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Klagen

Sommerkirche der Dreikönigsgemeinde
Psalmen - Wege zum Glauben

Predigt zu Psalm 13 - gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 24.06.2018 in der Bergkirche.

Psalm 13

1 Ein Psalm Davids, vorzusingen.
2
 HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?
3
 Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele / und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?
4
 Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott! Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe,
5
 dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden, und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke.
6
 Ich traue aber darauf, dass du so gnädig bist; / mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, dass er so wohl an mir tut.

Liebe Gemeinde!

Stellen Sie sich vor: Sie möchten sich mit einem guten Freund auf einen Kaffee verabreden und etwa wichtiges mit ihm bereden, das ihnen auf der Seele brennt. Sie rufen ihn an und freuen sich, dass Sie einen Termin finden in einem netten Café. Dann sitzen Sie dort bei einem Capuccino und warten auf ihn. Die Zeit vergeht. Eine Stunde. Zwei Stunden. Er ist immer noch nicht da. Ist ihm was dazwischen gekommen? Oder hat er mich vergessen? Am Handy nur die Mailbox. Auf Textnachrichten keine Antwort. Sie fangen an sich zu ärgern. Ihnen war das Gespräch so wichtig. Sie brauchen seinen Rat. „Er war doch sonst immer für mich da? Wo bleibt er nur? Zweieinhalb Stunden? Lohnt es sich noch zu warten? Wie lange denn noch? Oder soll ich gehen?“

So eine Situation kann eine Freundschaft tatsächlich erschüttern. Wenn der Freund mich versetzt hat, einfach vergessen hat, wenn ihm anscheinend anderes wichtiger war als ich und er nicht mal abgesagt hat. Soll ich ihn dann überhaupt noch als einen engen Freund und Ratgeber behalten? Wenn ich ihm scheinbar so wenig bedeute? Das fühlt sich bitter an. Es ist enttäuschend und verletzend.

So ähnliche Gefühle und Gedanken treiben den Beter des 13. Psalmes um. Wie lange? Wie lange noch? Fragt er gleich viermal. Denn seine Situation ist bedrückend. Sorgen belasten ihn. Es sieht düster aus, und er fühlt sich nicht nur dem Tode nahe, nicht nur dem Spott anderer ausgesetzt, die sich über seinen Glauben lustig machen, sondern er fühlt sich auch von Gott verlassen:

„HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen?“

Von Gott verlassen - das tut weh.

Dieser Klagepsalm drückt die ganze Not eines Menschen aus, der sich von Gott verlassen fühlt. Aber – und das ist wichtig: es ist ein Klagepsalm. Klagen ist nicht Jammern. Der Beter klagt seine Not Gott. Das ist ein entscheidender Unterschied. Er weiß immer noch, an wen er sich wenden muss.

Wer jammert, der will Mitleid. Der will Bestätigung durch andere. Aber er will keine Veränderung. Wer jammert, steigert sich vielleicht in seine missliche Situation noch hinein, er genießt vielleicht sogar das Mitleid, das ihm entgegengebracht wird. Aber er rechnet wirklich nicht mit einer Veränderung.

Klagen ist etwas anderes. Wer klagt, der will etwas loswerden. Der sehnt sich nach Veränderung. Wer klagt, kann genau benennen, was ihn belastet und wo der Schuh drückt. Und er ist von der Hoffnung getragen, dass die Situation sich ändern kann.

Der Wartende im Café klagt seinem Freund, dass er schon  so lange wartet. Er schick eine Textnachricht und noch eine und noch eine: „Wie lange soll ich hier noch warten?“ „Warum kommst du nicht?“ „Melde dich doch!“

So auch der Beter dieses Psalmes:

„Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?“ 

Der Beter lässt nicht locker.

Wer ist dieser Feind, von dem hier die Rede ist? Wir können uns vorstellen, dass es Menschen sind, die genau wissen, dass der verzweifelte Beter ein gläubiger Mensch ist, einer, der auf Gott vertraut; und dass sie jetzt triumphieren und sagen (vielleicht nicht einmal mit Worten, es reichen oft schon Blicke): „Na, wo ist denn nun dein Gott? Ich habs ja gleich gewusst, dass es keinen Sinn hat, an Gott zu glauben. Dein Glaube nützt dir gar nichts.

Der Beter des Psalmes spürt, dass er nicht nur von Gott verlassen ist, sondern er hat auch Angst davor, dass am Ende die Gottverlassenheit das letzte Wort behält und die Spötter recht behalten könnten.

Ist es eine Krankheit, die ihm zu schaffen macht? Wir können es nur ahnen. Auf jeden Fall weiß der Beter: Wenn ich sterbe, ohne dass Gott mir hilft, dann ist alles aus. Dann haben die Spötter recht behalten. Dann war alles umsonst.

