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Kantatengottesdienst 26.06.2016 in der Bergkirche

Anonymus, „Lobt ihn mit Herz und Munde“ (BWV 220)

Lukas 1,39-45:

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.
Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe.
Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach:
Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes!
Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Anonymus, „Lobt ihn mit Herz und Munde“
(BWV 220)

1. Choral

Lobt ihn mit Herz und Munde, welch´s er uns beides schenkt,
das ist ein´ sel´ge Stunde, darin man sein gedenkt;
sonst verdirbt alle Zeit, die wir zubring´n auf Erden:
wir sollen selig werden und bleib´n in Ewigkeit

2. Arie

So preist den Höchsten, den König des Himmels,
so preiset, ihr Völker, den König des Himmels,
der Leben und Segen uns wunderbar gibt.
Kommt, rühmet die Proben der Gnade von oben,
als Zeugen, wie sehr uns der Heiland geliebt.

3. Recitativo

Auf Gottes Preis muss alle Freude zielen;
wo Gottes Geist das Öl der Freude schenkt,
da lässt er bald süße Hoffnung fühlen,
und fühlt das Herz der Freudigkeit,
so ist der Mund zu Gottes Ruhm bereit.
Johannes selbst, der noch verborgen lebt,
empfängt der Herr mit frohem Springen,
Elisabeth erkennt den Heiland aller Welt,
ihr Jauchzen wird Maria beigesellt.
Maria will von Recht und Gnade singen,
was Gott an ihr in aller Welt getan.
Sie siehet seine Macht und Gütigkeit,
die Strahlen, so die Wahrheit streut, in Demuth an.
O wohl, wo Herz und Mund also in Freuden schwimmen
und in des Höchsten Ruhm vergnügt zusammen stimmen.

4. Arie

Sich in Gott und Jesu freuen, ist ein Vorschmack jener Lust.
Welt, bei deinen grünen Maien klebt verbot'ner Sündenwust.

5. Coro

Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott.
(= Jesaja 61,10a)


Liebe Gemeinde!

Bei diesem sehr wechselhaften Sommerwetter – bisher mehr Unwetter als Wetter – fällt einem gar nicht so richtig auf, dass die längsten Tage dieses Jahres schon wieder hinter uns liegen. Am 21. Juni hatte die Sonne senkrecht über dem Wendekreis gestanden, und seitdem werden die Tage wieder kürzer. Um diese Tage der Sommersonnenwende herum feiert die Kirche den Johannistag, den Geburtstag Johannes des Täufers, am 24. Juni, genau 6 Monate vor dem 24. Dezember, der Zeit der Wintersonnenwende. Bemerkenswert ist das, daß christliche Feste eine Verbindung mit dem Naturjahr eingingen.

Aus dem 1. Kapitel des Lukasevangeliums, das die Geburtsgeschichte des Johannes erzählt, geht hervor, daß seine Mutter Elisabeth gerade im 6. Monat schwanger war, als der Engel Gabriel Maria, ihrer Verwandten in der Stadt Nazareth, die Geburt eines Sohnes verkündete. Deshalb legte man den Termin der Geburt des Johannes auf den 24. Juni fest, 6 Monate vor der Geburt Jesu. In dem Abschnitt, den wir als Schriftlesung hörten, war Johannes also noch nicht geboren. Es begegneten sich zwei schwangere Frauen.

Ganz unterschiedliche Lebenswege waren sie bislang gegangen:

Elisabeth: schon lange verheiratet und so viele Jahre kinderlos, bespöttelt, über die Schulter angesehen, einsam in der Traurigkeit und Verzweiflung über dieses Schicksal. Und dann hat Gott ihr geschenkt, worauf sie schon nicht mehr zu hoffen wagte: Im Alter erwartet sie ein Kind.

Maria: gerade mal verlobt und - zu ihrer größten Überraschung - schwanger, verließ erst einmal Nazareth und besuchte für drei Monate, also bis zur Geburt des Johannes, ihre ältere Verwandte Elisabeth. Von diesen drei gemeinsamen Monaten der beiden schwangeren Frauen ist uns aber nur die erste Begegnung berichtet, die Begrüßung. Und die hat es in sich: Elisabeth wird vom Heiligen Geist erfüllt, und sie gibt ihrem Gast, Maria, Anteil, an dem, was sie erlebt: Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe.

