Sommerkirche 2016 - Fenster zum Glauben
Was wir glauben - Glaubensbekenntnisfenster
Predigt im Rahmen der Predigtreihe „Fenster des Glaubens“ zum Mittelfenster des Altarraums der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main, gehalten im Gottesdienst am 12. Sonntag nach Trinitatis, 14.08.2016, von Vikar Sven Behnke.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
im Rahmen unserer Sommer-Predigtreihe wollen wir uns heute dem Mittelfenster des Altarraums zuwenden. „Zuwenden“ ist eigentlich ein unpassender Ausdruck, denn wenden müssen Sie sich nicht: Wer unsere Dreikönigskirche durch den Turmeingang betritt, der läuft über den Mittelgang geradewegs auf dieses Fenster zu. Es ist wohl das Fenster dieser Kirche, das sich am wenigsten übersehen lässt. Man kann sich ihm schwer entziehen, wenn man sich von der Helligkeit des Altarraums angezogen fühlt und dem etwas düsteren Kirchenschiff entfliehen möchte. Es lockt uns von der Kirchenpforte hin zum Altar.
Charles Crodel, der die Fenster unserer Kirche entwarf und sie 1956 hier einbrachte, hatte den Auftrag in den Fenstern des Altarraums die fünf Hauptstücke von Luthers Katechismus abzubilden. Nach der Reihenfolge des Katechismus sind dies die zehn Gebote, der Glaube, das Vaterunser, die Taufe und das Abendmahl. Anders als Luther rückt Crodel aber nicht das Vaterunser, sondern das Glaubensbekenntnis in das Zentrum seiner Betrachtung. Von dieser Mitte aus erschließt sich das Bildprogramm links und rechts des Fensters zum Glaubensbekenntnis, als wolle der Künstler Charles Crodel den Besuchern dieser Kirche und uns als Gemeinde sagen: Im Bekenntnis zum dreieinigen Gott findet ihr eure Mitte, euer Zentrum. Von hier aus erschließt sich Verheißung und Gegenwart Gottes, die wir in Taufe und Abendmahl feiern, sein Wille, der uns in den zehn Geboten überliefert ist und unsere vertrauensvolle Beziehung zu ihm, die sich im Gebet, im Vaterunser, ausdrückt.
Die Botschaft Crodels: Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott, zu Vater, Sohn und Heiligem Geist, soll euch allezeit vor Augen stehen. In ihm findet ihr eure Mitte.
Auch im Ablauf jedes Gottesdienstes rückt das Glaubensbekenntnis in unsere Mitte. So wie eben vor der Taufe sprechen wir es als Gemeinde mit einer Stimme:
„Ich glaube an Gott…“
Der Aufbau des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, dessen Text Sie übrigens auch gern im Gesangbuch unter der Nr. 804 nachschlagen können, lässt sich anhand unseres Kirchenfensters gut nachvollziehen: So wie der Text unseres Glaubensbekenntnisses in drei Teile zerfällt und von Gott zunächst als dem Vater, dann ausführlich als dem Sohn und schließlich als dem Heiligen Geist handelt, so lässt sich auch Crodels Fenster in drei Teile gliedern.
Seine Basis (unten) bildet das Bekenntnis zu Gott als dem Vater. Das Wirken des Vaters gegenüber der Welt ist entscheidend dadurch bestimmt, dass er sie erschaffen hat. Die Einheit und Universalität der Schöpfung deutet Crodel durch die kreisrunde Fläche an, die in vier Elemente zerfällt: Feuer (rot gezeichnet), Wasser (in grünen Wellen), Luft (blau, mit weißen Vögeln am Himmel) und Erde (nicht etwas als Ackerboden/Kulturlandschaft, sondern als Wald gezeichnet).1
Die vier Elemente stehen zum einen für die Vielfalt der Schöpfung, aber auch für die in ihr grundgelegte Ordnung. An ein Steuerrad erinnert mich das weiße Kreuz, das diese vier Elemente untergliedert. Dessen senkrechte Achse steht nicht im Lot, sondern ist etwas schief. Das Rad scheint auf diese Weise in Bewegung – so wie auch Gottes Schöpfung nie stillsteht, sondern von Dynamik gekennzeichnet ist. Doch wer dreht dieses Rad? Das schöperische Wirken Gottes, des Vaters, symbolisiert Crodel durch eine ausgestreckte Hand, die vom rechten Rand in das Bild ragt und dessen Rahmen durchbricht. Sie sieht aus wie eine menschliche Hand. So wie die Hand des töpfernden Gottes von dem die Schöpfungserzählung im ersten Buch Mose berichtet, die Hand Gottes, die einst aus Lehm den ersten Menschen formte und ihm den Lebensodem verlieh. Diese Hand, die schaffen und zupacken kann, die heilen, trösten und segnen kann, sie ist der Schöpfung ganz nahe und hält sie in Bewegung. Sie kann Neues schaffen und gibt alles, was not tut für Leib und Leben. Gott bleibt als gütiger Vater seiner Schöpfung zugewandt, er erhält sie und verspricht:
„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.” (Gen 8,22)
Weise geordnet hat Gott nicht nur die ganze Erde in ihrem ewig währenden Lauf, sondern auch den Kosmos: Sonne und Mond sowie kreisrunde Planeten deutet Crodel unterhalb des Erdkreises an. Gottes schöpferisches und Ordnung stiftendes Handeln weist über unseren Erdkreis hinaus. Es umfasst den ganzen Kosmos, sichtbare und unsichtbare Welt.
