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Wahre Geborgenheit

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Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 15.03.2020 über Lukas 9, 57-62 zu Okuli in der Bergkirche

Lukas 9, 57-62
Unterwegs sagte einer der Jünger zu Jesus: »Ich will mit dir gehen, wohin du auch gehst.« Aber Jesus hielt ihm entgegen: »Füchse haben ihren Bau und Vögel haben Nester, doch der Menschensohn hat keinen Ort, an dem er sich ausruhen kann.« Zu einem anderen sagte er: »Komm, folge mir nach.« Dieser jedoch antwortete: »Herr, lass mich zuerst noch nach Hause gehen und meinen Vater begraben.« Jesus erwiderte: »Lass die Menschen, die nicht nach Gott fragen, für ihre Toten sorgen. Deine Aufgabe ist es hinzugehen und das Kommen des Reiches Gottes zu verkündigen.«  Ein anderer sagte: »Ja, Herr, ich will mit dir gehen, aber lass mich zuerst noch von meiner Familie Abschied nehmen.« Doch Jesus sagte: »Wer eine Hand an den Pflug legt und dann zurückschaut, ist nicht geeignet für das Reich Gottes.«

Liebe Gemeinde!

Diese Begebenheit versetzt uns zurück in eine längst vergangene Zeit: die Zeit, als Jesus als Wanderprediger durchs Land zog. Als seine Jünger den Beruf und Haus mehr oder weniger aufgegeben hatten, um mit ihm zu ziehen. Es war die Zeit, als sie einen unabhängigen und sehr schlichten Lebensstil hatten, darauf vertrauend, dass sie überall Unterstützerinnen und Unterstützer fanden, die ihnen eine Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf zur Verfügung stellten, bis sie weiterzogen.

Heute träumen wir vielleicht manchmal von einem solchen Leben als „Aussteiger“. Von einem solch ungeheuren Maß an Unabhängigkeit. Vielleicht bewundern wir sogar Menschen, die sich darauf einlassen, ohne Sicherheiten zu leben und mit ihrem Verzicht einen alternativen Lebensstil praktizieren. Wir spüren die Faszination dessen, und doch, so muss ich es mir selber ehrlich eingestehen: Ich gehöre nicht dazu. Ich lebe nicht so. Ich bin froh, ein festes Zuhause und ein sicheres Gehalt und eine funktionierende Krankenversicherung zu haben.

Als Jesus mit seinen Jüngern durchs Land zog, begegneten sie vielen Menschen. Solchen, die in sicheren Verhältnissen lebten, so wie wir, und auch solchen, die von einer großen Sehnsucht nach Veränderung erfüllt waren. Sie sahen große und kleine Menschen, mit großen und kleinen Schicksalen, mit Leid und Freude. Sie trafen Menschen, die ihnen zujubelten. Sie konnten spüren, wie groß die Sehnsucht ist, die in den Leuten wohnt.

Da war eine Sehnsucht zu spüren, eine Sehnsucht nach Ganzsein. Heilsein. Endlich nicht mehr unter Mangel leiden, sondern genug haben! Endlich spüren, dass die Verheißungen von Gottes Reich Wirklichkeit werden! Sie hatten die Speisung der 5000 mitbekommen; wie viele Menschen satt wurden, als nach Jesu Predigt einige wenige Brote geteilt wurden: Tausende von Menschen! Unfassbar! Klar, dass nun viele dazugehören wollten.

Drei von damals begegnen uns nun in unserem Predigttext.

„Ich will dir folgen, wohin du auch gehst!“

sagt der erste. Ist das nicht phantastisch? Davon kann man nur träumen. Dass einer kommt und sagt: „Hier bin ich! Sag mir, wo es langgeht. Ich folge dir. Das, was du sagst, ist für mich wahr. Was du tust, das soll mein neues Leben sein.“ Nicht wahr, solche Leute bräuchten wir! Wir könnten gar nicht genug von solchen haben, die das sagen.

Jesus aber sagt nicht: „Schön, dass du da bist!“ Er sagt auch nicht: „Lass uns einmal darüber reden!“ Er lässt den freundlichen und begeisterten Menschen stehen und gibt ihm ein Rätsel auf: Ja – alle haben ein festes Haus, einen Ort, wo sie daheim sein können. Alle haben ein Zuhause, eine Familie – ein Nest, in das hinein man sich kuscheln kann. Eine Grube, um sich zu bergen wie ein Fuchs in seinem Bau. Nur er und seine Leute haben das alles nicht. Es gibt kein festes Haus für Jesus. Die Jünger haben ihre Familien hintangestellt.

Warum sagt Jesus das? Wird der Mann sich nun davon abschrecken lassen, Jesus nachzufolgen. Oder wird er ihn erst recht interessant finden?

