Dreikönigsgemeinde

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Thomasmesse "Advent - worauf warten wir eigentlich?"

Der Adventskranz

Man schreibt das Jahr 1839. Die beginnende Industrialisierung hat viele Handwerker und Landarbeiter arbeitslos gemacht. Es gibt kein Arbeitslosengeld, keine staatliche Unterstützung und viele Menschen leiden Hunger. In Hamburg lebt Johann Hinrich Wichern, ein junger evangelischer Pfarrer und sieht die Not der Menschen, vor allem der Kinder.

Wichern ist das älteste von acht Kindern einer bürgerlichen, christlichen Familie aus einfachen Verhältnissen. Als der Vater stirbt, ist er 15 Jahre alt. Mit Nachhilfe und Klavierstunden muss er den Lebensunterhalt der Familie bestreiten. Dank eines Stipendiums kann er Theologie studieren.  Nach seinem Examen arbeitet er als Oberlehrer an einer Sonntagsschule in einer Arbeitervorstadt Hamburgs und lernt das soziale Elend kennen.

Auf der Straße leben heimatlose Kinder, die in finsteren Winkeln nächtigen, für ihren Lebensunterhalt betteln oder sich als Diebe durchschlagen. Wichern will helfen, gründet ein Waisenhaus, das „Rauhe Haus“, das durch Freunde und wohlhabende Spender finanziert wird.  So kann er den Kindern einen Schlafplatz und warmes Essen bieten. Erst nimmt er  nur Jungen, später auch Mädchen auf, um ihnen durch Lesen und Schreiben sowie Gottesdienst und Gebet eine materielle wie spirituelle  Zukunft zu geben. Dabei ist es ihm wichtig, durch eine familiäre Atmosphäre Vertrauen zu schaffen.

An einem Novemberabend überlegt Johann Hinrich Wichern, wie er den Kindern nahebringen kann, was die Adventszeit bedeutet. Er sieht in einem Fenster eine Kerze leuchten. Das bringt ihn auf eine Idee: Advent, das ist Gottes Licht, das in Jesus in die Welt kommt. So könnte das Licht einer Kerze die Kinder auf Weihnachten hinführen. Wichern ist ein Mann der Tat. Ein hölzernes Wagenrad mit zwei Metern Durchmesser wird aufgehängt. Der Kreis oder Ring ist von alters her ein Symbol für die Treue, wie z.B. beim Ehering. Die Kreisform des Wagenrades bedeutet: Gott verlässt uns nicht, er ist für immer mit uns Menschen verbunden.  Außerdem zeigt sie, dass diese Liebe Gottes dem ganzen Erdkreis gilt.

Das Rad wird geschmückt: Vier große weiße Kerzen stehen für die Adventssonntage und dazwischen kleine rote Kerzen für die Werktage. Am ersten Adventssonntag versammelt Wichern die Kinder bei dem Wagenrad und zündet die erste weiße Kerze an. Er singt mit ihnen und feiert den Advent. An jedem weiteren Abend in den Adventswochen kommen die Kinder bei  dem Wagenrad zusammen, Wichern zündet die nächste Kerze an und singt mit ihnen. Immer heller leuchtet es, je näher Weihnachten rückt.    

Und weil das Wagenrad den Kindern so gut gefällt, schmücken sie es mit Tannengrün. Das Grün bedeutet Leben, Wachstum und Gelingen, es bekräftigt Jesu Sieg über den Tod.

Jeden Tag bis Weihnachten feiert Wichern mit den Kindern. Der Adventskranz ist geboren.

Viele Menschen begeistern sich für die „Kerzenandachten“.  Wicherns Idee verbreitet sich zuerst in Norddeutschland, dann über ganz Deutschland. Heute hat fast jede Familie ihren eigenen Adventskranz, bei dem sich aber nur noch die vier Kerzen für die Adventssonntage erhalten haben.

Die vier hat noch weitere Bedeutung: Es gibt die vier Himmelsrichtungen – Nord, Süd, Ost und West, die vier Jahreszeiten – Frühling, Sommer, Herbst und Winter, die vier Elemente - Feuer, Wasser, Erde und Luft, sie umfasst also die ganze Welt.

Die Kerzen zeigen das Licht, das Gott durch seinen Sohn in unsere Welt gebracht hat. Jesus selbst hat gesagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben."

(Andrea Hahn)

Ansprache zu Joh.1,11: „Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Wir warten an vielen Orten und bei verschiedenen Gelegenheiten.

