tröstlich ist. Am Ende der Passionszeit steht das Osterfest. Jesu Auferstehung. Der Baum des Lebens, der unerreichbar geworden ist, den hat Jesus und wieder erreichbar gemacht. Er sieht aus wie ein Kreuz, aus dem lebendiges Grün hervorwächst. Du schöner Lebensbaum des Paradieses.       

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

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