Dreikönigsgemeinde

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Sommerkirche 2016 - Fenster zum Glauben

Was wir tun


Liebe Gemeinde,

die Geschichte dieser 5 Fensterbilder fängt gleich zweimal an.

Erster Anfang

Es ist das Jahr 1529; die Reformation hat sich in Deutschland in nur gut 12 Jahren ausgebreitet. Weite Landstriche im Reich nennen sich jetzt „evangelisch“. Das landesherrliche Kirchenregiment sorgt dafür.Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Der Landesherr bestimmt die Religion seiner Untertanen.

Was einem dabei heute verwegen vorkommt, war damals schon ein ungedeckter Scheck. Wie sollten denn die Menschen in den Städten und den Dörfern auf einmal evangelisch werden? Wie sollten sie die Bibel lesen? Sie konnten doch kaum lesen und schreiben. Luther, Melanchthon und viele andere der Reformatoren gingen damals zu Besuchen in die Landgemeinden, das System der „Visitation“ wurde eingeführt. Und was Luther bei diesen Besuchen sah, das erschreckte ihn zutiefst. Er beschreibt es in der Vorrede zum Kleinen Katechismus:

Hilf, lieber Gott, wie viel Jammer habe ich da gesehen! Der ungelehrte Mann weiß doch gar nichts von der christlichen Lehre, besonders auf den Dörfern, und viele Pfarrer sind sehr ungeschickt und untüchtig zu lehren. Und doch wollen sie alle Christen sein, getauft sein und die heiligen Sakramente genießen, obwohl sie weder das Vaterunser noch das Glaubensbekenntnis oder die Zehn Gebote kennen, sondern sie leben dahin wie das liebe Vieh und wie unvernünftige Säue. Und jetzt, wo das Evangelium hingekommen ist, da haben sie fein gelernt, alle Freiheit meisterhaft zu missbrauchen! (Vorrede zum Kleinen Katechismus)

Aus dieser Not heraus bündelt er das Fundament seines Glaubens in ein kleines Buch, so dass es junge Menschen erst einmal auswendig lernen sollen.

Und Luther bedrängt die Pfarrer in den Orten:

Wenn sie den Text gut können, so lehre sie danach auch den Sinn, dass sie wissen, was es bedeutet.

Das hat die Form des späteren Konfirmandenunterrichts über Jahre geprägt.

 

Zweiter Anfang

Am 26. März 1945 hat die deutsche Wehrmacht, um den Vormarsch der Alliierten zu bremsen, die beiden Bögen der Alten Brücke gesprengt. (Das war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr die mittelalterliche Brücke, sondern die 1926 errichtete neue alte Brücke.) Durch die Druckwelle der Detonation gingen die Fenster der benachbarten Dreikönigskirche zu Bruch, die bis dahin wunderbarerweise fast unbeschädigt geblieben war.

Im Jahr 1956 wurde der in der Nazizeit verfemte expressionistische Künstler Charles Crodel beauftragt, neue Fenster für die Dreikönigskirche zu gestalten. „Der düstere Hintergrund, aus dem die Glaubenszeugnisse hervorleuchten, spiegelt seine Kriegserfahrungen und schlimmen Erniedrigungen in der Nazizeit.“

Er wählt neben der Geschichte der Drei Könige in den Seitenfenstern und vieler anderer spielerischer Motive für die fünf Chorfenster die Themen des Kleinen Katechismus Martin Luthers aus. Von links nach rechts sind dies: die zehn Gebote, die Taufe, das Glaubensbekenntnis, das Abendmahl sowie das Vaterunser.

Diese Motive wurde von Crodel ausgewählt, weil sich die Dreikönigsgemeinde als erste Frankfurter Gemeinde zu der lutherischen Reformation bekannte und weil sie im Jahr 1934 zudem die erste Gemeinde in Frankfurt war, die sich der „Bekennenden Kirche“ anschloss.

Und wir schauen jetzt auf das erste Bild der Reihe. Die Zehn Gebote – sind gar nicht zu sehen. Die beiden Tafeln oben schimmern in vielen Stücken. Keine in Stein gemeißelte „Ten commandments“, sondern Leben in vielen Farben zeigt sich da. Und was besonders auffällt – Crodel hat zwei Geschichten in diesem Bild miteinander verwoben, die in der biblischen Erzählung um einige Zeit auseinander liegen. Das Band, das sich kurvenreich den Weg von vorn nach hinten bahnt, ist der Weg, den Mose zu gehen hat.