Viel mehr als eine Hand lässt sich von Gott-Vater in Crodels Bild nicht erkennen. Schon der Arm scheint in ein Gewand aus Wolken und Winden gehüllt:
„Licht ist dein Kleid, das du anhast“, heißt es in den Psalmen (Ps 104,2).
Mehr lässt sich vom Allmächtigen nicht erkennen. Gott, der Vater, streckt uns, seiner Schöpfung, die Hand entgegen, aber gänzlich packen und erfassen lässt er sich nicht. Er entzieht sich unserem Wunsch nach vollständigem Erkennen und Durchschauen und bleibt unverfügbar – auch im Bekenntnis.
In Jesus Christus aber ist dieser Gott Mensch geworden, berührbar und angreifbar, verwundbar und sterblich. Das Glaubensbekenntnis beschreibt seinen Weg von der Empfängnis durch den Heiligen Geist und seine Geburt über Leiden, Sterben und Tod bis hin zu seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Der Text nimmt uns hinein in eine Bewegung, die ihren Anfang und ihr Ende im Himmel findet und bis in die Tiefen vom Reich des Todes führt.
Crodel versucht erst gar nicht die einzelnen Stationen von Jesu Weg nachzuzeichnen. Er fasst all das, wofür der Text viele Worte braucht, in einem Symbol zusammen: In einem großen, in goldgelber Farbe strahlenden konstantinischen Kreuz. Dieses konstantinische Kreuz, auch Christus-monogramm genannt, sieht aus wie ein P und ein darüber gelagertes umgefallenes X. Es sind die zwei griechischen Buchstaben Chi (Χ) und Rho (Ρ), die den Anfang des Namens „Christus“ (Χριστός) bezeichnen. Mit dem Christus-Titel scheint das Wesentliche über Jesus gesagt.
Jesus ist der Christus, der Messias, der vom Vater gesandte Retter der Welt. Von ihm geht ein strahlendes Licht aus, das sich deutlich vom dunklen Hintergrund abhebt. Es ist das warme, goldgelbe Licht der Morgensonne, die die Finsternis der Nacht vertreibt, wenn sie jeden Tag aufs Neue im Osten (hinter unserem Fenster) aufgeht. So wie die Sonne die Nacht vertreibt, hat Jesus Christus dem Tod ein Ende bereitet und das Licht des Lebens in die Welt gebracht. Das gelbfarbene Band dieses Lichtes legt sich um den Erdenkreis wie ein schützender Mantel. Dieses für Jesus Christus stehende Gelb taucht ein in die Schöpfung und es findet sich wieder in der Farbe des Kelches im Abendmahlsfenster. In diesem Kelch gibt Christus sich selbst.
Schließlich hat Crodel noch den Heiligen Geist abgebildet. Als überdimensionale weiße Taube findet er sich in der obersten Hälfte des Fensters dargestellt. Im Sturzflug scheint er geradewegs auf Christus und die Schöpfung zuzusteuern und in beiden ihr Ziel zu suchen. Weltzugewandt und stark erscheint er, Gottes Geist.
Vater, Sohn und Heiliger Geist – Crodel hat sie ins Bild gesetzt und setzt dabei Akzente: Die Welt nimmt als Gottes Schöpfung breiten Raum in seinem Werk ein, aber sie bleibt im Gegenüber zu Gott. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ihr als Schöpfer und Erhalter, als Retter und Erlöser, als Kraft und Stärke zugewandt, aber sie fallen nicht in eins mit ihr.
Crodel lehrt uns die Grenzen des Bekenntnisses wahrzunehmen und gewahr zu werden, dass sich unser Glaube an den dreieinigen Gott nicht innerhalb eines Rahmens unterbringen lässt. Das Bild vom Glaubensbekenntnis bleibt Fragment, denn zwei entscheidende Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses hat Crodel nicht abgebildet. Es sind die ersten beiden:
„Ich glaube…“
Dieses „Ich glaube“ will nicht gemalt, sondern will gesagt sein. Es lässt sich nicht zweidimensional abbilden, sondern nur im dreidimensionalen Raum erfassen. Dies geschieht, wenn wir Gottesdienst feiern: Dann ist diese Kirche der Raum, in dem jeder, der „Ich glaube“ sagt, sich zu Vater, Sohn und Heiligem Geist in Beziehung setzt.