Wir hören diese Worte heute in festen Häusern sitzend, umgeben von der steinernen Pracht unserer Kirchen. Aber denken wir auch an Menschen, die auf der Flucht sind, in Idlib, an der Türkisch-griechischen Grenze, und anderswo? Menschen, die oft auch nicht wissen, wo sie ein Zuhause finden können. Oder an Menschen in Palästina, denen durch den fortgesetzten Siedlungsbau ihre eigene Heimat mehr und mehr genommen wird.

Es ist wichtig, dass Jesus diese Menschen verstehen kann. Dass er ihre Situation teilt. Und dass er ihnen so Hoffnung geben kann. Hoffnung, dass wahre Geborgenheit etwas anderes ist als in festen Häusern zu wohnen.

Wir wissen nicht, wie der Mann sich entschieden hat. Aber er ist nicht der einzige, dem sie auf dem Weg begegnen. Jesus spricht einen anderen an:

„Folge mir nach!“

Dieser Mann ist ein Familienmensch, denn er ist eingebunden in seine Geschichte. Und er will den toten Vater, der ihm am Herzen und auf der Seele liegt, beerdigen. Ich kann diesen Mann gut verstehen. Ich hätte genauso reagiert, wenn mein Vater gerade gestorben wäre.

Warum antwortet Jesus so hart? Hat er kein Mitgefühl? Ich glaube, Jesus geht es um etwas ganz anderes. Er will nicht, dass der Trauernde sich in seiner Trauer verschließt.

Jesus sieht, dass es für den Trauernden wichtig ist, auch nach vorne zu blicken. Dass es größeres gibt als die eigene Familiengeschichte und die gemeinsame Vergangenheit. Dass es noch mehr gibt als die Erfüllung des Gebotes: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren ...“

Das kommt bei dem dritten Menschen in den Blick, dem Jesus hier begegnet. Auch er ist bereit, Jesus zu folgen, sich auf ihn einzulassen, mit ihm Neues zu wagen. Aber er will erst ausführlich Abschied nehmen von seiner Familie.

Auch das kann ich sehr gut verstehen. Ist das nicht menschlich, dies zu wollen? Versteht Jesus das nicht?

Ich glaube schon, dass der Mensch diesen Abschied nehmen konnte. Aber in dieser Situation hat Jesus etwas sehr Wichtiges zu ihm gesagt; etwas, das notwendig ist zu verstehen, wenn die Nachfolge Sinn machen soll:

„Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.“ 

Der Blick zurück ist wichtig, um die Dankbarkeit nicht zu vergessen und aus der Vergangenheit zu lernen. Der Blick zurück ist wichtig, ja, aber der Blick nach vorne ist es noch mehr! Denn er zeigt uns, was Gott tun kann und tun will. 

Die Sache mit dem Pflug und dem Blick zurück haben wir Christen, so scheint es mir, weitgehend verinnerlicht.

Wir sehnen uns nach einer Lebendigkeit der Kirche wie damals, bei den ersten Christen. Wir schauen wehmütig zurück in Zeiten, in denen es selbstverständlich war, dass unser Land christlich geprägt war und die Kirche intakt. Wir erinnern uns gerne an die Zeit vor fünfzig Jahren, als in den fünfziger und sechziger Jahren massenweise Kirchen gebaut und neue Gemeinden gegründet wurden und die Kirchensteuereinnahmen nur so sprudelten. Aber genau dieser Blick verstellt uns die Sicht auf das, was wirklich wichtig ist.

Lassen wir uns nicht fesseln von dem Blick zurück auf die Kirche damals, als die Zahlen gut, die Gottesdienste voll und die Kassen prall gefüllt waren. Lassen wir uns nicht von dem Blick zurück einreden, es müsse wieder so werden. Denn das wird es nicht. Und das braucht es auch nicht.

Leben als Christen in der Nachfolge Jesu – das bedeutet nicht, dass alles einfach und bequem ist. Das bedeutet nicht, dass die Krisen und Herausforderungen dieser Zeit uns nichts anhaben können. In der Nachfolge Jesu leben heißt: hier und jetzt leben, lieben, glauben, hoffen. Mit allen Anfechtungen und Zweifeln, aber auch mit allen schönen und beglückenden Erfahrungen, die dazu gehören.

Deshalb sollte der Blick zurück uns nicht gefangen nehmen. Sondern frei machen, nach vorne zu blicken. Die Hand am Pflug macht es erforderlich, das Ziel vor Augen nicht zu verlieren. Glauben heißt Hoffen. Glauben heißt lieben. Und das können wir nur, weil wir durch Jesus die Gewissheit haben: Alles wird gut. So hat es Gott gewollt und gemacht. Und für alle in der Nachfolge Jesu gilt: das Beste kommt noch!

Das Reich Gottes hat mit Jesus begonnen, spürbar und erfahrbar zu werden. Machen wir uns mit ihm auf den Weg. Auf den Weg zu Gott. Auf den Weg zu den Menschen. Und lassen wir uns die Freiheit schenken, alles das hinter uns zu lassen, was uns davon abhält.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

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