Dreikönigsgemeinde

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"Ich gehe"

Predigt gehalten am Heiligabend 2017 in der Dreikönigskirche von Pfarrer Andreas Klein zum Christushymnus aus Philipper 2

Liebe Gemeinde!

Finden Sie das nicht auch?

Weihnachten besteht – das kann man anders gar nicht sagen zu 92% aus Weihnachtsvorbereitungen. Das ist die ganze Arbeit! Alles Weitere kommt, wie es kommt, ist nicht steuerbar und unvermeidlich. Und wir hoffen, die Tage mit nicht mehr als 5 kg Mehrgewicht zu überstehen!

Aber die Vorbereitungen müssten wir uns doch nochmal anschauen! In diesem Fall nicht die Unsrigen, die haben wir ja für dieses Jahr weitgehend geschafft. 

Aber wir fragen: Wie hat sich denn der Himmel auf Weihnachten vorbereitet? Schwer zu sagen: Niemand war dabei; es sei denn, es gibt Engel unter uns.

Ich darf Sie einladen, an einigen Mutmaßungen dazu teilzunehmen. Vielleicht war die Vorweihnachtszeit im Himmel gar nicht von Lichterketten und Geschenkekaufen bestimmt! Vielleicht wusste man im Himmel noch gar nicht, dass es Weihnachten geben wird, sondern der Himmel hatte in dieser Zeit andere Sorgen.

Die Welt so wie sie war, war eine Welt voller Ausbeutung und Unfreiheit. Eine Welt der permanenten Eroberungen und der Kriege. Und der Friede war ein römischer Friede – mit Gewalt durchgesetzt.

Und im Himmel war größte Sorge, was denn werden würde aus dieser Welt. Und was denn helfen könne. Und die himmlische Versammlung aller Engel – wir haben das ja eben gehört – die himmlischen Heerscharen – haben sich versammelt und gerätselt, wie es denn gehen könne: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Ist das nicht eine Utopie, angesichts der Zustände dort unten auf der Erde? Einige Engel waren kritisch, ob überhaupt noch etwas zu machen sei.

Und was hat man gemacht? Ich sage nochmal – das sind gänzlich unbelegte Mutmaßungen – man hat Kommissionen gebildet. Das macht man so, wenn man es nicht weiß. Und jetzt schalten wir uns einfach mal in diese himmlische Versammlung dazu: Kommen Sie mit?

Ein heller Glockenton bringt die Versammlung zur Ruhe. Der Vorsitzende Engel ergreift das Wort:

„Wir sind hier in der Gesamtkonferenz zusammengekommen, um über die Strategieentwürfe der drei beauftragten Kommissionen zur Rettung der Welt zu beraten.

Nun - die drei Kommissionen äußerst lebendig unterwegs – ich habe die Rechnungen für Schnittchen und Kaffee schon beglichen! Umso gespannter sind wir auf die Ergebnisse. Ich darf als erstes die Moral-Kommission um ihren Bericht bitten!“

Ein schon etwas älterer Engel tritt nach vorn und erhebt die Stimme:

Nun es sei ja, so holt er etwas aus, dass die Moral-Kommission schon eine lange Geschichte habe. Einige aus der Gruppe können sich noch an die Ausfertigung der 2 Gesetzestafeln erinnern, damals am Berg Sinai. Und einige Mitglieder der Gruppe sind als himmlische Boten direkt in die Königshäuser unterwegs gewesen! Er wirkte ganz stolz! Na ja, jedenfalls:

Die Moral-Kommission hatte den Auftrag zu erheben, wie denn dem Widerstand der Menschen gegen das Einhalten sinnvoller Gesetze beizukommen ist.

Das Ergebnis der Gruppe: Man ist an dieser Stelle etwas ratlos. Es gibt doch die 10 Gebote und das Doppelgebot der Liebe: Du sollst Gott lieben und den Nächsten wie dich selbst.

