Dreikönigsgemeinde

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote der Dreikönigsgemeinde zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

Was mache ich, wenn...
Menümobile menu

Predigt über 1. Mose 22, 1-19

Predigt gehalten am 02.04.2017 in der Dreikönigskiche von Pfarrer Thomas Sinning

Liebe Gemeinde!

Eigentlich will ich über diesen Bibeltext nicht predigen. Diese Erzählung von Abraham, der seinen eigenen Sohn töten und Gott opfern soll, ist mir zu schrecklich, und dieser Auftrag zeigt mir einen Gott, der mir fremd ist.

Ich habe selber drei Kinder, und wenn ich versuche, mich in Abraham hineinzuversetzen, dann sträubt sich alles in mir. Niemals würde ich bereit sein, mein Kind zu opfern, nicht für Gott und nicht für irgendetwas sonst. Niemals. Ich liebe meine Kinder so sehr, dass das für mich unmöglich wäre. Ich hätte mit Gott gekämpft, gestritten, hätte ihm klar gemacht, dass das nicht wahr sein kann. So, wie Abraham auch für die Menschen in Sodom und Gomorrha mit Gott gestritten und verhandelt hat, um die Unschuldigen zu retten.

Was ist das für ein Gott, der solches von einem Menschen verlangt: sein eigenes Kind zu töten? Was ist das für ein Gott, der solch ein Opfer haben will? Ist es nicht einer, der auch Selbstmordattentäter ermutigen könnte, sich selber zu opfern? Nein, einen solchen Gott kenne ich nicht und will ihn auch nicht kennen. Was ist mit Gottes Verheißung an Abraham:

„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“?

Natürlich habe ich mich in meinem Studium mit diesem Text beschäftigt. Ich weiß, dass in dieser Erzählung sich die archaische Ablösung der Menschenopfer durch Tieropfer abbildet. Ich weiß, dass hier in der Abrahamerzählung ein dramaturgisch wichtiges retardierendes Moment enthalten ist. Ich weiß, dass diese Geschichte auch im Koran (Sure 37)  in ähnlicher Weise erzählt wird. Dass es ein wichtiger Text ist, der den unerschütterlichen Glauben Abrahams veranschaulicht, ein Glaube, der Gott letztlich auch die Auferweckung eines Toten zutraut.  

Und doch ist es wie ein Alptraum. Jedenfalls was bis Vers 10 erzählt wird, als es heißt:

„Er reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.“

Ich kann Abraham hier nicht bewundern. Ich kann mich hier nur mit Grausen abwenden. Es ist wie ein Alptraum, aus dem ich fliehen will und nicht kann.

Abraham, wach auf, Abraham!

Ich stelle mir vor, dass es tatsächlich ein Traum gewesen ist. Ein Alptraum, aus dem Abraham schweißgebadet aufgewacht ist:

„Wach auf, komm wieder zu dir. Du hast ganz unruhig geträumt.“ Abraham fährt hoch und erkennt, dass er auf seiner Schlafstätte liegt. Er will Sarah von seinem Traum  erzählen, die ihn aus dem Schlaf gerüttelt hat. „Es war ganz merkwürdig. Erst war da diese Stimme …“ 

Dann erzählt Abraham alles: von dem, was Gott ihm gesagt hat, von dem Auftrag, von dem gemeinsamen Weg, und davon, dass er die ganze Zeit über geglaubt hatte, dass Gott ihm den Sohn trotz allem nicht nehmen wird. Dass er seinem Sohn sogar ganz ruhig sagen konnte, Gott werde sich ein Schaf ersehen zum Brandopfer, obwohl er sich gar nicht mehr sicher war, als er das sagte.

Und weiter erzählt Abraham, dass dann, zuletzt, doch die Angst groß wurde, als er das Messer ergriff und gegen seinen Sohn richtete. Wie verzweifelt er in dem Moment war.  Dass er sich in diesem Moment ganz und gar von Gott verlassen fühlte.

Und dann erzählt er,  wie er die Erleichterung spürte, als er den Engel hörte und seine Augen aufhob und den Widder im Gestrüpp sah.

Der Traum ist noch sehr gegenwärtig. Sarah schnappt nach Luft und fällt Abraham ins Wort:  „Warum hast du nicht gleich ‚Nein‘ gesagt! Wie konntest Du nur…!“ Sie ist sehr erregt. Doch dann wird sie ganz still. „Was für ein furchtbarer Traum,“ sagt sie schließlich.  „Was ist das für ein Gott“, beginnt Sarah leise, „der einen Menschen so auf die Probe stellen würde? Sollte er nicht wissen, dass du glaubst? Nein, es ist fürchterlich, irgendjemanden so auf die Probe zu stellen.“

Doch da erinnert sich Abraham an die Zeit, als er und Sara geradezu verzweifelt um einen Nachkommen gebetet haben. „Weißt du noch, wie wir nächtelang zu Gott gebetet haben? Wie wir Monat für Monat gehofft haben, dass Du schwanger wirst, und wir Jahrzehnte vergeblich gewartet haben?“ Die Zeit der Kinderlosigkeit war für beide schrecklich. Da kamen sie beide sich zuweilen ganz und gar verlassen von Gott vor.

