Dreikönigsgemeinde

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Hören

Sommerkirche der Dreikönigsgemeinde
Psalmen - Wege zum Glauben

Predigt zu Psalm 119- gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 22.07.2018 in der Bergkirche.

Liebe Gemeinde,

„Das Kind hört einfach nicht,“ sagt die Mutter zu ihrem Begleiter. „Bleib auf dem Weg,“ hatte sie gerufen. Das Kind wollte immer wieder zwischen den Felsen klettern auf der Wanderung, lief vor, verschwand zwischen den bizarr geformten Felsen, kam wieder zurück und war begeistert. „Bleib auf dem Weg,“ sagt die Mutter immer wieder.

Und dann ist es doch passiert. Das Kind ist verschwunden. „Warum hast du nicht auf mich gehört?“ denkt die Mutter verzweifelt und ruft immer wieder nach ihrem Kind. Bange Augenblicke sind das. Nicht nur für die Mutter, auch für das Kind. Es ist abgerutscht und kann nicht mehr zurück. Bange Minuten, bis das Kind die Stimme der Mutter hört. Dieser Moment des Hörens ist ein Moment des Glücks, den man nur schwer beschreiben kann. Endlich die Stimme der Mutter zu hören und damit zu wissen: sie ist da. Jetzt geht es mir wieder gut.

Diese Freude mag uns eine Vorstellung geben davon, wie sehr sich der Psalmbeter in dem 119. Psalm fühlt. Er hat Freude am Hören auf Gottes Wort. Er spürt Leben, Sicherheit, Geborgenheit, wenn er Gottes Wort hört, wenn er sich an sein Wort hält.

Die Freude an Gottes Wort habe ich erleben dürfen im vergangenen Herbst, als ich mit meiner Familie Israel besuchte. Am Fest „Simchat Tora“ (Freude an der Tora) beim Laubhüttenfest wurden die Torarollen vor der Klagemauer tanzend besungen und gefeiert; selbst im weltlichen Tel Aviv tanzten orthodoxe Juden auf der Straße mit jedem, der vorbeikam.

Freude am Hören auf Gottes Wort. Das hat gewiss damit zu tun, dass Menschen in Gottes Wort, in seiner Weisung Sicherheit und Geborgenheit finden, und dass sie Gottes Nähe in seinem Wort erfahren.

Sicherheit und Geborgenheit auf dem Lebensweg – dieses Bedürfnis haben viele Menschen; vielleicht deshalb ist der 105. Vers unseres Psalmes ein so beliebter Konfirmationsspruch geworden, den wir vorhin auch gemeinsam gesprochen haben:

„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“

Wir haben nur ein paar Verse aus diesem längsten aller Psalmen gesprochen. Er ist ein außerordentlich kunstvoller Psalm. Er hat 22 Strophen zu je acht Versen, die den 22 Buchstaben des hebräischen Alefbets folgen. Martin Luther hat diesen Psalm daher auch „Das güldene ABC“ genannt. In immer wieder neuen Wendungen wird der Lobpreis der Torah, der Weisung Gottes, seines Wortes gesungen. Immer wieder kreisen die Gedanken um das Wort Gottes, das in acht immer wiederkehrenden wechselnden Begriffen umschrieben wird:

Torah (Weisung), Eduth (Zeugnis), Pikud (Befehl), Chol (Anordnung, Grenze), Mizwah (Gebot), Mischpat (Recht), Davar (Wort), Imrah (Rede).

„Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deiner Torah“

, heißt es in Vers 18. Es ist ein Wunder, ein ganz großer Erweis der Liebe Gottes, dass er zu uns Menschen redet und mit seinem Wort unserem Leben Orientierung und damit Geborgenheit schenkt. Wo zwei sich nur noch anschweigen, da ist nichts mehr zu erwarten. Wo man einander ein Wort schenkt, im Gespräch bleibt, da ist Lebendigkeit.

Darum ist es das größte Wunder, dass Gott überhaupt zu uns Menschen spricht. Er durchbricht das bange Schweigen, dass uns das Gefühl geben würde, allein ohne Gott zu sein in dieser Welt. Und sein Wort zu hören bedeutet, ernst genommen und angenommen zu sein. Es erfüllt mich mit der Freude und Klarheit auf dem richtigen Weg zu sein.

Bonhoeffer hat diesen 119. Psalm sehr geschätzt, trotz seiner vielen Verse, die es schwer machen, ihn als Ganzen zu verstehen. Bonhoeffer riet, diesen Psalm durch ein „ganz langsames, stilles geduldiges Fortschreiten von Wort zu Wort von Satz zu Satz“ zu verstehen.

Dieser Weisung folgend will ich von den vielen Versen den 105. einmal genauer betrachten.

„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“

Wer diesen Vers verstanden hat, der hat den ganzen Psalm erfasst.