Und dieser Weg führt ihn, bevor er zu den Gebotstafeln der Tora kommt, zum brennenden Dornbusch.

Und diese Dornbusch-Geschichte ist wiederum eine doppelte Geschichte: Mose wird berufen, von der Schafherde, die er weidet, weg, um sein Volk, das er in Ägypten zurück gelassen hat, in die Freiheit zu führen. Die Geschichte ist Berufung. Das ist das eine. Und als er nachfragt, wer es denn ist, der ihm diesen abenteuerlichen Auftrag gibt, stellt sich Gott ihm vor. Das ist das andere. Der Gottesname, unseren jüdischen Geschwistern zu heilig, um ihn auszusprechen, mit den vier Buchstaben JHWH wird genannt. Der Name ist Programm. Ich bin der, der ich bin. Ich bin für dich da.

Drei Aspekte die das Bild von Charles Crodel auf die uns so bekannten 10 Gebote wirft, möchte ich kurz ausführen und dann hören wir die 10 Gebote noch einmal.

1. Crodel trägt in seinem Bild Geschichte ein.

Luther wollte es mit seinem Kleinen Katechismus knackig und prägnant machen und er hat in der Textform der 10 Gebote weggelassen, was ihm nicht relevant schien; und so heißt das erste Gebot bei ihm:

„Du sollst nicht ander Götter haben.“

Und dann folgt schon seine berühmt-schöne Erklärung dazu:

„Was ist das? Antwort. Wir sollen Gott über alle Ding fürchten, lieben und vertrauen.“

Damit trägt Luther ein, was ihn ausmacht: Ein respekt- und vertrauensvolles Verhältnis des Menschen zu Gott; Gottes zu den Menschen. Nicht kumpelhaft, nicht unterwürfig, sondern gerechtfertigt. Das ist wunderbar, aber es fehlt etwas.

In seiner eigenen Bibelübersetzung heißt dieser Vers ja:

Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

„... der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe“ – Crodel trägt mit seiner Einfügung der Dornbuschgeschichte, mit den ausgezogenen Schuhen auf dem Heiligen Land, mit dem Weg, den Mose erst noch zu gehen hat, die Geschichte Israels ein, ohne die es die 10 Gebote nicht geben würde. Die 10 Gebote sind nicht die Magna Charta der allgemeinen Rechtsgeschichte. Es sind doch die Bundestafeln des Gottesvolks! Und das zeichnet Crodel ein; 11 Jahre nach der Shoa von Ausschwitz. Das ist das Erste.

2. Crodel trägt in seinem Bild Begegnung ein.

Finden Sie nicht auch, dass dieser Mose geradewegs an uns vorbei geht? Ganz unten im Fenster. Sein Weg führt zum Dornbusch; die Schuhe hat er schon ausgezogen. Sein Weg führt ihn weiter zum Sinai, zu den 10 Geboten. Aber entscheidend ist: Mose nimmt uns – die Gemeinde der Dreikönigsgemeinde – uns, unverdient Dazugekommene der Heilsgeschichte Gottes mit auf den Weg.Im Jahr 1968, 12 Jahre nach der Gestaltung der Fenster hat Charles Crodel in einem Interview zu den Fenstern der Dreikönigskirche Auskunft gegeben und sagte dort:

“Vor 10 Jahren etwa in den Fenstern der 3 Königskirche habe ich das Thema „Ich und der andere“ oder „Du und der Andere“ in einigen Variationen durchexerziert. Der Andere, der aber auch das Gestirn, der Engel, der Gott sein kann bzw. ist.“

Ich finde das auch hier: Crodel trägt in seinem Bild Begegnung ein. Vielleicht greift das zurück auf Martin Buber, es geht um Begegnung, das Ich wird erst im Du des Anderen; es geht nicht um zeitlose Wahrheiten, sondern um die Beziehung meines Lebens.

Der dritte Aspekt für heute:

3. Crodel trägt in seinem Bild Freiheit ein.

Ich habe es schon gesagt: Die 10 Gebote sind nicht zu sehen. Das gibt es vielfach, dass mit den zehn römischen oder hebräischen Zahlen in der Kunstgeschichte die 10 Gebote angedeutet werden. Crodel reichen die 2 Tafeln, die bestehen aus vielen Glasstücken mit unterschiedlichen Farben. Und die Freiheit der Darstellung, die sich Crodel hier erlaubt, ist genau das Thema der 10 Gebote.

