Dreikönigsgemeinde

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote der Dreikönigsgemeinde zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

Was mache ich, wenn...
Menümobile menu

Predigt des Kirchenpräsidenten Dr. Volker Jung anlässlich des Festgottesdienst zur Eröffnung Evangelische Akademie Frankfurt am 20. August 2017 in der Dreikönigskirche

Liebe Festgemeinde,

vor wenigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, von einem der Frankfurter Bankentürme von oben auf die Stadt zu schauen. Ich habe den Blick schweifen lassen und war schnell beruhigt und erfreut: unsere Akademie ist auch von oben deutlich zu sehen. Bei trübem Wetter – und dieser Tag war ein wenn trübe – wirkt das Dach, unter dem wir uns nachher versammeln werden, hellgrau. Wenn die Sonne darauf scheint, wird es wohl transparenter, reflektierender sein. Vielleicht sogar ein wenig wie ein Edelstein wirken.

Wer vor dem Gebäude steht, ist ziemlich schnell beeindruckt. Und noch mehr, wer dann in das Gebäude hineingeht. Spätestens dann, wenn man im Panoramasaal ist. Viel Licht, viel Klarheit, ein Rundumblick mit vielen Perspektiven. Großartig. Vielleicht nur ein wenig getrübt von den Gedanken, ob es im Sommer nicht zu heiß wird und von der Frage, wer die vielen Fenster putzt.

Die Evangelische Akademie Frankfurt ist architektonisch beeindruckend. Sie soll es jetzt auch durch das werden, was in ihr geschieht. Eine der prägenden Gestalten in der Gründungszeit Evangelischer Akademien, der erste Akademiedirektor in Bad Boll, hat einmal gesagt, worum es in den Akademien gehen soll: „Die Wahrheit über das Wesen der Dinge, der Menschen und Gottes im gemeinsame Gespräch zu ergründen.“ Der Akademiegedanke reicht ja weit zurück. Und in diesem Satz Müllers klingt es an. Die erste Akademie war ja jener Ort im Nordwesten von Athen, in dem Plato Gespräche mit seinen Schülern führte, und der dem altattischen Heros Akademos geweiht war. Ein Ort des fragenden und suchenden, des gelehrten und manchmal auch belehrenden Gesprächs. Dass es solche Orte für die Gesellschaft braucht, war innerhalb der evangelischen Kirche eine Grundüberzeugung nach den Verirrungen der Zeit des Nationalsozialismus und dem entsetzlichen 2. Weltkrieg. Bad Boll wurde bereits 1945 gegründet, 1946 die Evangelische Akademie in Hessen und Nassau (zuerst in Echzell, dann in Assenheim und dann ab 1954 Arnoldshain). Es sollten Orte sein, die mit der Kirche verbunden sind, aber zugleich in Freiheit gestaltet werden können. Manche sagten „dritte Orte“ zwischen Kirche und Gesellschaft. Auf jeden Fall keine Orte der dogmatischen Belehrung, sondern Orte des Gespräches, des Diskurses. Eine andere Formulierung, die gebraucht wurde, um dies zu charakterisieren, war: Sie sollten „nicht Faktor, sondern Forum“ sein. Das heißt kein eigener Machtfaktor, sondern Orte der überparteilichen Meinungsbildung. Dazu gehörte es vor allem, Menschen aus den unterschiedlichen Berufsfeldern zusammenzubringen und auch praktische Erfahrung und wissenschaftliche Reflexion miteinander zu verbinden. Das alles gilt im Grundsatz auch heute noch. Auch mit der neuen Akademie wollen wir Räume schaffen für den Diskurs. Wir wollen Forum sein für unsere Kirche in Stadt und Land und vor allem für unsere Gesellschaft. Wir brauchen solche Räume des Diskurses, mehr noch wir müssen den Diskurs stark machen – gerade in einer Gesellschaft, wo die Gefahr besteht, dass nicht mehr wirklich diskutiert wird. Manchmal habe ich den Eindruck: Unter Diskurs wird verstanden, Positionen aufeinander prallen zu lassen. Positionen werden dann aufgeladen mit einem Wahrheitsanspruch, der sich die eigene Wahrheit selbst konstruiert – wenn es sein muss – wie es mittlerweile heißt – auch gerne „gefakt“.