Martin Buber hat den 105. Vers so übersetzt: „Eine Lampe ist meinem Fuß deine Rede, ein Licht meinem Steig.“ Wenn wir diesen Vers genauer betrachten, dann sind wir bei dem Buchstaben nun, also n. Die Lampe, die Laterne heißt auf Hebräisch „ner“.

Heute hängt in jeder Synagoge ein „ner tamid“, ein ewiges Licht zur Erinnerung an den siebenarmigen Leuchter im Jerusalemer Tempel. Hier in dem Psalm ist das Wort eine Lampe für meinen Fuß, damit ich im Dunklen nicht stolpere. Wie das Wort der Mutter „Bleib auf dem Weg“ das Kind vor der Verirrung schützen kann, so kann das Wort Gottes mir Leitung und Wegweisung geben für mein Leben.

Nun ist es aber eine Eigenart hebräischer Poesie, dass alles in zweifacher Weise gesagt wird. Das nennt man Parallelismus membrorum. Hier ist nicht nur von einer Lampe die Rede, sondern auch vom Licht: „Ein Licht meinem Weg.“ 

Gottes Wort ist mehr als nur eine Lampe, ein Wort, an dem ich mich orientieren kann, es ist mehr als Gebote, die ich als Handlungsanweisung nehmen kann, damit ich nichts falsch mache.

Gottes Wort ist weit mehr. So, wie das Tageslicht mehr ist als eine Laterne. Das Tageslicht öffnet einen weiten Horizont. Ein neuer Tag beginnt. Gottes Wort ist nicht nur eine Leuchte in der nächtlichen Finsternis; es ist auch das sonnenhelle Licht des Tages, das den Blick weitet und einen Spielraum des Lebens eröffnet.

Mit dem Licht tritt Gott selber auf den Plan; in Jesaja 60,19 heißt es:

„Die Sonne soll nicht mehr dein Licht sein am Tage, und der Glanz des Mondes soll dir nicht mehr leuchten, sondern der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Glanz sein.“

Wenn Gott zu uns spricht, dann sind es nicht nur Befehle und Handlungsanweisungen, sondern dann ist es Gott selber mit seiner ganzen dem Menschen zugewandten Liebe, die in seinem Wort uns begegnet.

Vom Wort als dem Licht, das den ganzen Tag erhellt, das höre ich nun auch mit dem Gedanken an Jesus Christus. Das Licht der aufgehenden Sonne  ist ja nicht zufällig auch zum frühkirchlichen Symbol für die Auferstehung Jesu Christi geworden, die uns ein ganz neues, ewiges Leben in Gott eröffnet.

Jesus sagt:

„Ich bin das Licht der Welt.“

Er ist das Wort Gottes, wie es im Johannesevangelium gesagt ist, das fleischgewordene Wort Gottes. Durch ihn ist Gott uns in einzigartiger Weise nahe gekommen. Und durch ihn ist sein Wort, auch das in der Form von Gesetz und Gebot,  zur Erfüllung gekommen.

„Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen“

hat Jesus gesagt (Matth. 5,17).

Dietrich Bonhoeffer schreibt zu diesem Psalm: „Unter ´Gesetz´ ist … meist die ganze Erlösungstat Gottes und die Weisung für ein neues Leben im Gehorsam zu verstehen. Die Freude am Gesetz, an den Geboten Gottes erfüllt uns, wenn  Gott unserem Leben durch Jesus Christus die große Wendung gegeben hat.“

Darum haben wir Christen allen Grund, die Freude am Hören auf Gottes Wort, auf seine Weisung und seine Gebote zu teilen.

„Sein Wort ist Licht auf unserem Weg.“

Wie kann dieses Licht zum Leuchten gebracht werden? So, wie man beim Licht die Augen öffnen muss, um es zu sehen, so muss man beim Wort die Ohren öffnen und wohl erst recht das Herz, um zu hören. Hinzuhören auf das, was Gott uns Menschen sagt.

Dieser ganze Psalm ist daher eine Einladung zum Hören. Eine Einladung, sich zu öffnen für die Botschaft Gottes. Diese Botschaft ist die Botschaft seiner Liebe als Geschenk und als Aufgabe. Gottes Wort bekommt damit aber auch zugleich einen tiefen Ernst und eine Verbindlichkeit, die uns in die Pflicht nimmt, wenn es darum geht, die Liebe, die wir von Gott empfangen, an die Menschen weiterzugeben.

Darum lohnt es sich, Gottes Wort, wie es uns in der Bibel in beiden Teilen begegnet, immer wieder neu zu bedenken, zu meditieren und im Gebet sich anzueignen.

Dann wird zwischen all den alten Worten und Texten der Bibel auf einmal Gottes Ruf an mich persönlich vernehmbar.

Und dann wird die Freude an Gottes Wort wachsen, so wie bei dem Kind, das sich verirrt hatte, und sich freut, auf einmal die Stimme seiner Mutter wieder zu hören.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

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