Mein Leben – ein kostbares Geschenk
Mk 14,3-9
Predigt gehalten am 09.04.2017 in der Dreikönigskiche zum
Gottesdienst mit Taufen am Palmsonntag von Pfarrer Andreas Klein
3 Und als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. 4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? 5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. 6 Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. 9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.
Mk 14,3-9
Liebe Freunde,
ich weiß nicht, ob Sie diese Meldung in der vergangenen Woche auch erreicht hat. 11,92 Gramm rosafarbene Kohlenstoffverbindung – der 59,6 Karat schwere Diamant Pink Star wurde beim Auktionshaus Sotheby’s von einer Hongkonger Juwelierkette ersteigert für den Preis von 71,2 Millionen Dollar. Vor ein paar Monaten hatte ein anderer Bieter sogar 83 Millionen geboten – doch der konnte dann hinterher das Geld nicht aufbringen.
Der Stein ist groß und ist wunderbar geschliffen und funkelt herrlich, aber ist es das wert? Was könnte man nicht wirklich Gutes und Sinnvolles mit so viel Geld machen?
300 Silbergroschen – diese Summe haben wir eben gehört, das ist auch sehr viel. 300 Silbergroschen, 300 Denare, das ist der Jahreslohn eines Tagelöhners. Vorausgesetzt, der findet an jedem Werktag des Jahres Arbeit. 300 Silbergroschen, das ist ein richtiges Wort, eine Ansage, das ist viel Geld.
Da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt
Was ist das? Was macht diese Frau da? Ist das eine prophetische Zeichenhandlung? Ist das ein Akt der Liebe? Ist das pure Verschwendung? Wie ist das zu verstehen, wie ist das zu deuten?
Da gibt es viele Fragen; und es ist gut sich diesen Fragen zu stellen, dann bei uns ist es auch so. Da tut einer etwas und meint es gut; und ein andere kommt und sagt: Nun drängel dich mal nicht so nach vorn. Das ist ja peinlich, wie du dich aufspielst. Da kocht eine besonders lecker und die anderen sagen: Na, du willst es aber wissen. Da ist einer ganz gelassen und die anderen nennen ihn phlegmatisch und faul.
Kurzum, das Leben bietet viele Gelegenheiten zu Mehrdeutigkeiten und Missverständnissen und kaum etwas ist ganz eindeutig. Deshalb halten wir mal fest:
Da ist eine Alabasterflasche mit kostbarem reinem Nardenöl zum Wert von 300 Silbergroschen, dem Jahreslohn eines Arbeiters. Das ist wie der Pink Star – ein enorm hoher Wert. Ziemlich eindeutig. Vieles andere ist mehrdeutig und wir versuchen das zu verstehen.
1. Halleluja oder Hosianna?
Seit dem Palmsonntag sind schon wieder ein paar Tage vergangen und Jesus ist in Bethanien, dem Dorf oberhalb von Jerusalem eingeladen. Im Haus eines wohlgestellten Mannes. Wir sind in der Mitte zwischen Palmsonntag und Karfreitag und was sich vor und nach dieser Geschichte ereignet, stellt diese Geschichte der ganz besonderen Hingabe in einen bedrohlichen Rahmen. Vor dieser Geschichte erzählt Markus, der Evangelist, dass die Ältesten des Rates beraten, wie sie Jesus „mit List ergreifen und töten könnten.“ Und direkt nach dieser Geschichte macht sich der Jünger Judas auf – wir wissen nicht, was er wirklich wollte – um Jesus zu verraten. Auch das, was Judas tut, ist nicht eindeutig zu erschließen. Vielleicht wollte er Jesus provozieren, endlich machtvoll als Messias gegen die Römer vorzugehen. Judas war ja ein Schwertträger, ein Iskarioth.
Das ist der Rahmen. Zwischen Palmsonntag und Karfreitag. Zwischen Palmzweigen und dem Holz auf Jesu Schulter. Immer weniger klingt ein Halleluja durch und das Hosianna im Wortsinn wird laut. Erbarm dich, Gott! Wende ab, was da kommt!
2. Verehrung oder Verschwendung?
Vor ein paar Jahren war ich einmal Mitglied in einem Rechnungsprüfungsausschuss und ich bin froh, dass dieser Ausschuss den Kaufbeleg dieser Frau nicht in die Hände bekam.