In der Evangelischen Akademie geht es um eine andere Diskurskultur. Die „Akademie“ ist „Evangelische“ Akademie. Es geht um eine Diskurskultur „im Licht des Evangeliums“. Was heißt das?

Was evangelische Diskurskultur bedeutet, lässt sich gut mit dem beschreiben, was Paulus im 1. Korintherbrief geschrieben hat:

„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ 1. Korinther 13,12-13

Um Missverständnisse zu vermeiden: Diskurskultur „im Licht des Evangeliums“ ist gerade nicht, dass ein Wahrheitsanspruch gegen andere behauptet wird.

Denn: Der Wahrheitsanspruch „im Licht des Evangeliums“ begrenzt sich selbst. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild“. Das heißt: Gerade im Licht des Evangeliums sehen wir, dass wir nicht alles erkennen und begreifen.

Im Hintergrund der Worte des Paulus steht, dass nach dem Verständnis der jüdischen Gelehrten Mose und die Propheten Gott durch „einen Spiegel“ erkennen – in unterschiedlicher Klarheit. Manchmal wurde gesagt: die Erkenntnis der Propheten sei eine Erkenntnis durch „trübe“ Spiegel, Mose haben Gott in einem „klaren“ Spiegel gesehen. Paulus greift dies auf. Er redet von der Gotteserkenntnis, die durch Jesus Christus zuteil geworden ist. Aber auch diese Erkenntnis bedeutet nicht, dass Menschen dann alles wissen und verstehen. Genau sind die Worte des Paulus so zu übersetzen: „Wir erkennen durch eine Spiegel auf rätselhafte Weise.“ Das heißt: auch im Licht des Evangeliums bleibt vieles, was wir nicht verstehen. Es gibt keine wirkliche Antwort darauf, warum manche leiden und andere nicht. Für die Angehörigen der Menschen, die in Barcelona zu Tode gekommen sind, wird vermutlich immer ein quälendes „Warum“ bleiben. Auch andere Fragen bleiben. Für Paulus gehört auch die Frage dazu, warum sich nicht andere Jüdinnen und Juden wie er zu Christus wenden. Und aber auch klar ist, dass Gott an seinem Bund zu Israel festhält. Und wer die Briefe des Paulus aufmerksam liest, wird merken, dass für ihn eben nicht alles klar und eindeutig ist – auch in den Lebensfragen der Gemeinden und wie er gewissermaßen im Diskurs denkt.

Das bedeutet im Blick auf die Wahrheit: Wir leben im Glauben und nicht im Schauen. Die Wahrheit schauen werden wir erst in der Begegnung mit Gott in Gottes Ewigkeit.

Martin Luther hat diese Gedanken aufgegriffen und hat so unterschieden. Es gibt das Licht der Natur, das sind Vernunft und Verstand, mit denen wir die Welt begreifen und sortieren. Es gibt das Licht des Evangeliums. Dadurch erfahren und hören wir, dass wir auf Gottes Liebe vertrauen dürfen. Und es gibt das Licht der Herrlichkeit, in dem wir dann alles schauen und verstehen werden. Weil das so ist, kann auch unsere Theologie keine Theologie der Herrlichkeit sein, sondern sie muss immer eine Theologie des Kreuzes sein. Das ist eine Theologie, die dem Leidvollen und Unerklärbaren den Raum lässt. Und es ist auch eine Theologie, die um die Grenzen der eigenen Aussagen über die Welt und Gott weiß. Es ist eine Theologie, die uns immer wieder in das Suchen und Fragen und so in den Diskurs, in das Gespräch, in die gemeinsame Reflexion führt. Und es ist natürlich eine Grundhaltung, die sich jedem Fundamentalismus – ob nun religiös, politisch oder wie auch immer - entgegenstellt. Gemeinsam mit den anderen Evangelischen Akademien - und ich füge hinzu – in ökumenischer Verbundenheit mit den Katholischen Akademien stehen wir „im Licht des Evangeliums“ für eine Gesprächskultur, in der sich niemand über den anderen stellt. Gespräch ist nur möglich, wenn Menschen gemeinsam ihre Grenzen erkennen. Niemand verfügt über die Wahrheit. Das ist wichtig – auch und gerade im interreligiösen Gespräch.

