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Träumen erlaubt

Predigt über Apg. 12,1-11 am 16. Sonntag nach Trinitatis, gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 16.09.2018 in der Dreikönigskirche.

1 Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln.
2
 Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.
3
 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen. Es waren aber eben die Tage der Ungesäuerten Brote.
4
 Als er ihn nun ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Abteilungen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte, ihn nach dem Passafest vor das Volk zu stellen.
5
 So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
6
 Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis.
7
 Und siehe, der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.
8
 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir!
9
 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen.
10
 Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Gasse weiter, und alsbald verließ ihn der Engel.
11
 Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.

Träumen erlaubt, liebe Gemeinde!

Das zeigt uns diese Geschichte sehr klar. Petrus ist gefangen. Gefesselt und bewacht wie in einem Hochsicherheitsgefängnis. Da gibt es kein Entkommen, nicht für den Köper und nicht für den Geist. Gebunden und gut bewacht. Petrus hat keine Chance. Es ist entschieden, und keine Planänderung ist abzusehen. Die Wirklichkeit ist, wie sie ist.  Petrus weiß, es gibt kein Entkommen aus dieser Realität. Er hat sich damit abgefunden. Im dunklen Kerker, gefesselt, ist er in einen tiefen Schlaf gefallen.

Petrus ist so gefesselt - nicht nur äußerlich, sondern auch in seinen Gedanken - dass er gar nicht merkt, wie sich seine Situation öffnet. Dass da ein Licht ist, das nimmt er nicht wahr. Dass es hell wird, das sieht er nicht. Denn Petrus schläft. Die Dunkelheit in ihm und um ihn herum ist zu groß, als dass ein Licht sie durchdringen könnte. Das Licht, das in seinem Kerker aufleuchtet, meint er nur im Traum zu sehen.

Wie gut, dass ihm jemand in die Seite stößt! Der Engel, der Petrus weckt, stößt ihn ordentlich in die Seite. Das braucht es manchmal, um aus seiner Erstarrung herauszufinden.

Der Engel stößt Petrus in die Seite, weckt ihn und spricht:

„Steh eilends auf!“

Da fallen ihm die Ketten von den Händen. Der Engel sagt zu ihm:

„Gürte dich und binde deine Sandalen.“

Er tut es, immer noch wie im Traum.  Und er sagt zu ihm:

„Leg dir den Mantel um und folge mir!“

Wie gut, dass es Engel gibt, die nicht nur himmlische Weisen singen, sondern ganz konkret und praktisch helfen, ohne jegliche Sentimentalitäten. Aufstehen, anziehen, Sandalen zubinden und mitkommen. Ganz einfache Arbeitsanweisungen. Die braucht es manchmal, wenn man selber nicht weiß, was man tun soll, wenn man sich wie gelähmt vorkommt.  

Petrus stellt keine Fragen; er erschrickt auch nicht, gerät nicht in Ekstase, schäumt auch nicht über vor Glück. Im Gegenteil: Er meint immer noch, er träume. Und trotzdem befolgt er alle Befehle dieser Engelserscheinung. Petrus tut einfach, was man ihm sagt. Traumwandlerisch geht er hinter dem Engel hinterher, hinaus in die nächtlichen Gassen von Jerusalem.

Erst, als der Engel wieder fort ist, da besinnt Petrus sich. Er kommt zu sich in dem Moment, als er allein dasteht, mitten in der Nacht, mitten in Jerusalem. Ohne Fesseln und Ketten, ohne Bewacher und auf sich gestellt.

Petrus kommt zu sich. Er ist in einer veränderten Wirklichkeit. Es ist nicht alles anders. Vieles ist noch wie zuvor: Die verwinkelten Gassen der nächtlichen Stadt, die er so oft gegangen ist, sie sind immer noch so wie vorher. Manchmal in Dunkel getaucht. Manchmal im hellen Sonnenlicht strahlend.

Alles wie immer: Jerusalem ist immer noch Jerusalem. Die Stadt Gottes, umkämpft und Spannungsreich und faszinierend.

Die Römer sind immer noch die Römer. Herodes regiert unbarmherzig und mit harter Hand. Die Machtverhältnisse sind immer noch die gleichen. Die Starken sind immer noch stark und die Schwachen schwach.

Aber dennoch ist etwas anders: Petrus ist frei. Er hat das Gefängnis hinter sich gelassen. Seine Fesseln sind gefallen. Er ist aufgewacht und geht los. Er geht hinein in die Freiheit. Er besinnt sich auf sich selbst. Auf das, was genau jetzt wichtig ist.

Petrus ist aus seinem scheinbaren Traum aufgewacht. Und so geht er nun neu in sein altes Leben.

