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„Halt im Gedächtnis Jesum Christ“ (BWV 67)

Kantatengottesdienst

Predigt gehalten am 30.04.2017 in der Bergkirche vonPfarrerin Silke Alves-Christe

1. Coro
Halt im Gedächtnis Jesum Christ, der auferstanden ist von den Toten.

2. Aria
Mein Jesus ist erstanden!
Allein, was schreckt mich noch?
Mein Glaube kennt des Heilands Sieg,
doch fühlt mein Herze Streit und Krieg,
mein Heil erscheine doch!

3. Recitativo
Mein Jesu, heißest du des Todes Gift
und eine Pestilenz der Hölle,
ach, daß mich noch Gefahr und Schrecken trifft?
Du legest selbst auf unsre Zungen
ein Loblied, welches wir gesungen:

4. Choral
Erschienen ist der herrlich Tag,
dran sich niemand gnug freuen mag:
Christ, unser Herr, heut triumphiert,
all sein Feind er gefangen führt. Alleluja!

5. Recitativo
Doch scheinet fast, daß mich der Feinde Rest,
den ich zu groß und allzu schrecklich finde,
nicht ruhig bleiben läßt.
Doch, wenn du mir den Sieg erworben hast,
so streite selbst mit mir, mit deinem Kinde:
Ja, ja, wir spüren schon im Glauben,
daß du, o Friedfürst,
dein Wort und Werk an uns erfüllen wirst.

6. Aria
Friede sei mit euch!

   Wohl uns! Jesus hilft uns kämpfen
   und die Wut der Feinde dämpfen,
   Hölle, Satan, weich!

Friede sei mit euch!

  Jesus holet uns zum Frieden
  und erquicket in uns Müden
  Geist und Leib zugleich.

Friede sei mit euch!

  O Herr! hilf und laß gelingen,
  durch den Tod hindurchzudringen
  in dein Ehrenreich!

Friede sei mit euch!

7. Choral
Du Friedefürst, Herr Jesu Christ,
wahr´ Mensch und wahrer Gott,
ein starker Nothelfer du bist
im Leben und im Tod:
Drum wir allein im Namen dein
zu deinem Vater schreien.

Liebe Gemeinde!

Wie schade, dass wir den Textdichter dieser Kantate nicht kennen! Zu gern wüsste ich, was für ein Mensch das gewesen ist, der nicht einfach Glaubenswahrheiten behauptet, sondern der so offen über den Zwiespalt, den Zweifel, die Unruhe seines Herzens spricht.

Ich habe den Eindruck, dass wir ihm sehr nahe sind. 

Für den Sonntag nach Ostern wählt er für den Eingangschor der Kantate einen Bibelvers, einen Satz aus einem Brief, den der Apostel Paulus an Timotheus (2. Timotheus 2,8) geschrieben hat:

Halt im Gedächtnis Jesum Christ, der auferstanden ist von den Toten.

Ja, diesen Glaubenssatz „auferstanden von den Toten“ halten wir im Gedächtnis, indem wir ihn Sonntag für Sonntag im Glaubensbekenntnis wiederholen. Welch starkes Gewicht legt Bach auf dieses erste – in seiner Vertonung dieses Bibelverses oft wiederholte Wort – „Halt!“

Halt im Gedächtnis, halt dich daran fest, halt inne, be-halte!

Aber wenn wir aufstehen, um das Glaubensbekenntnis zu sprechen, so ist das, was wir im Gedächtnis haben, noch lange nicht in unserem Herzen. Manch einem/manch einer in der Kirche mag es im Gottesdienst genauso gehen, wie es der Text der Kantate in der ersten Arie weiter beschreibt:

Mein Glaube kennt des Heilands Sieg,
doch fühlt mein Herze Streit und Krieg.

Ja, der Textdichter beteuert, dass das Herz trotz allem Glauben keinen Frieden hat und schreckt nicht davor zurück, dass sich auf des Heilands Sieg dieser krasse Gegensatz reimt: Streit und Krieg.

Aber genauso krass empfinden wir heute doch auch den Gegensatz, den Zwiespalt zwischen der Osterbotschaft und dem Zustand der Friedlosigkeit sowohl in der Welt um uns her wie auch in unserem Herzen.

Oft schon habe ich in Kantatengottesdiensten das Libretto fremd empfunden, die Formulierungen wie aus einer anderen Welt, aber der leider unbekannte Textdichter unserer heutigen Kantate spricht mir aus dem Herzen: Statt frommer, manchmal gar zu süßlicher Sätze benennt er ehrlich, was ist: Streit und Krieg.

Im Rezitativ beschreibt er nun wieder positiv das, was der auferstandene Jesus Christus ihm bedeutet. In Anklang an einen Vers aus dem Propheten Hosea tut er das sehr originell mit einer doppelten Negation und unterstreicht gerade damit das Positive: Jesus ist des Todes Gift: das meint also: das Leben. Jesus ist eine Pestilenz der Hölle: das meint also: Heil und Rettung. Ja, Jesus ist Leben und Heil, aber es folgt nach dieser positiven Aussage wieder eine Infragestellung:

ach, daß mich noch Gefahr und Schrecken trifft?

Wir hören die Botschaft von Auferstehung, Sieg, Leben und Heil, aber noch immer trifft uns Gefahr und Schrecken.

Da bricht mitten in die Osterfreude eine Todesnachricht, da weckt die instabile Lage der Weltpolitik in uns mancherlei Ängste: ja, Gefahr und Schrecken sind allgegenwärtig.