Aber das ist nicht alles. Ich drehe es mal herum. Wir leben nicht im Schauen, wir leben im Glauben! Und in diesem Glauben orientieren wir uns als Christinnen und Christen an der Wahrheit, die sich uns im Glauben erschließt. Paulus sagt ja nicht: Wir wissen gar nichts. Und am besten: Wir halten uns nur an das, was wir vor Augen haben und was wir durch den Verstand verstehen und begreifen können. Er sagt auch nicht: Weil wir nichts wissen, sollten wir uns denen anvertrauen, die über besondere Offenbarungen oder Geistesgaben verfügen. Das alles kann gut und hilfreich sein. Aber, so Paulus, das ist alles nichts nütze, wenn wir die Liebe nicht hätten.

Das ist schon eine Provokation. Die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse und die die größten technologischen Errungenschaften sind nichts wert – ohne die Liebe. Wir tuen wirklich gut daran, dies bei dem Digitalisierungsschub, den wir gerade erleben, nicht zu vergessen. Aber nicht nur dabei. Paulus stellt auch klar: auch die geistvollste religiöse Erkenntnis, die geschliffenste Theologie, die weitsichtige prophetische Rede, die innigste mystische Einkehr oder das aufrichtigste Bekenntnis – sie sind alle nichts nütze – ohne die Liebe.

Warum sagt Paulus das eigentlich so? – Ja, davon ist er überzeugt, das haben wir von Gott erkannt. Auch wenn wir nur „durch den Spiegel rätselhaft“ erkennen, das Wichtigste erkennen wir. Wir erkennen im Spiegel uns, nicht immer klar, manchmal auch verzerrt – je nach Spiegel. Wir erkennen uns und wir erkennen uns als von Gott gewollte, geschaffene und unendlich geliebte Menschen! Gott ist Liebe – darauf richtet sich unser Glaube und unsere Hoffnung. Und im Licht dieser Liebe steht und sehen wir unser Leben.

Wir schauen diese Liebe jetzt nicht völlig. Aber wir sind mit dieser Liebe verbunden: jetzt und hier – in diesem Leben. Deshalb ist das Vertrauen auf die Liebe Gottes nicht einfach eine Vertröstung auf das Jenseits. Von ihr geht die Botschaft und die Kraft aus, das Leben hier im Licht dieser Liebe zu leben. Und das heißt auch: Es gibt keine Wahrheit ohne Liebe! Es geht bei der Frage nach der Wahrheit um nichts Abstraktes, sondern immer auch um uns und unser Leben – hier und jetzt. Niemand kann Gott lieben und Menschen verachten oder gar vernichten.

Eine Evangelische Akademie steht für dieses Verständnis der Wahrheit. Sie wird sich darum mühen, in die kirchlichen und gesellschaftlichen Debatten diese Perspektive immer wieder einzutragen. Sie trägt dazu bei, dass wir uns als Menschen begegnen – von Angesicht zu Angesicht! So wie wir dereinst Gott begegnen – wie wir glauben und hoffen.

Ich wünsche unserer Akademie - heute an diesem Tag besonders, dass sie in diesem Geist das neue Haus prägt und erfüllt.

Zum Abschluss, weil wir im Jahr des Reformationsjubiläums sind, noch einmal Luther.

Der hat einmal, um das Verhältnis von Glaube, Hoffnung und Liebe zu erklären, gesagt. Der Glaube und die Hoffnung sind wie das Gerüst bei einem Bau. Die werden abgebaut, aber das Gebäude „die Liebe“ bleibt. Nun steht vor unserer Akademie auch kein Gerüst mehr. Und es wäre natürlich vermessen, dass neue Gebäude mit dem Ewigkeitswert der Liebe zu vergleichen. Aber ein wenig Himmel darf schon sein.

Und so bewahre der Frieden Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Christus. Amen

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top