Die Kantate des uns namentlich nicht bekannten Komponisten geht in ihrem zentralen 3. Teil, im Rezitativ, auf die als Schriftlesung gehörte Erzählung der Begegnung von Maria und Elisabeth ein. Es handelt sich um einen Kantate zum Johannisfest. Erstaunlich ist darum, daß Johannes in dieser Erzählung noch gar nicht geboren ist. Aber schon im Mutterleib, 3 Monate vor seiner Geburt, stimmt er ein in das Lob seinen Herrn. In der Kantate haben wir das so gehört: Johannes selbst, der noch verborgen lebt, empfängt den Herrn mit frohem Springen.

Wir schön diese Formulierung für ein noch nicht geborenes Kind: der noch verborgen lebt.

Wie schön auch die Deutung Elisabeths für die offenbar heftige Bewegung ihres Kindes in dem Moment, als Maria sie begrüßte: In der Bibel heißt es: da hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Die Kantate nennt das „mit frohem Springen“.

Der Kantate geht es von Anfang bis Ende um ein freudiges, fröhliches Gotteslob.

Drei Namen werden genannt von Menschen, die genau dies tun, wozu der Titel der Kantate, bzw. die erste Zeile des Chorals aufrufen: Lobt ihn mit Herz und Munde! Es sind dies: Johannes, Elisabeth und Maria.

Zwei Frauen treffen sich und stimmen in das Lob Gottes ein.

Aber der erste, der den Herrn, wenn auch natürlich noch nicht mit seiner Stimme, so doch mit frohem Springen lobt, ist der noch im Mutterleib verborgen lebende Johannes.

Das ist eine besondere Erkenntnis zum Johannistag: Johannes, der Bußprediger in der Wüste, der mit barschen, schroffen Worten zur Umkehr rief, Johannes, der Jesus taufte, Johannes, dessen kritische Worte gegen die Herrschenden ihn schließlich – im wahrsten Sinne des Wortes – seinen Kopf kosteten, der begann schon vor seiner Geburt damit, Jesus, seinen Herrn, der ja auch noch nicht geboren war, mit frohem Springen oder Hüpfen zu loben und zu rühmen. So weist der noch verborgene Johannes seine Mutter Elisabeth auf den ebenfalls noch verborgenen Jesus hin, als Maria in ihr Haus tritt und sie begrüßt.

Elisabeth erkennt den Heiland aller Welt, ihr Jauchzen wird Maria beigesellt.

Und dann ist das Magnificat beschrieben, der Lobgesang der Maria, den wir als Psalmgebet gesprochen haben: Maria will von Recht und Gnade singen, was Gott an ihr in aller Welt getan.

Besonders treffend formuliert der unbekannte Textdichter, was im Lobgesang der Maria zusammentrifft: Recht und Gnade. Ja, beides gehört zusammen. Gnade ist in Gottes Handeln nicht losgelöst vom Recht. Gottes Gnade macht das Recht nicht zunichte. Recht und Gnade, Macht und Gütigkeit: für Maria ist deutlich, daß sich in Gottes Handeln dies nicht widerspricht.

Die ganze Kantate singt vom Gotteslob mit Herz und Mund, davon, den Höchsten zu preisen und zu rühmen, sich in Gott zu freuen und in Gott fröhlich zu sein.

Am Ende des Rezitativs singt die Baßstimme:

O wohl, wo Herz und Mund also in Freuden schwimmen
und in des Höchsten Ruhm vergnügt zusammen stimmen.

Wie gut, daß die Kantorei uns mit Herz und Mund hineinnimmt in dieses fröhliche Gotteslob.

Denn statt in dieser Freude am Gotteslob zu schwimmen, wie es da heißt, empfinde ich uns oft viel eher auf dem Trockenen, was das Loben angeht. Die überschwängliche Freude über Gott, die aus der Kantate klingt, kommt uns doch nur selten über die Lippen. Viel mehr sind wir von Sorgen und Ängsten bestimmt, die eher in Klagelieder münden als in Loblieder.