Aber die Kantate kehrt von diesen Anfechtungen wieder zurück zu einem Loblied. Der Chor stimmt ein in das fröhliche, zuversichtliche Osterlied:           

Erschienen ist der herrlich Tag,
dran sich niemand gnug freuen mag:
Christ, unser Herr, heut triumphiert,
all sein Feind er gefangen führt. Alleluja!

Diese Spannung zwischen Zuversicht und Anfechtung, zwischen Glauben und Zweifel auszudrücken, findet in Johann Sebastian Bach seinen Meister, der die Gegensätze und Kontraste, das Hin und Her, ja, die ungewöhnliche Dramatik des Textes so eindrucksvoll umsetzt, dass nicht wenige diese frühe Kantate für eine seiner originellsten, ja großartigsten halten. Der Kantorei, den Solisten und Instrumentalisten können wir nur aus ganzem Herzen Dank sagen, dass sie uns in dieses Ringen, in diesen Kampf so lebendig mit hineingenommen haben.

Mit dem schönen Osterchoral des Nikolaus Herrmann, selbst mit dem Spitzensatz:

Christ, unser Herr, heut triumphiert,
all sein Feind er gefangen führt. Alleluja!

ist für den Textdichter ja immer noch kein Friede eingetreten.

Nach der Aussage, dass der auferstandene Jesus Christus alle seine Feinde gefangen führt, meldet sich gleich wieder der Zweifel: Sind wirklich alle Feinde besiegt?

Doch scheinet fast, daß mich der Feinde Rest,
den ich zu groß und allzu schrecklich finde,
nicht ruhig bleiben läßt.

Sind wirklich alle Feinde besiegt?

Ich muß gestehen, dass mich dieser Übergang vom Choral: alle Feinde gefangen zum Rezitativ mit der Formulierung „der Feinde Rest“ an den berühmten Anfang aller Asterixhefte erinnert hat: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... Ganz Gallien?

Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

Dem vergleichbar hörten wir im 5. Satz, welche Unruhe doch noch geblieben ist:

Sind wirklich alle Feinde besiegt?

Nein! Da ist der Feinde Rest, der uns nicht ruhig bleiben lässt.

Und genau so ist doch unser Leben als Christen. Wir lassen uns einladen zu ermutigenden Gottesdiensten mit tröstlichen Chorälen oder der beeindruckenden Musik von Kantaten, wir atmen auf, atmen durch, genießen die Atmosphäre im beruhigenden Kirchenraum, aber vielleicht noch in der Kirche in unseren belastenden Gedanken, spätestens aber wieder daheim angekommen oder am Arbeitsplatz oder wenn wir eine Zeitung zur Hand nehmen oder spätestens vor der Tagesschau meldet sich wieder „der Feinde Rest“, der uns nicht ruhig bleiben lässt.

Auf diesen Zwiespalt zwischen dem „schon und noch nicht“ des Friedens, den uns er christliche Glauben schenken will, gibt der 6. Satz der Kantate eine meisterliche Antwort:

Er wird von Bach als Arie bezeichnet, ist aber in Wahrheit ein viel komplexeres Gebilde aus mehreren Strophen, die von einem ganz besonderen Refrain, einem eindrucksvollen Kehrvers eingerahmt werden: dem wunderbar beruhigenden Gruß, mit dem der Auferstandene – wir hörten es in der Schriftlesung – mehrfach seine verschreckten und verunsicherten Jünger begrüßt:

Friede sei mit euch!

Ich kann diese tiefe, ruhige Baßstimme nicht oft genug hören, wie sie nicht aufdringlich, aber doch wirklich tragend Frieden verkündet. Sie versucht nicht, die hohen aufgeregten Stimmen dazwischen zu übertönen, aber sie unterbricht sie doch immer wieder und bringt sie damit für eine Weile zur Ruhe. Diese tiefe, ruhige Stimme ist wie ein tragendes, stützendes Fundament.

Der Friede, den sie verkündet, ist mit Jesus Christus in diese Welt gekommen. Schon im weihnachtlichen Lobgesang der Engel wird davon gesungen:

Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried.

Der Friede, den die beruhigende Baßstimme verkündet, ist im Leben Jesu sichtbar geworden in seiner Haltung radikaler Liebe.

Der Friede des Baßsolos ist der Ostergruß des auferstandenen Jesus, der den belastendsten Feind, den Tod, besiegt hat.

Aber dieser beruhigende Grundton des „Friede sei mit Euch!“ ist in unserem Leben und in unserer Welt noch nicht die einzige Melodie. Hier in unserem Leben, das von so viel Unruhe, Zweifel, Traurigkeit und Mutlosigkeit durchzogen wird, ist das „Friede sei mit Euch!“ ein Kehrvers, eine Art Refrain, der immer wieder unsere Unruhe durchbrechen, unterbrechen will.

Dieser Gruß des Auferstandenen ist eine Einladung, in der Verbindung mit ihm, im Gebet, im Gottesdienst, im Abendmahl diesen Frieden jetzt schon zeitweise, punktuell zu erfahren, wenn er uns einlädt in sein Haus, in seine Gemeinschaft, in seine Gegenwart. Im Zwiegespräch des Gebets, in der wohltuenden Musik des Gottesdienstes, in der friedvollen, freundlichen Gemeinschaft untereinander wird der Friede schon jetzt für uns greifbar, wir erfahren schon Augenblicke inneren Friedens, die von uns aus in diese friedlose Welt ausstrahlen wollen.

Der Schlußchoral besingt Jesus Christus als Friedefürst, der ein starker Nothelfer ist im Leben und im Tod.

Aber dass dieser Friede mich selbst ganz und alle Welt ganz umfasst, ist die Vollendung, auf die wir noch warten. Solange wir auf diesen vollkommenen Frieden warten, gilt uns Sonntag für Sonntag der Kanzelgruß:

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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