Wir warten im Wartezimmer einer Praxis gespannt, welche Diagnose der Arzt stellen wird. Wir erwarten vom ihm, dass er uns eine entsprechende Therapie verschreibt oder Medikamente und uns eine Einschätzung gibt, wie lange wir auf Genesung warten müssen.

Im Bahnhof warten wir auf den Zug. Wir schauen auf den Fahrplan mit den Zeitangaben. Wir warten darauf, dass unser Zug endlich kommt, möglichst pünktlich, denn wir wollen einen Termin einhalten oder rechtzeitig an unserem Zielort ankommen.

Bei einem Fest warten wir auf unsere Gäste. Alles ist vorbereitet. Jetzt müssen  nur noch unsere Gäste kommen. Wir sind gespannt, ob auch alles so klappt, wie wir geplant haben. Wir sind vielleicht unsicher, wie das Fest verlaufen wird. Wir spüren, dass die Vorbereitung eines Festes eine Sache ist, aber eine ganz andere, ob die Gäste auch wirklich kommen und sich freuen werden.

Im Advent warten wir auf Weihnachten. Wir bereiten uns auf das große Fest vor. Alle Jahre wieder. Wir pflegen besonders in dieser Kirchenjahreszeit alte Traditionen: Weihnachtsbäume werden aufgestellt. Geschenke eingekauft. Besondere Gerichte für die Weihnachtstage vorbereitet. Plätzchen gebacken. An jedem Tag ein Türchen im Adventskalender geöffnet. Die Tage bis Weihnachten mit Plätzchen versüßt. Wir erwarten ein schönes Weihnachtsfest. Vielleicht im Kreise der Familie. Vielleicht auch alleine. Vielleicht irgendwo an einem schönen Urlaubsort.

Wir warten also an vielen Orten und bei verschiedenen Gelegenheiten.

Aber worauf warten wir eigentlich?

Ich selbst merke an meinem Warten: Manchmal weiß ich ziemlich genau, was ich erwarte. Nur was ist, wenn meine Erwartungen enttäuscht werden, wenn es ganz anders kommt, als ich es erwartet habe?  Und manchmal kann ich gar nicht genau sagen, wie es wäre, wenn alle meine Erwartungen in Erfüllung gingen.

Worauf warten wir eigentlich.

Heute ist der zweite Advent. Bald ist Weihnachten und wir warten in dieser Zeit auf die Ankunft unseres Herrn. Ich bin auf einen Text im Johannesevangelium gestoßen, der fast eine Anti-Weihnachtsgeschichte genannt werden kann. Da lesen wir im ersten Kapitel:

„Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Warum das? Ich bin erstaunt. Hier wird anscheinend gar nicht mehr gewartet. Keiner vermisst ihn. Gott kommt zu seinen Menschen, aber keiner ist da, der ihn empfängt. Gut, dass die nicht auf ihn warten, die ihn nicht kennen und die nicht an ihn glauben, das ist verständlich. Aber dass auch die, die an ihn glauben und ihn kennen müssten, Gott nicht aufnehmen, das macht mich stutzig. Müsste Gott nicht gerade bei ihnen mit offenen Armen empfangen werden?

Ich denke an eine Szene aus dem Roman von Fjodor Dostojewski: Die Gebrüder Karamasov. Dort wird erzählt, wie eines Tages völlig unerwartet Jesus als armer Mann auf die Erde in seine Kirche kommt. Überraschenderweise wird er von den Mächtigen seiner Kirche nicht mit offenen Armen empfangen, sondern als Störenfried empfunden. Sie werfen ihn in einen Kerker. Dort besucht ihn der mächtigste Kirchenfürst, der sog. Großinquisitor und spricht zu ihm: „Was willst du hier, Jesus. Du störst uns nur. Lange genug haben wir auf dich gewartet. Du bist nicht gekommen. Mittlerweile haben wir uns mit deinem Namen ganz gut eingerichtet in dieser Welt. Wir brauchen dich nicht. Was willst du noch. Du brauchst eigentlich gar nicht wiederzukommen.“

Ich erschrecke. Wie ist es mit mir? Habe ich mich ähnlich dem Großinquisitor gut in meiner Welt eingerichtet? Habe ich mich nicht längst mit Dingen abgefunden, die ich meine, eh nicht ändern zu können?  Habe ich mich nicht an so viele Missstände und an alltägliche Abläufe in meinem Leben gewöhnt? Erwarte ich Gottes Kommen überhaupt noch? So erschreckend das klingen mag: Komme ich am Ende nicht ganz gut ohne seine Wiederkunft aus?