Dabei ist das singende Gotteslob etwas rundherum Heilsames: Im Loben durchbrechen wir das oft ungesunde Kreisen um uns selbst, sehen einmal von uns und unseren eigenen Themen ab, nehmen uns selbst nicht so wichtig. Solch selbstloses, nicht zweckbestimmtes Tun ist so viel wohltuender als das streng zielgerichtete Streben nach dem eigenen Vorteil. Statt sich immer nur um sich selbst zu kümmern, ist das Gotteslob die Pflege einer Beziehung, die über uns hinausweist.

Ja, manchmal habe ich den Eindruck, daß wir in heute dabei sind, das Loben zu verlernen. So vieles spricht dem Lob entgegen in unserer Welt, in unserer Zeit. Bitten bringen wir mit in den Gottesdienst, manchmal auch mehr Klagen als Bitten. Und wenn wir es uns recht überlegen, finden wir auch manchen Grund, Gott dafür zu danken, daß es uns so gut geht. Aber diese Einsicht, wofür wir Gott vielleicht Dank schulden, ist noch einmal etwas ganz anderes als Lob. Lob hat etwas Ungestümes, Unbändiges. Lob rechnet nicht nach, es kommt einfach aus dem Herzen heraus.

Dieses zweckfreie Tun, dieses Jauchzen und Rühmen Gottes, das vertrauensvolle, staunende Lob Gottes, hat sich – so will es mir scheinen – aus unserer Gottesbeziehung verabschiedet, aus unserer nüchtern-protestantischen vielleicht noch einmal mehr.

Die zahlreichen Aufforderung dieser Kantate: Lobt ihn! So preist den Höchsten! Kommt, rühmet! führen uns aus unserem Alltag hinaus in eine Haltung, die der Wirklichkeit Gottes entspricht.

Ein Berliner Theologe, Friedrich-Wilhelm Marquardt, bezeichnet Musik als „konkrete Utopie“. Sie hält die Sehnsucht wach nach dem, was Gott für uns bereithält.

Musik schafft mitten im Alltag Loberäume Gottes, Räume, in denen die Sehnsucht schon an ihr Ziel gekommen ist und das Lob Gottes schon erklingen kann, obwohl es sich uns immer wieder entzieht.

Aber ein Wehrmutstropfen ist in dieser überschwänglichen Kantate dann doch auch zu finden, erst in der zweitletzten Textzeile. Ich frage mich, wie es einer Altistin wohl ergehen mag, wenn sie diese Zeile singen muß: Welt, bei deinen grünen Maien klebt verbot'ner Sündenwust.

Ziemlich unvermittelt kommt diese drastische Formulierung, und ich kann mir nicht genau vorstellen, was der unbekannte Dichter bei diesen altertümlich klingenden Worten konkret vor Augen gehabt haben mag. Immerhin darf die Altstimme abschließend wieder in den ersten schönen Satz vom Vor(ge)schmack einstimmen und muß nicht mit dem Sündenwust enden.

Auffallend finde ich die Gewichtung: nur eine von 27 Textzeilen der Kantate weist auf das Negative, Schuldhafte, das an unserer Welt, so wie wir sie gestalten und gefährden und verwüsten, in der Tat klebt.

Die kurze Arie des Alts weist uns darauf hin, daß alle Freude, die so ausgiebig in das Lob Gottes mündet, nur ein Vor(ge)schmack dessen ist, was uns in Gottes Welt dermaleinst erwartet.

Vielleicht wäre die Kantate gar zu abgehoben, zu unrealistisch, wenn diese Andeutung des Schuldhaften fehlen würde. Ich möchte aber von dieser Kantate mitnehmen, nicht erst einmal ausführlich alles Belastende zu nennen – da würden mir viele Worte, viele Zeilen einfallen – sondern das eindeutige Gewicht auf das Lob Gottes zu legen. Diese Kantate zum Johannistag erinnert uns daran, daß der warnende Bußprediger Johannes, der ganz deutlich das Böse in dieser Welt ansprach und sehr konkret die Verfehlungen seiner Zuhörer anprangerte, zunächst einmal – schon im Mutterleib, als er noch verborgen lebte – mit frohem Springen in das Gotteslob einstimmte.

Wie gut, daß wir heute in diesem Kantatengottesdienst singend zu diesem Lob Gottes geführt werden. Wir feiern gemeinsam diesen Gottesdienst des singenden Gotteslobes, um auch in unserem Alltag dem die erste Stelle einzuräumen, dem sie gebührt. Amen.

Pfarrerin Silke Alves-Christe

 

 

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