Ich glaube, jeder kennt solche Gedanken, die dem Zweifel Raum geben, wenn man nur noch seine Not vor Augen hat und nicht versteht, warum man das alles ertragen muss.

Anfechtung und Zweifel sind aber nichts, wofür man sich schämen müsste. Anfechtung und Zweifel sind nichts, was man verurteilen oder kritisieren sollte. Nein, Anfechtung und Zweifel können sogar etwas Gutes sein:

„Meine lieben Geschwister im Glauben, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallt,“ heißt es im Jakobusbrief (Jak. 1,2).

Denn dahinter steckt die Erfahrung, dass der Glaube aus solchen Krisen oft gestärkt hervorgeht, gereift und sensibler und tiefer werden kann.

Anfechtung und Zweifel sind geradezu ein Kennzeichen des Glaubens. Wenn jemand niemals Zweifel hat, ob ihm sein Glaube wirklich wichtig ist? Ob er wirklich sein ganzes Leben an Gott ausgerichtet und ihm anvertraut hat?

Auf Gott zu vertrauen, ihm sein Leben anzuvertrauen, erfordert Mut. Auf eine Beziehung sich einzulassen ist immer ein Wagnis. Auch die  Beziehung zu Gott kann einmal in eine Krise geraten, wie wir hier in dem Psalm sehen.

Aber wer diese Herausforderung annimmt und an dem Vertrauen zu Gott festhält, der wird gestärkt werden und am Ende noch näher zu Gott finden. Diese Erfahrung haben unzählige gläubige Menschen gemacht. Wie schön, dass wir mit diesem 13. Psalm hierfür ein Vorbild haben, dass uns zum Beten ermutigt!

Der Beter klagt Gott seine Not. Er bittet ihn um Erhörung seiner Anliegen:

„Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott!“

Genau so dürfen wir beten liebe Gemeinde! Ganz gleich, was es ist, das uns zu schaffen macht.

Doch damit ist das Gebet nicht zu Ende. Es kommt nun noch ein ganz wichtiges Wort; im Hebräischen ist es nur ein einziger Buchstabe. Dieses Wort heißt: „aber“.

Aber- das ist ein Wort des Widerspruchs. Und dieser ist erlaubt, auch im Gespräch mit Gott!

„Ich aber traue darauf, dass du so gnädig bist…“

Ein geradezu trotziges Vertrauen wird der Klage entgegengesetzt. Auch wenn ich mir von dir verlassen vorkomme, so gebe ich nicht auf. Auch wenn ich so lange und bisher vergeblich gewartet habe, bin ich mit dir noch lange nicht fertig!

In diesem Moment schlägt auch die Stimmung um. Aus Klage wird Zuversicht und Hoffnung. Aus einer traurigen Stimmung wird ein fröhlicher Lobpreis. Was ist geschehen? Hat sich die Situation in dem Moment geändert?

Wohl eher nicht. Aber in seinem Inneren, da hat sich etwas getan. Der Beter erinnert sich an Erfahrungen und Erlebnisse, in denen ihm Gott geholfen hat. In denen er Hilfe, Zuspruch, Heilung, Rettung, Erlösung von was auch immer gefunden hat. Und diese Erinnerungen haben seine Zuversicht neu geweckt: Gott wird mich auch jetzt nicht im Stich lassen.

Wir müssen einfach vielmehr Gott danken und ihn loben, dann bleibt ihm gar nichts anderes mehr übrig, als uns mit seiner Gnade immer wieder neu zu beschenken. Und:  vergessen wir nicht, welche Erfahrungen mit Gott uns bisher getragen haben.

Martin Buber übersetzt diesen Vers übrigens so:

„Ich aber, an deiner Huld sichre ich mich, mein Herz wird jauchzen um dein Befreien. – Singen will ich IHM, denn er hat es mir reifen lassen.“

Das hebräische Wort „gml“ (Gutes tun) trägt in sich tatsächlich die Bedeutung „heranwachsen“.

„Er hat es mir reifen lassen.“ Wie wertvoll sind solche Erfahrungen der Not und des Zweifels und der Anfechtung, wenn ich sie Gott klage; wenn ich sie mit Gott teile und dabei einfach nicht locker lasse im Zutrauen zu ihm, dass er mich trotz allem nicht verlässt und meine Not wenden kann!

Gott erhört Gebete. Nicht immer so wie erhofft oder erwartet. Aber er hört und handelt. Wer so betet wie der Beter des 13. Psalmes, der wird immer wieder diese frohmachende und befreiende Erfahrung machen, die zum Lobpreis animiert und Freude freisetzen kann.

„Ich aber, an deiner Huld sichre ich mich, mein Herz wird jauchzen um dein Befreien. – Singen will ich IHM, denn er hat es mir reifen lassen.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

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