Die Menschen haben unterdes viel größere Gesetzes- und Verordnungswerke erfunden. Sogar Verträge geschlossen, wie die Welt zu retten sein. Doch dann halten sie sich selbst nicht daran! Schritte zur Bewahrung der Schöpfung und zur Schaffung der Gerechtigkeit haben kaum Erfolg.

Wir brauchen weitere Vorschläge von der Gesamtkonferenz! Der Engel setzte sich.

Vielen Dank, sagte der Vorsitzende Engel – etwas blass geworden. „Ich bitte die Kultur-Kommission um ihren Bericht“!

Ein wunderschöner Engel betrat gleitend das Rednerpult.

Nun die Rettung der Welt haben wir nicht besprochen. Es sei so schwer gewesen, sich über den Kulturbegriff zu verständigen. Die Harfenistinnen haben sofort den Antrag gestellt zu definieren, ob denn das, was die Zimbelspieler von sich geben, überhaupt Musik sei! Das habe zu etlichen Konflikten in der Arbeitsgruppe geführt. Die Laienspielgruppe der lautenspielenden Seraphim war ebenfalls im Visier. Die Harfenistinnen gesagt haben: Lieber gar nicht musizieren als falsch! Und hätten dann den Raum verlassen.

Wie dem auch sei. Es sei alles so schwierig. Zur Frage der Menschen sei man leider noch nicht gekommen!

Oh, danke vielmals, gab Vorsitzende Engel zurück. Sehr ernüchternd!

Und zuletzt hat die Zukunfts-Kommission das Wort:

Ein Engel mit besonders bunten Flügeln trat nach vorn. Hinter ihm erscheint plötzlich eine bunte Präsentation am Himmel.
„Die Zukunftskommission hat sich zunächst den Arbeitstitel gegeben: Think-Tank! Und sie hat das Schwarmwissen von Himmel und Erde fokussiert. Viele sind jetzt beeindruckt.

Wir haben die Zukunftsvision dieses Johannes angeschaut. Und in dessen Keynote würde es doch heißen: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“. Das hat aber viele Mitglieder der Kommission doch sehr irritiert.

Es würde doch nur um die Erde gehen und wie die Menschen sich und die Erde behandeln. Wieso ist von einem neuen Himmel die Rede?

Es sei viel leichter zu sagen, wie die anderen sich ändern müssen! Aber doch bitte nicht man selbst!

Ich will bewusst diese Irritation in den Raum stellen als Impuls für den Change-Prozess!

Cool! Ah, ich meine danke!, sagte der Vorsitzende Engel. Und vor der Mittagspause würde er jetzt nur noch die Möglichkeit sehen, eine weitere Kommission zur Sondierung der gemeinsamen Optionen einzuberufen. Und um sofort alle Ängste zu zerstreuen. Es gäbe in dieser Kommission dreimal den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden zu vergeben...

Ich gehe!

Eine Stimme durchdringt den Raum. Kraftvoll und klar. Ich gehe.

Wer redet da?

Der Sohn? Er ist hier?

Und was heißt, dass ER geht? Er sitzt zur Rechten des Vaters? Wohin will er gehen?

Viele in der großen Versammlung schauen sich irritiert an.

Ich gehe zu den Menschen!

Ach, vielleicht sagt er damit nur aus, dass die Arbeitsergebnisse der Kommissionen Ethik, Kultur und Zukunft von ihm persönlich den Menschen präsentiert werden?

Ich gehe als Mensch zu den Menschen!

Wie bitte? Geht er hinab zu den Menschen oder auch hinein ins Menschsein? Was bedeutet das? Muss nicht der Himmel der Himmel bleiben und die Erde die Erde? Wenn ER geht, werden dann nicht die Unterschiede verwischt?

Ich lese uns, liebe Gemeinde, aus dem 2. Kapitel des Philipperbriefs.