Die zehn Gebote sind als Rechtstexte nicht direkt zu gebrauchen. Rechtstexte legen fest, wann eine Tat ein Strafbestand ist und was das Strafmaß ist, wenn dieser Bestand erfüllt ist. Solche Rechtstexte gibt es auch im biblischen Gesetzeswerk, in den Heiligkeitsgesetzen, im Bundesbuch. Die zehn Gebote sind eher Richtung als Recht, sie geben wie eine Präambel an, wozu das Recht denn führen soll, die zehn Gebote füllen zwei Tafeln, nicht hunderte von Seiten.

Jesus hat sich ja erlaubt, die zehn Gebote noch einmal zu kürzen auf das Doppelgebot der Liebe, wir haben das in der Lesung gehört. Und der Kirchenvater Augustin hatte die liebenswerte Frechheit selbst diese Worte nochmal einzukochen und auf die Formel zu bringen: „Liebe und tu was du willst“.

Der Alttestamentler Frank Crüsemann hat sein Buch über die 10 Gebote überschrieben mit: „Bewahrung der Freiheit“. Dafür sind diese Worte da, unser Leben in der Freiheit zu halten. Und ich finde das eine gute Hilfe diese Worte zu verstehen. Sie engen unser Leben nicht ein, sondern sind der Ausweg aus der Sackgasse. Diese Worte sind Bewahrung der Freiheit. Die Freigelassenen sollen frei bleiben.

Dazu dienen die ersten Gebote, die unser Verhältnis zu Gott betreffen:

Kein anderer Gott als, der der Freiheit schenkt. Dieser Gott hat kein Abbild vor dem man niederzuknien hat, keinen Namen, den man zu beschwören hat; sondern dieser Gott ist ein freier Gott und er will freie Söhne und Töchter als Gegenüber.

Dass am Sabbat – und für uns am Sonntag – die Arbeit ruht, ist keine Bosheit gegenüber dem Einzelhandelsverband, sondern die Bewahrung der Freiheit vor dem ökonomischen Diktat.

Wie die Gebote, die das Leben schützen, im Blick auf Kriege und den Schutz der ganzen Schöpfung gelten, ist eine Herausforderung heute!

Und die beiden letzten Gebote, die das Begehren betreffen, zeigen nocheinmal an, dass es bei den 10 Geboten, nicht um Recht, sondern Richtung geht. Wie kann ein Gebot meine Gedanken bestimmen, die sind doch frei! Aber in ihrer Freiheit können sie mich auch verrückt machen und neidisch und ungenießbar. Gerade diese letzten Gebote lehren mich, mein Leben in Freiheit – so wie es ist, als Geschenk zu genießen.

 

Wir hören auf die 10 Gebote – in aus der Übersetzung „Hoffnung für alle“

 1 Dann redete Gott. Er sprach: 2 "Ich bin der Herr, dein Gott; ich habe dich aus der Sklaverei in Ägypten befreit. 3 Du sollst außer mir keine anderen Götter verehren!

4 Fertige dir keine Götzenstatue an, auch kein Abbild von irgendetwas am Himmel, auf der Erde oder im Meer. 5 Wirf dich nicht vor solchen Götterfiguren nieder, bring ihnen keine Opfer dar! Denn ich bin der Herr, dein Gott. Ich dulde keinen neben mir! ...

7 Du sollst meinen Namen nicht missbrauchen, denn ich bin der Herr, dein Gott! Ich lasse keinen ungestraft, der das tut!

8 Achte den Sabbat als einen Tag, der mir allein geweiht ist! 9 Sechs Tage sollst du deine Arbeit verrichten, 10 aber der siebte Tag ist ein Ruhetag, der mir, dem Herrn, deinem Gott, gehört. ...

12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, dann wirst du lange in dem Land leben, das ich, der Herr, dein Gott, dir gebe.

13 Du sollst nicht töten!

14 Du sollst nicht die Ehe brechen!

15 Du sollst nicht stehlen!

16 Sag nichts Unwahres über deinen Mitmenschen!

17 Begehre nicht, was deinem Mitmenschen gehört: weder sein Haus noch seine Frau, seinen Knecht oder seine Magd, Rinder oder Esel oder irgendetwas anderes, was ihm gehört."

Amen

© Andreas Klein 2016

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