Worauf warte ich?

Worauf warten wir eigentlich?

Wie wäre es, wenn Gott heute tatsächlich wieder auf diese Welt kommt? Wären wir bereit? Würden wir ihn erwarten und bei uns aufnehmen?

„Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr muss ich mir eingestehen, dass ich die meisten Fragen mit einem Ja beantworten muss: Ja, ich habe mich mit manchen Dingen abgefunden. Ja, ich erwarte keine große Veränderung.

Und wenn ich überhaupt Erwartungen habe: Vielleicht erkenne ich Gottes Kommen nicht, weil ich zu sehr fixiert bin auf meine Pläne. Gott kommt sozusagen in meinem Plan nicht wirklich vor. Ich bin zu sehr eingegrenzt durch meine eigenen Vorstellungen, wie er die Welt verändern soll.

Vielleicht gibt es auch so etwas wie eine schädliche Nähe. Wenn Jesus zu den Seinen kommt, und sie ihn nicht erkennen. Dann ist das so wie in manchen Familien. Man kennt sich eben gut. Man weiß, was man voneinander zu erwarten hat. Und wenn dann doch etwas Unvorhergesehenes geschieht, dann passt das nicht mehr in die eigene Vorstellung.

Worauf warten wir eigentlich?

Genauer gesagt: auf wen warten wir?

Ich glaube, Gott muss enttäuscht sein, wenn er von den Seinen gar nicht erwartet wird. Aber ich glaube auch, dass er seine Menschen gut kennt. Er weiß, warum es uns schwer fällt, ihn wirklich auf zu nehmen. Würde er warten, bis wir für ihn bereit sind, müsste er lange warten.

Aber Gott wartet nicht. Er wartet nicht, bis wir bereit sind. Er kommt trotzdem. Er ist unterwegs zu uns. Er ist schon mitten unter uns. Er kommt in unsere engen Grenzen. Mitten in unsere Bedenken, Ängsten und Unzulänglichkeiten.

Er gibt uns nicht auf.

Und wie schaffen wir es dann überhaupt, ihn bei uns auf zu nehmen?

Ein erster Schritt wird gemacht, wenn ich über diese Frage nachdenke:

Worauf warte ich eigentlich?

Vielleicht weiß es selbst nicht. Ich weiß nicht genau, was für mich und diese Welt gut ist. Vielleicht spüre ich diese Unzufriedenheit. Und das ist schon gut. Denn dann finde ich mich nicht mehr ab mit dem, wie es nun mal ist.

Der nächste Schritt ist: mit Überraschungen zu rechnen. Gott kann mir ganz anders begegnen, als ich es erwarte. Gerade weil er nicht sichtbar ist, nicht verfügbar, nicht nach Fahrplan kommt, soll ich erwartungsvoll und neugierig bleiben. Vielleicht ist es viel wichtiger - als zu wissen wann er kommt - , jeden Tag so zu leben, als ob er gerade jetzt und heute auf dem Weg zu uns ist.

Gott sucht Menschen, die nicht leben als hätten sie schon, sondern die suchend und erwartungsvoll leben. Gott sucht Menschen, die nicht alle ihre Wünsche, sondern Gottes Verheißung erfüllt haben wollen. Gott sucht Menschen, die trotz allem was dagegen spricht in dieser Welt, die Hoffnung auf sein Kommen nicht aufgeben. In dieser Hoffnung jeden Tag neu aufstehen, sich selbst und den Mitmenschen begegnen. Mehr sehen lernen als vor Augen ist.

Das Faszinierende ist: Wir verändern uns in dem Maß auf das hin, woran wir glauben. Diese Hoffnung, dass Gott kommt und schon mitten unter uns ist, verwandelt uns, langsam aber stetig. Jeden Tag, mich selbst und diese Welt in Gottes Hände legen und aus seinen Händen empfangen, so verstehe ich Advent – in der Ankunft Gottes leben. Vielleicht schaffe ich es nicht aus eigenen Kraft, aber Gott in mir und Gott in dir.

In diesem Vertrauen lasst uns in die kommende Zeit gehen, dass wir zu solchen Menschen verwandelt werden, von denen es im Johannesevangelium dann weiter heißt:

„Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ Amen.

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