3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, 4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. 5 Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. 9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Liebe Gemeinde am Heiligabend in der Dreikönigskirche,

das ist Weihnachten. Jesus Christus geht aus der Höhe in die Tiefe, aus dem Glanz ins Dunkel, aus der Gottheit ins Menschsein. Er riskiert dabei alles. Er verliert dabei alles. Er steigt ab, aus der Champions-League des Himmels in die Oberliga Galiläa. Wird ein Zimmermann im unbedeutenden Nazareth, ein Wanderprediger, ein Rabbi. Einer von vielen!

Er sammelt einige Männer und Frauen um sich – allesamt keine Elite. Fischer, Handwerker. Er redet in Gleichnissen und heilt, er tut Wunder; er ärgert einige der Frommen und der Mächtigen, zettelt aber nicht die große Revolution an.

Politisch haben sich viele von ihm mehr erwartet. Dass er sich durchsetzt – gegen die römische Besatzung. Doch am Ende erliegt er dem konzertierten Hass der Menschen, die heute Hosianna rufen und morgen „Kreuzigt ihn“.

Der Weihnachtsweg führt von der Krippe zum Kreuz.

Das ist Weihnachten.

Und die Erzählung von der himmlischen Engelsversammlung war natürlich frei erfunden, hat aber vielleicht gezeigt, wie sich die Ratlosigkeit der Erde auch im Himmel abzeichnet. Die guten Werkzeuge haben sich als stumpf und unwirksam erwiesen:

Darauf zu setzen, dass Recht und Moral das Leben der Menschen dauerhaft und heilsam prägen. Viele Menschen suchen danach: Wie man in dieser Welt gerecht und anständig leben kann und wie können wir sie so hinterlassen, dass unsere Kinder darauf noch leben können?

Und dass die Trumps und Putins, die Erdogans, die Orbans und die Strache’s nicht einfach das Regiment bekommen.

Ja, da gibt es viele aus den vielen Herkünften der Religionen und der humanistischen Einstellungen und das ist zu loben und laut zu machen!

Und gleichzeitig hat Bert Brecht nicht unrecht, wenn er behauptet, dass zuerst das Fressen kommt und dann die Moral. Nur dass bei vielen das Fressen gar nicht aufhört, obwohl sie schon so lange satt sind und Arm und Reich immer weiter auseinanderdriften.

Und das gilt dann auch für das Ästhetische, die Kultur, das Schöne. Dass die Kunst, die Musik, die Kultur Menschen verbindet, ja auch in die Verantwortung stellt für das Leben in dieser Welt: Das ist unbestritten und ein großer Wert. Und ebenso deutlich, wie kostbar und angefochten dieser Schatz des menschlichen Lebens ist, wie leicht die Kultur in die Hände der Mächtigen und des Geldes gerät.

Und das Suchen nach der Zukunft? Immer wenn wir darangehen, den Veränderungsimpuls bei den anderen zu suchen und uns scheinbar als Anständige und Rechtschaffene ausnehmen, dann wird es schon ein sehr mühsames Unterfangen werden. Ja, wir Deutschen sind gegen Trump und für das Pariser Klimaabkommen, aber sind für freie Fahrt auf den Autobahnen. Sehr lustig im Rhein-Main-Gebiet!

Moral und Kultur – das Suchen nach Zukunft. Die himmlische Konferenz spiegelt unser menschliches Bemühen. Und es muss weitergehen.

Doch heute ist Weihnachten und das heißt: Da ist einer, der sagt: Ich gehe. Ich rede nicht nur, ich spiele nicht nur, ich träume nicht nur, ich gehe.

Warum mir dieser Text so am Herzen liegt? Er ist so stark. Da ist einer der geht. Da ist ein Commitment, eine Überzeugung, die nicht nur Gesinnung ist, sondern eine Tat. Das braucht diese Welt; Menschen, die gehen. Ja, da wird ein Kind geboren, da widerfährt Maria und Josef und vielen Unbeteiligten etwas; das ist alles wunderbar – im Kern ist das Weihnachten: Da ist einer der geht – aus freien Stücken: Aus dem Herzen Gottes, der Sohn, das ewige Wort: den Weg von Oben nach Unten, vom Glanz in das Dunkel vom Gottsein ins Menschsein.