1 Alabasterflasche. Nardenöl Premium Qualität. Preis 300 Silbergroschen. Verwendungszweck: Verehrung des Sohnes Gottes.
Vielleicht würden der Frau die Zuschüsse gekürzt, vielleicht würde sie zum Rechnungshof zitiert werden und man würde ihr sagen: Das ist keine Verehrung, das ist keine Verwendung, das ist pure Verschwendung. Zum Beten kann man Hände falten zur Verehrung kann man niederknien. Beides ist kostenlos.
Wie viel darf etwas kosten? Ist Schönheit, ist Ästhetik ein Wert, der sich im Preis niederschlagen darf? Könnte eine solche Kirche nicht wesentlich schmuckloser sein? Eine große Halle, besser noch eine Mehrzweckhalle, funktional genutzt, da wäre das doch besser angelegt. Lieber alles Aldi statt Tupper.
Die Männer im Raum tuscheln, sie sagen nicht laut, was sie denken. Und vermeintlich haben sie recht:
Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
Das einzige, was dabei schief ist, ist das „hätte“. Geld das man prinzipiell den Armen geben könnte, hat man noch lange nicht gegeben. Der Protest ist laut, aber letztlich unehrlich. Sie hätten auch sagen können. Wir legen zusammen und geben, was diese Frau gegeben hat, den Armen. Sie delegieren an den „Man-Hätte-mal-können“, und den gibt es ja nicht. Jesus deckt diese fadenscheinige Heuchelei auf:
Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
3. Krone oder Grab
Wunderbar riechendes Salböl wird im Orient gern verwendet. Ein paar Tropfen – den Gästen auf die Stirn, die Hände und die Füße. Rosen- oder Nardenöl – der Duft ist intensiv und wohlriechend.
Eine ganze Flasche auf dem Haupt auszuleeren; das ist wirklich Verschwendung – oder eine prophetische Handlung. So wurden die Könige gesalbt! Und der Gesalbte ist der Meschiach, der Christos. Endlich kommt heraus, was das Markusevangelium schon zu Beginn über diesen Jesus sagt; er ist der Christus – der Gesalbte.
Allein Jesus lässt diese Eindeutigkeit wieder nicht zu: sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Dafür wird Salböl auch verwendet; wie wir von den Ostergeschichten wissen; im einen Leichnam ein letztes Mal zu ehren.
Krone oder Grab? Dieser König besteigt keinen Thron, er geht den Weg zum Kreuz. Er sucht nicht die Macht, sondern geht den Weg der Ohnmacht. Wer soll das denn verstehen?
Ich komme zum Schluss. Eine Geschichte voller Mehrdeutigkeiten und mehr ist nicht zu sagen? Alles ist multipel deutbar und es ist nichts eindeutig? Sogar die liebevolle Umarmung kann ein Akt sein, der mich nicht festklammert. Ja, das stimmt. Aber dabei können wir nicht stehen bleiben!
In der Mitte dieser Geschichte bleibt diese Frau, die tut, was sie zu tun hat. Die kein Wort sagt; die auf das Getuschel und Gerede nicht im Geringsten reagiert. Wir können nicht in ihr Herz schauen, wir wissen nicht, warum sie das getan hat, in welcher Art sie Jesus geliebt oder verehrt hat, ob sie ihm dankbar war für eine Hilfe, ob sie einfach spürte, dass das die letzte Chance ist. Wir wissen all das nicht.
Wir wissen nur: Da ist die Frau, die tut was sie tut. Und Gott sei Dank hat sie es getan. Wir streben vor vielem zurück, weil wir um die Mehrdeutigkeit wissen und ahnen, dass es immer jemanden gibt, dem das nicht gefällt, was ich rede, wie ich singe, was ich tue.
Sei’s drum! Keine Tat ohne Missverständnis. Kein Mut ohne Risiko. Scher dich nicht drum.
Sing dein Lied, wenn alle muffelig sind.
Schenk deine Geduld, wenn alle unruhig sind.
Sag deine Idee, wenn alle mutlos sind.
Es kommt sicher nicht alles gut an. Aber darum geht es nicht. Dafür ist doch Jesus gekommen, so sagt es der Epheserbrief, „damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit“.
Wir sind Diamanten – wir sind ihm wertvoll.
Amen
Foto: © Thorn Yang / www.pexels.com/de/ (httphttps://www.pexels.com/de)
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