Seinen Glauben zu bekennen, bedeutet Position zu beziehen und eine Haltung einzunehmen.
„Ihr braucht dieses Bekenntnis in eurer Mitte, vor euren Augen!“, dachte sich wohl Crodel als er das Bildprogramm für diese Kirche entwarf.
Crodel, der – als Kind deutscher Eltern in Marseille aufgewachsen – selbst zwei Weltkriege miterlebte, wusste um die Irrwege von Christinnen und Christen, die das Glaubensbekenntnis mit einem politischen Bekenntnis verwechselten. Er wusste um die Schuld einer Kirche, die sich im Dritten Reich in weiten Teilen dem Führerkult unterwarf und christliche Grundüberzeugungen vergaß. Als Crodel die Fenster für diese Kirche entwarf, wusste er aber auch um die Geschichte dieser Dreikönigsgemeinde. In der düsteren Zeit des Nationalsozialismus als viele Gemeinden in Deutschland ihr Heil nicht allein bei Gott, sondern in dieser Welt suchten, schloss sich die Dreikönigsgemeinde 1934 als erste Frankfurter Gemeinde der „Bekennenden Kirche“ an, einer Gruppe innerhalb der Kirche, die in Opposition zu den nationalsozialistisch gesinnten „Deutschen Christen“ trat. In einer Zeit, in der es ein mutiges Bekenntnis brauchte, vertrat der damalige Kirchenvorstand der Dreikönigsgemeinde die Einsicht, dass die Heilige Schrift einzige Quelle für kirchliches Handeln und Jesus Christus allein Herr über die Kirche sei.
Seinen Glauben zu bekennen, bedeutet Position zu beziehen und eine Haltung einzunehmen. Wer sich zum dreieinigen Gott bekennt, der spricht mit den Worten der Tradition nicht allein etwas über Vater, Sohn und Heiligen Geist aus, sondern sagt zu allererst etwas über sich selbst, wenn er mit den Worten „Ich glaube…“ einsetzt.
Wer sich zum dreieinigen Gott bekennt, der weiß, dass er nicht selbst Schöpfer, sondern Geschöpft ist, der weiß, dass er selbst nicht Erlöser, sondern erlösungsbedürftig ist und dass er sich nicht selbst gehört.
Wer sich zum dreieinigen Gott bekennt, der weiß, dass er sich Schuld nicht selbst vergeben kann, ebensowenig wie er in sich selbst oder anderen Menschen das Heil finden kann.
Diese Einsichten bewahren vor Selbstüberschätzung und Hybris und lassen aufmerksam werden, wo gefährliche Ideologien Raum für sich beanspruchen.
Menschliches Bekennen bleibt stets an eine konkrete Zeit und einen konkreten Ort gebunden. Es vollzieht sich niemals jenseits der Geschichte. Es hat seinen Platz immer außerhalb eines gemalten Rahmens. Es ruft immer wieder nach Aktualisierung in der Gegenwart.
Das Bekenntnis zu Gott als dem Grund und Ziel unseres Daseins hilft uns eine Haltung einzunehmen, in der wir den Herausforderungen von heute frohen Mutes begegnen können. Es ist gut, dass wir dieses Bekenntnis in unserer Mitte vor Augen haben!
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Gemeinde: Amen.
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1 Der Teufel steckt manchmal im Detail! – In dem das Element Erde symbolisierenden grünen Wald findet sich ein Eichhörnchen eingezeichnet, das sich nur bei genauem Hinsehen erkennen lässt. Das Eichhörnchen taucht bereits in der Bildsprache des Mittelalters als ein Sinnbild für den Teufel auf. (Vgl. zur Symbolik des Eichhörnchens z.B. Hans Biedermann, Knaurs Lexikon der Symbole. Mit über 100 Abbildungen, München: Droemer Knaur, 1989, s.v.). Flink vermag es die Bäume hoch und hinunter zu klettern und zwischen Himmel und Erde für Unruhe zu sorgen. In Crodels Fenster fällt das Eichhörnchen nicht durch seine rote Farbe auf, sondern hebt sich in seinem Hellgrün kaum von seiner Umgebung ab. Vielleicht lässt sich dieses Detail in Crodels Bildprogramm als Hinweis darauf deuten, dass auch das Diabolische ein Teil von Gottes Schöpfung ist und seinen Platz in der Schöpfungsordnung hat.
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Apostolisches Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde;
und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.