Und an dieser Stelle wird deutlich, dass es nun ganz blass und falsch wäre, zu sagen: Nimm dir diesen Jesus Christus als Vorbild. Als Vorbild kann ich mir nur diese Art nehmen zu gehen. Entschieden und klar, Wort und Tat finden zu einander. Aber ein Vorbild, in dem Sinn, dass ich Jesus nacheifere, kann es nicht geben. Niemand von uns kann vom Himmel auf die Erde gehen und niemandes Knie soll sich vor irgendjemand von uns beugen.

Ich möchte Ihnen gern sagen, was mir neu begegnet ist. Paulus verbindet den Weg des Christus mit einem anderen Gedanken:

Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:

An Weihnachten wird klar: Du bist Teil einer Gemeinschaft, zu der auch Jesus Christus gehört. Jesus Christus hat sich verbunden, verbündet, fest gemacht mit dir und mit anderen. Du bist Teil einer Gemeinschaft – du bist nicht der auf den es allein ankommt, weil alle anderen weg sind, sondern du gehörst zu denen, zu denen auch Jesus Christus gehört, der vom Himmel auf die Erde kommt und ein Kind wird und dein Bruder.

Und nun schauen Sie sich um nach vorn und nach hinten. Zu dieser Gemeinschaft, zu der auch Jesus Christus gehört, gehört auch Ihre Familie, und die Gemeinde und nun schauen Sie durch die Fenster nach draußen. Rechts ist Sachsenhausen und links ist Frankfurt. Überall sind Menschen, die zu dieser Gemeinschaft gehören, zu der auch Jesus Christus gehört. Nein, ich rede nicht von Kirchenmitgliedern – wer mag die Grenze fassen, wer dazu gehört. Es ist eine Gemeinschaft derer, die ihn in der Mitte hat, aber er ist doch immer auf dem Weg über die Grenzen hinweg, die wir immer ziehen. Die Gemeinschaft ist offenporig, sie macht die Tür immer wieder auf von innen, damit Menschen von außen gehen können.

Was prägt diese Gemeinschaft – woran ist sie zu erkennen und was macht den Unterschied aus?

Zwei Dinge möchte ich herausgreifen:

Es geht um die Haltung der Ehrerbietung:

„Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst.“

Sie wissen genau, was ich meine, auch wenn das Wort altbacken klingt. Aber zuletzt, als jemand Ihnen die Tür aufgehalten hat; als jemand gemerkt hat, dass Sie noch etwas sagen wollten. Als jemand gespürt hat, dass es Ihnen nicht gut geht. Die Haltung der Ehrerbietung ist die Haltung, mit der wir Menschen den Unterschied ausmachen. Wir gehen die Extrameile zum Herz eines anderen Menschen.

Und das Zweite, das daraus folgt?

Das Grundton der Freude: Paulus schreibt (und er schreibt übrigens aus dem Gefängnis):

Freuet euch in dem Herrn allewege und abermals sage ich: Freuet euch, der Herr ist nahe! –

Und in diesem Moment ist er ganz nahe beim Engel

„Siehe ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird“.

Diese Gemeinschaft zu der wir gehören, weil wir zu Christus gehören und zu der er selbst gehört, ist geprägt von Ehrerbietung und von – Freude!

Ich bin ganz sicher: Mit Humorlosigkeit und griesgrämiger Ernsthaftigkeit ist diese Welt auch nicht zu retten. Aber hier ist eine Freude, wenn ich spüre: Auch ich bin ein Teil davon – und als dieser Teil darf ich leben.

Ehrerbietung und Freude prägt diese Gemeinschaft zu der der gehört, der sich vom von Oben nach Unten, vom Glanz in das Dunkel vom Gottsein zum Menschsein auf den Weg gemacht hat.

Zu dir und dir und zu dir auch.

Amen.

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