Diese Geschichte von der Befreiung des Petrus, liebe Gemeinde, ist eine Geschichte über den Glauben. Glaube bedeutet Freiheit. Die Freiheit, sich nicht einfach mit dem Gegebenen abzufinden. Glauben bedeutet, Fesseln abzulegen, die mich binden. Fesseln  von Ängsten und Selbstzweifeln, von Skepsis und Resignation.

Aber gibt es diese Freiheit überhaupt? Lassen sich die Ketten der Realität überhaupt sprengen? Die Fesseln des Alltags nehmen einen nun mal gefangen, da kann man doch gar nichts machen. Die Sorgen um die Kinder, der Ärger im Job, der Stress mit dem Partner, die Trauer um einen lieben Menschen. Wo soll denn da Freiheit herkommen?

Genau da hinein schickt Gott seinen Engel. Kein schwebendes Wesen, singend und sphärisch, sondern eine handfeste Gestalt der klaren Worte. Nicht zu viele, nicht zu wenige. Was gesagt werden muss, wird gesagt, was getan werden muss, getan.

So einen Engel der klaren Worte braucht es wohl manchmal. Einer, der einen anstößt und wachrüttelt. Wenn man das Licht nicht mehr sehen kann. Eine, die einem sagt, dass da doch mehr ist, hinter den Mauern. Dass da eine Freiheit wartet inmitten dessen, was trotzdem so bleibt, wie es ist.

Wer sich von einem solchen Engel an die Hand nehmen lässt, wer es zulässt, dass das möglich ist, dass hinter den Mauern meiner Ängste und Bedenken und den unüberwindlich scheinenden Komplikationen meines Lebens Neues möglich ist, wer also glaubt, dass Gott mich frei machen kann von dem, was mich lähmt und mir zu schaffen macht, der wird neue Wege finden; und er wird merken: ich kann sie gehen, diese neuen Wege. Wege, die ins Freie führen.

Ja, ich darf davon träumen, und ich darf glauben, dass Gott dieses Wunder tun kann.

Glauben ist, dieser Freiheit zu trauen. Aufzustehen und die Fesseln hinter sich lassen dürfen. Loszugehen, hinein in die Hoffnung. Darauf zu vertrauen, dass da Freiheit ist in allem, was so bleibt, wie es ist. Wer glaubt, ist nicht frei von allem. Aber frei in allem.

Ja, es stimmt, die Realität bleibt; sie verändert sich nicht so einfach, wie ich mir das wünsche. Das Alte, das allzu Vertraute, hat oft außerordentliche Beharrungskräfte.

Aber ich selber, ich kann neu werden.  Ich kann mich neu besinnen. Ich kann Kräfte finden, weil ich weiß: Gott ist bei mir und verlässt mich nicht.

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen,“

heißt es im 18. Psalm. Das ist genau das Gefühl des Glaubens.

Und das setzt nicht nur ungeahnte Kräfte frei. Gott kann und will auch die Realität verwandeln. Er kann heilen. Er kann Menschenherzen wenden. Er kann von Schuld befreien. Er kann und er will die Macht der Liebe zur Geltung bringen. Das hat er in Jesus Christus in einzigartiger Weise gezeigt.

Schauen wir noch einmal auf Petrus: Petrus kommt zu sich und geht zu den anderen. Besinnt sich und sucht die Gemeinschaft derer, die mit ihm glauben und beten. Petrus sucht die Jüngerinnen und Jünger in Jerusalem auf. Er ist wieder ganz bei sich. Aber er ist nicht allein.

So wie wir. Wir haben heute Morgen ja das Gleiche getan wie Petrus. Auch wir sind losgegangen zu den anderen. Um den Glauben gemeinsam zu entdecken. Um auf klare Worte der Ermutigung und des Trostes und der Orientierung zu hören. Um sich auf das zu besinnen, was wesentlich ist.

Wir können es machen wie Petrus: Losgehen. Zu sich selbst kommen. Und sich dann auf den Weg machen mit anderen. Wir können und wir sollen uns einlassen auf die Welt, in der wir leben. Uns hineintrauen in die dunklen Gassen unserer Welt, weil wir wissen, dass da eine Freiheit ist, die größer ist als unsere Angst. Wir dürfen anfangen, einfache Schritte gehen. Und es nicht allein tun, sondern mit anderen.

Ja, nach dem Träumen gilt es, wieder zu sich zu kommen. Und zu den anderen. Wir brauchen auch die Gemeinschaft. Beides gehört zusammen: die innere Beziehung zu Gott und die äußeren Beziehungen zu den anderen. Visionen und Bodenhaftung. Wunder und einfache Worte. Sehnsucht und Besinnung. Freiheit und Gemeinschaft. Beides gehört zusammen. Wir brauchen beides. Und manchmal brauchen wir auch einen Engel, der uns daran erinnert.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

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