„Dieser Traum hat mich wieder direkt zurückgeführt zu diesem Gefühl der Gottverlassenheit,“ sagt Abraham. „Ich konnte Gott nicht begreifen. Und doch spürte ich: ihm zu folgen, ihm zu vertrauen, ist der einzige Weg. Einen anderen gibt es nicht für mich.“

Sara hört still zu. Dann sagt sie: „Ja, Gott zu vertrauen, das ist der richtige Weg. Aber es bleibt mir unbegreiflich, warum er seinen Engel manchmal erst so spät schickt wie in deinem Traum.“

Ich denke, liebe Gemeinde, diese Frage können viele Menschen teilen: „Warum schickt Gott seine Hilfe manchmal erst so spät? Warum manchmal scheinbar viel zu spät? Oder auch gar nicht?“

Viele teilen diese Erfahrung: Dass wir Gottes Wege mit uns oft nicht begreifen können. Dass sich alles in uns wehrt. Dass wir uns weigern, anzunehmen, was mit uns geschieht. Das Gott uns fremd zu sein scheint in dem, was er uns auferlegt. Das kennen wir vielleicht nur zu gut.

Ich finde hier in der Geschichte, die ich eben als Traum Abrahams dargestellt habe, aber auch etwas sehr Tröstliches: Gott ist da. Der Erzähler macht das mit dem einleitenden Satz deutlich:

„Gott versuchte Abraham.“

Für ihn und den Leser der Erzählung ist von Anfang an klar, dass Gott die Geschicke dieser beiden Menschen lenkt. Aber Abraham ist sich da gar nicht sicher. Er fühlt sich ganz und gar verlassen, als er seinen Sohn festbindet und das Messer auf ihn ansetzt.

Erst in dem dunkelsten Moment der Geschichte leuchtet Gottes Gegenwart auf. Erst da wird Abraham klar: Gott ist ihm nahe, von Anfang bis zum Ende. Unsichtbar, verborgen war er da. Auch in dem schrecklichsten Augenblick hat er ihn nicht verlassen. Im Gegenteil: gerade in dem finstersten Augenblick greift er ein.

Der Weg Abrahams verläuft nicht ins Ungewisse. Auch wenn es ihm so scheint. Doch es braucht einen Engel, der ihm das richtige Wort sagt. Und es braucht die Kraft, seine Augen aufzuheben, um die Erlösung zu sehen; den Widder, das Opfertier, das in diesem Moment die Rettung ist.

Und mit einem Mal ist zu spüren, dass der Alptraum ein Ende hat und die dunklen Schatten der Nacht weichen. Diese Hoffnung nicht aufzugeben lehrt mich diese Geschichte Abrahams mit Isaak.

Jetzt in der Passionszeit denken wir an Jesu Weg, der ins Leiden führte bis zum Kreuz. Auch sein Weg war ein Weg in die Gottverlassenheit. Jesus betet am Kreuz:

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Die Bibel erzählt von Wegen der Gottverlassenheit, von unbegreiflichen und unerträglichen Erfahrungen, bei Abraham, bei Hiob, in den Psalmen, und im Evangelium von Jesus Christus, weil diese Wege der Gottverlassenheit Teil unseres eigenen Lebens sind. Diese Erzählungen zeigen uns aber eben auch, dass die Gottverlassenheit auch eine verborgene Seite hat, in der Gott nahe ist.

Und indem Gott sich mit Jesus selber identifiziert, wird vollends deutlich: es gibt keine wirkliche Gottverlassenheit mehr. Es gibt eine gefühlte Gottverlassenheit. Ja, die gibt es, und sie kann sich sehr schlimm und schmerzlich anfühlen, wie der Alptraum Abrahams. Aber in Wirklichkeit gibt es nichts und nirgends einen Ort, wo Gott nicht mehr wäre. Auch nicht im unschuldigen Leiden eines Menschen. Auch nicht in einem sinnlosen Tod.

So wie Abraham seinen Blick erhob und den Widder sah, so dürfen wir unsere Augen auf Jesus richten und in seinem Kreuz die verborgene Nähe Gottes wahrnehmen. Vielleicht braucht es manchmal einen Engel, der unseren Blick darauf richtet.

Oder ein Wort, das uns daran erinnert, dass der Weg des Vertrauens auf Gott der richtige ist. So wie der Psalm dieses Sonntags:

„Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist."

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top